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Es ist bitter und ernüchternd, wenn man als Narzist endlich das unselige Spiel erkennt, dass man endlos wie unter einem Zwang betrieben hat. Es ist vernichtend, wenn man endlich "sehend" wird für die Spur der Verwüstung und für das unsinnige Leid, das man wohlmeinenden Menschen in seiner Nähe grundlos zugefügt hat.
In einer Familienaufstellung hatte ich einmal die Stellvertreterrolle einer narzistischen Mutter inne und erlebte in dieser Rolle die absolute Gefühls- und Situationsblindheit. Dass es sich auch um mein eigenes Sein und Schicksal handelte, merkte ich erst lange Zeit später. So blind ist man durch die narzistische Wunde. Wenn man die Mechanismen kennt, ist es eigentlich unvorstellbar, wieso man so handeln konnte ...
Für "den Weg zurück" ist viel Vergebungsarbeit nötig, Wiedergutmachung, wo es geht. In erster Linie Vergebung sich selbst gegenüber - aber auch die Bitte um Vergebung den Personen gegenüber, die man "gemetzelt" hat. Mit der Unterstützung eines Seelsorgers und der Wirkung des Heiligen Geistes - täglich!! und ein Leben lang!! - soll und wird Friede einkehren und wirkliche Heilung möglich sein.
Lieber Herr Schmidt, Inhalte in einem Podcast werden durch einen Sprecher vermittelt, der Sprecher fungiert als Medium. Je lebendiger die Sprache des Medium ist, desto wirksamer wird der Inhalt transportiert. Sicher gibt es Gemüter, die von jeder Kommunikation, die Aufmerksamkeit erregt, irritiert sind. Solche Leute sollten sich jedoch fragen, ob das Problem nicht eher bei ihnen liegt als vielmehr bei dem Sprecher, der wirksam kommuniziert. Abwerten können Sie hier nicht den Sprecher, Herrn Leyh, der einen ganz ausgezeichneten Podcast liefert, sondern Sie zeigen hier doch eher ihre eigen Probleme mit Menschen, die Dinge "auf den Punkt" bringen können, eben ein einfaches Gemüht, welches offenbar schnell überfordert ist.
Es ist schon interessant, wie unterschiedlich Olaf Schmidt in "Gehirn und Geist" und Martin Busch in "Spektrum.de" (Rezension 02.07.2013) dieses Buch von Edward O. Wilson beurteilen. Der Eine (Schmidt) spricht über das, was nicht im Buch steht, nämlich philosophische Ausführungen - die für die Leser von "Gehirn und Geist" wohl von besonderem Interesse sind - der Andere (Busch) berichtet, was drin steht - was naturwissenschaftlich Interessierte lockt.
Wilson gibt durchaus sehr vollständige Antworten zum Buchtitel, also zum Thema "Die soziale Eroberung der Erde" (und dazu gehören nun einmal die Ameisen) und zum Untertitel "Eine biologische Geschichte des Menschen" (und auch da wieder ist die Philosophie nicht angesprochen). Wenn Herr Schmidt das Thema des Buches umdeutet in "Was ist der Mensch?", so meint er wahrscheinlich den Titel des 20. Kapitels "Was ist die Natur des Menschen?", das 3-5% des Buches ausmacht. Selbst Wilson, dem ein üppiges Selbstbewusstsein sicherlich nicht abzusprechen ist, maßt sich eine Antwort auf diese Frage nicht an. Darum stellt er sie ja auch nicht.
Und schließlich: Wilson zeigt exakt das Gegenteil dessen auf, was Aristoteles als Gemeinsamkeiten von Bienen/Ameisen und Menschen sah, das zoon politikon, was die Bienen und Ameisen eben nicht sind, der Mensch auf Grund seiner nicht unmaßgeblich durch Evolution begründeten Kultur aber schon. Ich kann nur raten: Lesen Sie die frühere Rezension vom 02.07.2013 oder - noch besser - lesen Sie das Buch!
Legasthenie ist ein Problem des Gehirns. Mit dem Gehör hat das nichts zu tun, oder? Im Artikel von Frau Hauschild wird beklagt, dass Legastheniker oft ähnlich klingende Buchstaben verwechseln oder auf ein plötzliches "ba" unter vielen "da" kaum reagieren. Als Ursache wird vermutet, das Gehirn (!) könne die beiden Silben nicht unterscheiden. Dass das manchmal schlicht mit der (Un)Genauigkeit menschlichen Hörvermögens zu tun haben könnte, wird, wenn nicht ausgeschlossen, so doch jedenfalls nur am Rande erwähnt. Meines Erachtens wird leider immer noch die Komplexität des Hörens, vor allem der HÖRVERARBEITUNG, unterschätzt. Jeder Mensch lernt die Sprache zuerst über das Gehör, und wenn dieses nicht exakt genug arbeitet, wird Sprache nur mangelhaft und ungenau gespeichert. Das ist nicht nur vom reibungslosen Funktionieren des Mittel- und Innenohres abhängig, sondern auch von Schnelligkeit und Genauigkeit der Verarbeitung, von exakter Schallortung und ausreichender Filterleistung bei Störschall usw. Wenn Ohrenärzte ein gutes Gehör attestieren, beziehen sie sich meist nur darauf, dass Mittel- und Innenohr organisch in Ordnung sind. (Klagen die Eltern dann, das Kind würde die Lehrerin aber trotzdem nicht verstehen, so werden oft psychische Probleme vermutet. Ohr und Gehör sind aber nicht dasselbe!) Wer z.B. unter erhöhter Lärmempfindlichkeit leidet, hört eben nicht wirklich gut, weil die Filterfunktion des Ohres nicht stimmt, was die Konzentrationsfähigkeit erheblich beeinträchtigen kann.
Amerikanische Forscherinnen haben schon vor längerer Zeit auf den signifikanten Zusammenhang zwischen der Fähigkeit von Vorschulkindern, Tonhöhen zu unterscheiden, und späteren Rechtschreibproblemen in der Grundschule aufmerksam gemacht. (Siehe im Internet: April Benasich, Paula Tallal (2002): "Infant discrimination of rapid auditory cues predicts later language impairment.") Es dauert leider oft sehr lange, bis solche Zusammenhänge auch in Schulen beachtet werden.
Für besonders ärgerlich halte ich den Trend, eine Ursache für Lese- und Rechtschreibprobleme finden zu wollen, am besten gleich eine genetische. Um Konsonanten zu unterscheiden, muss ich Tonhöhen sehr genau unterscheiden können; um Wörter aufschreiben zu können, muss ich sie in der nötigen Geschwindigkeit akustisch "zwischenspeichern"; um die Hand zu führen, muss ich ein exaktes Raumgefühl und ausreichend Feinmotorik entwickelt haben; um das Ergebnis kontrollieren zu können, muss ich eine optische Vorstellung vom zu Schreibenden entwickelt haben. Beim Lesenlernen muss die phonologische Rekodierung automatisiert werden, das heißt der Zugriff auf das akustische Klangbild des Wortes, welches wir aus den Buchstaben konstruieren, wobei wir wieder beim Hören sind (auch Erwachsene greifen darauf zurück, wenn sie ein Wort nicht kennen).
Was immer also die Gründe für Legasthenie sein mögen: Dass die Fähigkeit des genauen (Zu)Hörens in diesem Zusammenhang nicht ausreichend beachtet wird, erstaunt mich immer wieder.
Wolfgang Rosenthaler Musiker, Musikpädagoge, Tomatis-Trainer
Man mag es nicht glauben, aber dieser Mann, der da gerade mit dem Fahrrad von Manali nach Leh geradelt ist (über 4 der höchsten Pässe der Welt), der seit Jahren gutes Geld mit einer eigenen Tischlerei verdient, der seit 16 Jahren in einer Familie mit 3 Kindern lebt ... er nimmt so 4-10 Mal im Jahr eine psychedelische Dosis LSD (150-600). Wir sind tausende, nur spricht kaum einer offen darüber, weil dann alle denken, wir hätten ein Problem, oder was weiß ich, was in den Köpfen alles noch so für Unsinn rumgeistert. Danke für den Artikel.
Seit ich Sport mache, bekomme ich mich besser in den Griff, ich habe Sport gehasst, nur getrunken & geraucht wie ein Schlot, es gibt Momente, wo ich schwach werde, aber ich kann euch nur ans Herz legen: Treibt Sport! Macht euch so richtig fertig, geht über eure körperliche Grenze & ihr werdet mit der Zeit merken, dass ihr viel ausgelassener seid. Ich will nicht sagen, dass Ärzte nicht helfen, aber letztendlich sind wir es, die diesen Weg gehen müssen. Ich habe viele Therapien hinter mir und Medikamente bekommen. Das was mir am besten geholfen hat, war in die Laufschuhe zu steigen oder die Boxhandschuhe anzuziehen. Glaubt an euch, kämpft & wenn das Monster kommt, dann brecht es!
Ich bin auch einem Menschen entkommen, der eine antisoziale Persönlichkeitsstörung hat, allerdings bin ich die kranke Person in seinen Augen :). Es ist außenstehenden Personen nicht wirklich vermittelbar, was wir da gesehen haben all die Jahre. Charmant, nett, zuvorkommend, hilfbereit usw., hinterrücks Betrug, Lügen (die so wahrheitsgemäß vorgetragen wurden, dass man es kaum erkennen konnte). Heute achte ich auf die Gestik oder Mimik der Person, und es ist erstaunlich, ich weiß, dass er lügt, eigentlich ständige Halbwahrheiten erzählt und man sieht außer ein kurzes Zucken in den Augen "nichts", kein Angstschweiß, keine Nervosität, seine Lügen sind perfektioniert. Es ist unglaublich, dass es sowas tatsächlich gibt. Es ist so perfekt, dass es niemand direkt merken kann. Und trotzdem kommen Schwierigkeiten ganz automatisch, weil Lügen haben kurze Beine, und man kann noch so perfekt sein, es wird Menschen geben, die diese Lügen irgendwann aufdecken, ohne es zu wissen, sie erzählen einfach eine ganz andere Story, und wenn man da aufmerksam ist und mehrere verschiedene Leute fragt, sieht man es ziemlich direkt vor Augen. Anders geht es nicht, wenn man hofft, die Lüge erkennen zu können, ist man schon mitten drin in der Katastrophe. Es ist allerdings sehr erstaunlich, dass es nur selten dazu kommt, dass man jemanden seine Untaten nachweisen kann, und wenn ja, ist es interessant zu sehen, welche Geschichten und Märchen dann zu Tage treten. Was dann noch kranker ist, wenn dann zum eigenen Schutz des Psychopathen noch mehr Lügen aufgetischt werden und er plötzlich das Opfer von Intrigen ist, und die anderen lügen, nicht er selbst. Es ist wie gesagt nicht therapierbar. Weil es an Reflektion fehlt und an Moral und Anstand. Diese Eigenschaften sind gar nicht vorhanden. Heute würde ich sagen, dass diese Menschen innerlich tot sind, also keine Empathie besitzen, sie hätten sie gerne, wissen aber nicht, was das ist.
Was der Hirschhausen inhaltlich so loslässt, erfreut mich regelmäßig - aber nur im Hörfunk. Im TV kann ich seine nasierende Erscheinung kaum ertragen, und auch das Gewustel seiner Umgebung, wie "... jetzt kommt Dr. Eckhart von Hirschhausen ..." oder "... der Arzt und Kabarettist ..." nervt mich. Ist der Hirschhausen eigentlich noch als Arzt tätig? Ist der gar ein verdeckter Lobbyist der Ärzteschaft mit dem Auftrag, das Bild "ein Arzt ist ein ganz besonderer Mensch" in den Köpfen der Menschen zu konservieren? Fragen über Fragen.
Grüße von einem Altersrentner und Ex-Wirtschaftsingenieur/Systemanalyst/Manager/Consultant
"10. Erkennt, dass es Menschen gibt, die uns bewusst schädigen, um einen Vorteil, Gewinn, sozialen Aufstieg für sich daraus zu ziehen! VERSUCHT NICHT IHN/SIE ZU BESSERN: DIE STÖRUNG IST NICHT HEILBAR: ES GIBT KEINE THERAPIE: ES GIBT NUR DIE AUFKLÄRUNG UND DEN SCHUTZ DER GESELLSCHAFT VOR DIESEN MONSTERN. Dieser wird allerdings nicht publiziert, weil sonst das kapitalistische System in Frage gestellt würde."
Jedes Wort wahr!!!
Würde gerne mit Dir in Verbindung treten. Vielleicht gibt es die Möglichkeit?
Ich habe einen Psychopathen erlebt/überlebt. Aber ich werde wohl sehr lange brauchen, um das Erlebte zu verarbeiten.
Es ist einem Außenstehenden überhaupt nicht übermittelbar, was in so einer Beziehung abgeht. Man verliert sich selbst. Wird krank. Ist krank. Kommt aus der Nummer nicht raus. Ist emotional abhängig - immer wieder auf bessere Zeiten hoffend. Der Gemein/Nett-Kreislauf leistet hier ganze Arbeit.
Diese Spezies hat es drauf, sein Umfeld zu hypnotisieren. Manipulation ohne Grenzen. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, dass sich hinter dem braven Biedermann ein Monster versteckt. Und man (keiner) kann sich schützen. Lügen, betrügen, Manipulation, austricksen, Spielchen spielen auf grausamste Art, das ist der Spaß der Psychopathen. Ich habe leider "fast" zu spät gemerkt, was hier wirklich läuft.
Ich möchte jedem das Buch "Gewissenlos - die Psychopathen unter uns" und "Die Maske der Niedertracht" empfehlen. Beide Bücher machen ein Verstehen und damit letztendliches Verarbeiten des Erlebten einfacher.
Aber das Leben wird nach so einer Erfahrung nie wieder so sein wie vorher.
Vor kurzem habe ich schwarz auf weiß gelesen, dass ein Bekannter von mir unter dissozialer Persönlichkeitsstörung, emotional instabile Persönlichkeitsstörung und Pseudologie leidet. Ich habe mich im Internet mal schlau gemacht und frage mich nun, ob die dissoziale Persönlichkeitsstörung mit der Pseudologie zusammenhängt?
Liebe Grüße
Stellungnahme der Redaktion
Liebe Trude,
krankhaftes Lügen und antisoziale Persönlichkeitszüge können tatsächlich zusammenhängen. Menschen mit einer antisozialen oder dissozialen Persönlichkeit fühlen sich sozialen Normen und Gesetzen nicht verpflichtet. Sie verspüren wenig Schuldgefühle, wenn sie gegen Regeln verstoßen, und haben keine moralischen Bedenken, ihre Mitmenschen zu belügen oder zu betrügen. Sie lügen aber eher "instrumentell", d.h. um damit etwas (Materielles) zu erreichen. Der Begriff Pseudologie bezeichnet allerdings eher Lügen und Übertreiben aus Geltungssucht. Das ist auch ein Symptom der narzisstischen Persönlichkeitsstörung, die oft mit der antisozialen gemeinsam auftritt. Ob das alles im Fall Ihres Bekannten zutrifft, können wir natürlich nicht beurteilen. Aber theoretisch ist ein Zusammenhang gut möglich.
Den Satz "Aussagen über die Existenz oder Nichtexistenz Gottes sowie transzendente Phänomene im Allgemeinen können aus neurologischen und biologischen Forschungsergebnissen nicht abgeleitet werden" halte ich für hinterfragungswürdig.
Betrachtet man die Rituale diverser Religion, dann zeigen sich einige der Rituale genau bei den Personen dominierend, die auch Ursache für danach entstandene Berichte über außergewöhnliche Wahrnehmen waren.
Zu solchen Ritualen gehören lange extreme Fastenzeiten, langer Schlafentzug bei langanhaltendem Beten oder Meditieren, langes Verweilen in Wolken von Räucherwerk usw. Hier dürfte es nachvollziehbar sein, dass einerseits solche Rituale selbst auch den Hirnstoffwechsel beeinflussen und andererseits das langanhaltende Verbleiben in einer einseitigen Denk- und Emotionsrichtung schon bald zu einer Überlastung zuständiger Hirnregionen führt, so dass diese teilweise ihren Dienst aufgeben und teilweise andere Bereiche ersatzweise einspringen. Das Resultat muss dann zwangsläufig eine veränderte Wahrnehmung sein.
Allgemein gilt (mal abgesehen von wenigen Ausnahmen), dass wir erst einmal alles das für wahr halte, was unserer Wahrnehmung entspringt und (sei es wegen mangelndem Wissen oder aufgrund von Verkennungen) was nicht auffällig krass unserer eigenen Logik widerspricht bzw. dem, was wir für logisch halten. Daraus wäre herzuleiten, dass es viele Wahrheiten gibt - jeder hat eben seine eigene. Und genau das liefert ein Argument dafür, dass sich gewisse Phänomene eben doch aus neurologischen und biologischen Forschungsergebnissen ableiten lässt. Richtig ist dann lediglich, dass sich die Existenz oder Nichtexistenz Gottes (unterstellt, er ist real) daraus nicht ableiten lässt, wohl aber das, was Menschen als "Gott" definiert haben.
Damit der Beitrag kurz bleibt, habe ich bewusst das Phänomen des allen Religionen (und nicht nur Religionen) innewohnenden Verklärungswahns weggelassen, der eine noch maßgeblichere Rolle bei allem spielen dürfte. Dies wäre ein gesondertes Thema, welches an anderer Stelle sehr nüchtern nach verhaltenspsychologischen Gesichtspunkten diskutiert werden sollte.
Vielen Dank für Ihren Artikel zum Thema "Missbrauch in der Psychotherapie". Leider ist der so genannte "analytische Inzest" ein Thema, das trotz, oder gerade wegen, der sehr hohen Dunkelziffer selten seinen Weg in die Öffentlichkeit findet. Opfer geben sich selbst die Schuld, um der Ohnmacht zu entgehen, und auch das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, was ja von den Tätern meist auch absichtlich inszeniert wird, führt meist dazu, dass Opfer schweigen. Leider ganz auf Kosten der Patienten, die noch Jahre später unter Folgestörungen eines solchen Traumas leiden. Daher bin ich dankbar, diesen Artikel in Ihrem Heft gefunden zu haben, weil ich denke, dass es wichtig ist, Aufmerksamkeit dieser Thematik gegenüber zu schaffen.
Es war sehr interessant, Ihre 3 Beiträge zu lesen. Zu begrüßen am Eintrag von Christian Hornstein finde ich, ist dass er sehr kritisch hinterfragt. Im Gegensatz zu Simone Seibert finde ich nicht, dass er "Anderssexuelle" nicht toleriert. Gerade finde ich, dass er für "im Einzelfall unterschiedlich vorhandenen Möglichkeiten der Identitätsentwicklung und Rollengestaltung" spricht. Auch wenn vielleicht das Ziel war mit Interventionen diese zu verändern.
Zunächst möchte ich eine Frage zu Chris S. aufwerfen. Sie schreiben: "Würde man beispielsweise ein fünfjähriges Kind zu seinen Ansichten zur globalen Erwärmung, Krieg oder Menschenrechten befragen, wäre vermutlich keine aussagekräftige Antwort zu erwarten, da das Kind in der Entwicklung seiner individuellen Ansichten und Moralvorstellungen, sprich seiner Identitätsbildung, noch nicht weit genug vorangeschritten ist. Stelle man dem Kind jedoch die Frage, ob es ein Junge oder ein Mädchen sei, so würde man mit ziemlicher Sicherheit eine eindeutige Antwort erhalten."
Sie lassen dabei außer Acht, dass Kinder bereits sozialisiert sind. Hat ein Kind Ihrer Meinung nach eine Vorstellung, dass es nicht nur Junge oder Mädchen gibt? Ich bin der Meinung, dass sich sehr viel trans* Menschen nicht ausreichend beschrieben fühlen mit den lediglich zwei Geschlechtskategorien Frau oder Mann. Unser Alltagswissen ist in dieser Hinsicht so sehr verinnerlicht, dass wir denken, dass es zwei und nur zwei Geschlechter gibt, und Geschlecht mit Geschlechtsidentität, Geschlechtsrolle und sexueller Orientierung gleichsetzt, (in der Wissenschaft wird das Heteronormativität genannt) [1] dass es unbewusst in unser Denken und Handeln einfließt - auch in die Wissenschaft. So werden Studien bereits darauf angelegt, dass 'Frauen' mit 'Männern' verglichen werden. Die neueren Transgender-Bewegungen zielen weniger auf eine körperliche Angleichung, weil sie sich im 'falschen Körper' fühlen, sondern auf eine Aufhebung der zweigeschlechtlichen Ordnung [3]. Demnach ist nicht der Körper die Ursache für ihr Leiden, sondern vielmehr die Gesellschaft, welche starre Vorstellungen von Geschlechtsentwürfen hat.
Kurzer Exkurs, um Heteronormativität zu erklären [1]: Nach Degele (2008) basiert Heteronormativität vor allem auf zwei alltagsweltlich und auch wissenschaftlich tief verwurzelten Annahmen: Menschsein sei natürlicherweise zweigeschlechtlich organisiert und Heterosexualität die ausschließliche und essenzielle Grundlage. Das Konzept beschreibt ein binäres Geschlechtersystem, das zwei und nur zwei Geschlechter akzeptiert und Geschlecht mit Geschlechtsidentität, Geschlechtsrolle und sexueller Orientierung gleichsetzt. Es gibt Frauen und Männer, und diese beziehen sich in ihrer Sexualität aufeinander (vgl. S. 88). Heteronormativität bezieht sich weiter auf gesellschaftliche Strukturen und Organisationsweisen. Institutionen, Denkstrukturen und Wahrnehmungsmuster stilisieren Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität zur Norm und privilegieren diese zusätzlich. Beispiele dafür sind die Institution Ehe, welche einen besonderen Schutz genießt im Vergleich zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder Konkubinats-Paaren, oder Schulbücher, die ein traditionelles Familienmodell mit entsprechenden Gender-Vorstellungen darstellen. Gesellschaftliche Normalisierungsprozesse, die den Beteiligten nicht unbedingt bewusst sein müssen, führen zur Naturalisierung der Heteronormativität (vgl. ebd., S. 88f.): "Wie sollte – so das Alltagswissen – die Menschheit auch weiter bestehen können, gäbe es keine Heterosexualität? Und genau dies habe die Natur ganz praktisch einfach so eingerichtet." (ebd. S. 89). Heteronormativität dient auch einer Komplexitätsreduktion, indem es berechenbares Verhaltensterrain und damit Erwartungssicherheit schafft. (vgl. ebd., S. 89f.). So ist zum Beispiel klar, dass der Mann der Frau die Tür aufhält. Die Reproduktion der Heteronormativität und damit auch der Zweigeschlechtlichkeit erfolgt auch durch soziales Handeln (Doing Gender).
Studien, die 'Frauen' mit 'Männern' vergleichen, lassen dabei z.B. Studien von Margaret Mead (1958) und Hartmann Tyrell (1986) aussen vor. Denn ihre Studien deuten darauf hin, "dass die Menschen in allen Gesellschaften, gemessen allein an ihrer körperlichen Erscheinungsform, weit eher ein Kontinuum bilden, als in zwei differente Gruppen auseinander zu fallen". Demnach ist nur ein kleiner Teil 'eindeutig weiblich' oder 'eindeutig männlich', und die Mehrheit liegt irgendwo dazwischen (vgl. Mead, 1958 u. Tyrell, 1986, beide zit. in Wetterer, 2010, S. 128). Nach Tyrell (1986) ist die Einteilung der Menschen in zwei Kategorien etwas Künstliches. [2] So würde ich den Eintrag von Simone Seibert ergänzen: Nicht nur Intersexuelle weicht von der 'Norm' ab - so gut wie alle Menschen tun das ;-) Das Bestreben, auch trans* Menschen eindeutig Frau oder Mann zu 'machen', zielt auf eine Erhaltung dieses kulturellen, binären Geschlechtssystems. So wurden früher Geschlechtsoperationen durchgeführt, um aus schwulen Männern heterosexuelle Frauen zu machen. Um rechtlich einen anderen Geschlechtseintrag zu erlangen, ist in vielen Ländern einen Beweis für operrativ erreichte Unfruchtbarkeit Voraussetzung sowie oft auch eine Vorgabe über Hormoneinnahme. Alles in allem soll möglichst genau ein 'Mann' oder eine 'Frau' entstehen. Für einen ausführlichen historischen Abriss über die 'Geschichte von trans*' mit Schwerpunkt auf medizinische Diskurse und Praxen vgl. [3] Schirmer, 2010, S. 115-129.
Zurück zur anfänglichen Frage. Kann nun ein Kind die Frage nach seinem Geschlecht 'wirklich' beantworten? Vielleicht würde es gern weder Mädchen noch Junge sein - oder beides zugleich - oder mal dieses mal jenes. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass einige Kinder das so beantworten können, und dennoch sind sie von unserer Sozialisation geprägt: nämlich, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Immerhin gibt es die Möglichkeit das Geschlecht zu wechseln - aber auch hier wird vorallem darauf abgezielt, dass die Zweigeschlechtlichkeit aufrechterhalten wird. Die Diagnose von trans* beruht noch stark auf dem Feststellen eines 'Leidens am falschen Körper' sowie auf der Prüfung von Konstanz und Stimmigkeit des 'gegengeschlechtlichen' Geschlechtsempfindens. Eine möglichst weitgehende 'Vereindeutigung' zu einem der zwei möglichen Geschlechter ist immer noch oft das Ziel der Behandlung – dies wird auch im medizinisch-psychologischen Feld inzwischen hinterfragt und vielfach anders praktiziert (vgl. Schirmer, 2010, S. 129). Seit den 1990er Jahren wird im Zuge der Transgender-Bewegung zunehmend eine Problematisierung der zweigeschlechtlichen Ordnung thematisiert. Anstelle vom 'Leiden am falschen Körper' mit daraus resultierendem Operationswunsch tritt heute für viele ein Leiden an gesellschaftlichen Normen, welche nur eine bestimmte Körperlichkeit zum Leben im gewünschten und/oder gefühlten Geschlecht legitimiert. Dabei ist zu betonen, dass gewünschte körperliche Veränderungen sich sehr subjektiv unterscheiden. Für einige reicht etwa eine hormonelle Behandlung, während andere weiterhin eine vollständige Geschlechtsangleichende Operation anstreben – dazwischen gibt es eine breite Palette (vgl. ebd., S. 128f.).
Abschließend möchte ich Sie alle drei einladen, über den Horizont von Zweigeschlechtlichkeit hinauszublicken. 'Leiden am/im falschen Körper' kann auch anders interpretiert werden. Lassen Sie auch andere Lebensentwürfe zu, die jenseits von Frau und Mann sind.
[1] Degele, Nina. (2008). Gender / Queer Studies. Eine Einführung. Paderborn: UTB. [2] Wetterer, Angelika. (2010). Konstruktion von Geschlecht: Reproduktionsweisen der Zweige-schlechtlichkeit. In Ruth Becker & Beate Kortendiek (Hrsg.), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie (3., erweiterte und durchgesehene Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. [3] Schirmer, Uta. (2010). Geschlecht anders gestalten: Drag Kinging, geschlechtliche Selbst-verhältnisse und Wirklichkeiten. Bielefeld: Transcript.
3.
10.09.2013, LauraErlösung
08.09.2013, B.A.SIn einer Familienaufstellung hatte ich einmal die Stellvertreterrolle einer narzistischen Mutter inne und erlebte in dieser Rolle die absolute Gefühls- und Situationsblindheit. Dass es sich auch um mein eigenes Sein und Schicksal handelte, merkte ich erst lange Zeit später. So blind ist man durch die narzistische Wunde. Wenn man die Mechanismen kennt, ist es eigentlich unvorstellbar, wieso man so handeln konnte ...
Für "den Weg zurück" ist viel Vergebungsarbeit nötig, Wiedergutmachung, wo es geht. In erster Linie Vergebung sich selbst gegenüber - aber auch die Bitte um Vergebung den Personen gegenüber, die man "gemetzelt" hat. Mit der Unterstützung eines Seelsorgers und der Wirkung des Heiligen Geistes - täglich!! und ein Leben lang!! - soll und wird Friede einkehren und wirkliche Heilung möglich sein.
Inhalt ohne Sprecher kann nicht transportiert werden
05.09.2013, FranziskaInhalte in einem Podcast werden durch einen Sprecher vermittelt, der Sprecher fungiert als Medium. Je lebendiger die Sprache des Medium ist, desto wirksamer wird der Inhalt transportiert. Sicher gibt es Gemüter, die von jeder Kommunikation, die Aufmerksamkeit erregt, irritiert sind. Solche Leute sollten sich jedoch fragen, ob das Problem nicht eher bei ihnen liegt als vielmehr bei dem Sprecher, der wirksam kommuniziert. Abwerten können Sie hier nicht den Sprecher, Herrn Leyh, der einen ganz ausgezeichneten Podcast liefert, sondern Sie zeigen hier doch eher ihre eigen Probleme mit Menschen, die Dinge "auf den Punkt" bringen können, eben ein einfaches Gemüht, welches offenbar schnell überfordert ist.
Rezension in Spektrum oder in Gehirn und Geist, welch ein Unterschied
02.09.2013, J. BohnenbergerWilson gibt durchaus sehr vollständige Antworten zum Buchtitel, also zum Thema "Die soziale Eroberung der Erde" (und dazu gehören nun einmal die Ameisen) und zum Untertitel "Eine biologische Geschichte des Menschen" (und auch da wieder ist die Philosophie nicht angesprochen).
Wenn Herr Schmidt das Thema des Buches umdeutet in "Was ist der Mensch?", so meint er wahrscheinlich den Titel des 20. Kapitels "Was ist die Natur des Menschen?", das 3-5% des Buches ausmacht. Selbst Wilson, dem ein üppiges Selbstbewusstsein sicherlich nicht abzusprechen ist, maßt sich eine Antwort auf diese Frage nicht an. Darum stellt er sie ja auch nicht.
Und schließlich: Wilson zeigt exakt das Gegenteil dessen auf, was Aristoteles als Gemeinsamkeiten von Bienen/Ameisen und Menschen sah, das zoon politikon, was die Bienen und Ameisen eben nicht sind, der Mensch auf Grund seiner nicht unmaßgeblich durch Evolution begründeten Kultur aber schon.
Ich kann nur raten: Lesen Sie die frühere Rezension vom 02.07.2013 oder - noch besser - lesen Sie das Buch!
Legasthenie und Hören
25.08.2013, Mag. Wolfgang RosenthalerAmerikanische Forscherinnen haben schon vor längerer Zeit auf den signifikanten Zusammenhang zwischen der Fähigkeit von Vorschulkindern, Tonhöhen zu unterscheiden, und späteren Rechtschreibproblemen in der Grundschule aufmerksam gemacht. (Siehe im Internet: April Benasich, Paula Tallal (2002): "Infant discrimination of rapid auditory cues predicts later language impairment.") Es dauert leider oft sehr lange, bis solche Zusammenhänge auch in Schulen beachtet werden.
Für besonders ärgerlich halte ich den Trend, eine Ursache für Lese- und Rechtschreibprobleme finden zu wollen, am besten gleich eine genetische. Um Konsonanten zu unterscheiden, muss ich Tonhöhen sehr genau unterscheiden können; um Wörter aufschreiben zu können, muss ich sie in der nötigen Geschwindigkeit akustisch "zwischenspeichern"; um die Hand zu führen, muss ich ein exaktes Raumgefühl und ausreichend Feinmotorik entwickelt haben; um das Ergebnis kontrollieren zu können, muss ich eine optische Vorstellung vom zu Schreibenden entwickelt haben. Beim Lesenlernen muss die phonologische Rekodierung automatisiert werden, das heißt der Zugriff auf das akustische Klangbild des Wortes, welches wir aus den Buchstaben konstruieren, wobei wir wieder beim Hören sind (auch Erwachsene greifen darauf zurück, wenn sie ein Wort nicht kennen).
Was immer also die Gründe für Legasthenie sein mögen: Dass die Fähigkeit des genauen (Zu)Hörens in diesem Zusammenhang nicht ausreichend beachtet wird, erstaunt mich immer wieder.
Wolfgang Rosenthaler
Musiker, Musikpädagoge, Tomatis-Trainer
Ich bin einer von tausenden ... LSD-Usern
23.08.2013, Joe SchraubeUm eine Bestie zu besiegen, musst du die stärkere Bestie sein
21.08.2013, PhilDer Psychopath von nebenan
19.08.2013, AgnesHirschhausen
19.08.2013, Edelbert HackenbergIm TV kann ich seine nasierende Erscheinung kaum ertragen, und auch das Gewustel seiner Umgebung, wie "... jetzt kommt Dr. Eckhart von Hirschhausen ..." oder "... der Arzt und Kabarettist ..." nervt mich.
Ist der Hirschhausen eigentlich noch als Arzt tätig? Ist der gar ein verdeckter Lobbyist der Ärzteschaft mit dem Auftrag, das Bild "ein Arzt ist ein ganz besonderer Mensch" in den Köpfen der Menschen zu konservieren? Fragen über Fragen.
Grüße von einem Altersrentner und Ex-Wirtschaftsingenieur/Systemanalyst/Manager/Consultant
@marion - Dein Text
16.08.2013, GarnetJedes Wort wahr!!!
Würde gerne mit Dir in Verbindung treten. Vielleicht gibt es die Möglichkeit?
Hurra, ich lebe noch ...
16.08.2013, GarnetEs ist einem Außenstehenden überhaupt nicht übermittelbar, was in so einer Beziehung abgeht. Man verliert sich selbst. Wird krank. Ist krank. Kommt aus der Nummer nicht raus. Ist emotional abhängig - immer wieder auf bessere Zeiten hoffend. Der Gemein/Nett-Kreislauf leistet hier ganze Arbeit.
Diese Spezies hat es drauf, sein Umfeld zu hypnotisieren. Manipulation ohne Grenzen. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, dass sich hinter dem braven Biedermann ein Monster versteckt. Und man (keiner) kann sich schützen. Lügen, betrügen, Manipulation, austricksen, Spielchen spielen auf grausamste Art, das ist der Spaß der Psychopathen. Ich habe leider "fast" zu spät gemerkt, was hier wirklich läuft.
Ich möchte jedem das Buch "Gewissenlos - die Psychopathen unter uns" und "Die Maske der Niedertracht" empfehlen. Beide Bücher machen ein Verstehen und damit letztendliches Verarbeiten des Erlebten einfacher.
Aber das Leben wird nach so einer Erfahrung nie wieder so sein wie vorher.
Zusammenhang?
05.08.2013, TrudeIch habe mich im Internet mal schlau gemacht und frage mich nun, ob die dissoziale Persönlichkeitsstörung mit der Pseudologie zusammenhängt?
Liebe Grüße
Liebe Trude,
krankhaftes Lügen und antisoziale Persönlichkeitszüge können tatsächlich zusammenhängen. Menschen mit einer antisozialen oder dissozialen Persönlichkeit fühlen sich sozialen Normen und Gesetzen nicht verpflichtet. Sie verspüren wenig Schuldgefühle, wenn sie gegen Regeln verstoßen, und haben keine moralischen Bedenken, ihre Mitmenschen zu belügen oder zu betrügen. Sie lügen aber eher "instrumentell", d.h. um damit etwas (Materielles) zu erreichen. Der Begriff Pseudologie bezeichnet allerdings eher Lügen und Übertreiben aus Geltungssucht. Das ist auch ein Symptom der narzisstischen Persönlichkeitsstörung, die oft mit der antisozialen gemeinsam auftritt. Ob das alles im Fall Ihres Bekannten zutrifft, können wir natürlich nicht beurteilen. Aber theoretisch ist ein Zusammenhang gut möglich.
Mit besten Grüßen
Die Redaktion
Hinterfragung zu "Existenz oder Nichtexistenz Gottes herleiten"
04.08.2013, IrgendwerBetrachtet man die Rituale diverser Religion, dann zeigen sich einige der Rituale genau bei den Personen dominierend, die auch Ursache für danach entstandene Berichte über außergewöhnliche Wahrnehmen waren.
Zu solchen Ritualen gehören lange extreme Fastenzeiten, langer Schlafentzug bei langanhaltendem Beten oder Meditieren, langes Verweilen in Wolken von Räucherwerk usw. Hier dürfte es nachvollziehbar sein, dass einerseits solche Rituale selbst auch den Hirnstoffwechsel beeinflussen und andererseits das langanhaltende Verbleiben in einer einseitigen Denk- und Emotionsrichtung schon bald zu einer Überlastung zuständiger Hirnregionen führt, so dass diese teilweise ihren Dienst aufgeben und teilweise andere Bereiche ersatzweise einspringen. Das Resultat muss dann zwangsläufig eine veränderte Wahrnehmung sein.
Allgemein gilt (mal abgesehen von wenigen Ausnahmen), dass wir erst einmal alles das für wahr halte, was unserer Wahrnehmung entspringt und (sei es wegen mangelndem Wissen oder aufgrund von Verkennungen) was nicht auffällig krass unserer eigenen Logik widerspricht bzw. dem, was wir für logisch halten. Daraus wäre herzuleiten, dass es viele Wahrheiten gibt - jeder hat eben seine eigene. Und genau das liefert ein Argument dafür, dass sich gewisse Phänomene eben doch aus neurologischen und biologischen Forschungsergebnissen ableiten lässt. Richtig ist dann lediglich, dass sich die Existenz oder Nichtexistenz Gottes (unterstellt, er ist real) daraus nicht ableiten lässt, wohl aber das, was Menschen als "Gott" definiert haben.
Damit der Beitrag kurz bleibt, habe ich bewusst das Phänomen des allen Religionen (und nicht nur Religionen) innewohnenden Verklärungswahns weggelassen, der eine noch maßgeblichere Rolle bei allem spielen dürfte. Dies wäre ein gesondertes Thema, welches an anderer Stelle sehr nüchtern nach verhaltenspsychologischen Gesichtspunkten diskutiert werden sollte.
Fatale Beziehungen
01.08.2013, Juli E.Leider ist der so genannte "analytische Inzest" ein Thema, das trotz, oder gerade wegen, der sehr hohen Dunkelziffer selten seinen Weg in die Öffentlichkeit findet.
Opfer geben sich selbst die Schuld, um der Ohnmacht zu entgehen, und auch das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, was ja von den Tätern meist auch absichtlich inszeniert wird, führt meist dazu, dass Opfer schweigen. Leider ganz auf Kosten der Patienten, die noch Jahre später unter Folgestörungen eines solchen Traumas leiden.
Daher bin ich dankbar, diesen Artikel in Ihrem Heft gefunden zu haben, weil ich denke, dass es wichtig ist, Aufmerksamkeit dieser Thematik gegenüber zu schaffen.
Zweigeschlechtlichkeit?!
30.07.2013, NicoleZunächst möchte ich eine Frage zu Chris S. aufwerfen. Sie schreiben: "Würde man beispielsweise ein fünfjähriges Kind zu seinen Ansichten zur globalen Erwärmung, Krieg oder Menschenrechten befragen, wäre vermutlich keine aussagekräftige Antwort zu erwarten, da das Kind in der Entwicklung seiner individuellen Ansichten und Moralvorstellungen, sprich seiner Identitätsbildung, noch nicht weit genug vorangeschritten ist. Stelle man dem Kind jedoch die Frage, ob es ein Junge oder ein Mädchen sei, so würde man mit ziemlicher Sicherheit eine eindeutige Antwort erhalten."
Sie lassen dabei außer Acht, dass Kinder bereits sozialisiert sind. Hat ein Kind Ihrer Meinung nach eine Vorstellung, dass es nicht nur Junge oder Mädchen gibt? Ich bin der Meinung, dass sich sehr viel trans* Menschen nicht ausreichend beschrieben fühlen mit den lediglich zwei Geschlechtskategorien Frau oder Mann. Unser Alltagswissen ist in dieser Hinsicht so sehr verinnerlicht, dass wir denken, dass es zwei und nur zwei Geschlechter gibt, und Geschlecht mit Geschlechtsidentität, Geschlechtsrolle und sexueller Orientierung gleichsetzt, (in der Wissenschaft wird das Heteronormativität genannt) [1] dass es unbewusst in unser Denken und Handeln einfließt - auch in die Wissenschaft. So werden Studien bereits darauf angelegt, dass 'Frauen' mit 'Männern' verglichen werden. Die neueren Transgender-Bewegungen zielen weniger auf eine körperliche Angleichung, weil sie sich im 'falschen Körper' fühlen, sondern auf eine Aufhebung der zweigeschlechtlichen Ordnung [3]. Demnach ist nicht der Körper die Ursache für ihr Leiden, sondern vielmehr die Gesellschaft, welche starre Vorstellungen von Geschlechtsentwürfen hat.
Kurzer Exkurs, um Heteronormativität zu erklären [1]:
Nach Degele (2008) basiert Heteronormativität vor allem auf zwei alltagsweltlich und auch wissenschaftlich tief verwurzelten Annahmen: Menschsein sei natürlicherweise zweigeschlechtlich organisiert und Heterosexualität die ausschließliche und essenzielle Grundlage. Das Konzept beschreibt ein binäres Geschlechtersystem, das zwei und nur zwei Geschlechter akzeptiert und Geschlecht mit Geschlechtsidentität, Geschlechtsrolle und sexueller Orientierung gleichsetzt. Es gibt Frauen und Männer, und diese beziehen sich in ihrer Sexualität aufeinander (vgl. S. 88). Heteronormativität bezieht sich weiter auf gesellschaftliche Strukturen und Organisationsweisen. Institutionen, Denkstrukturen und Wahrnehmungsmuster stilisieren Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität zur Norm und privilegieren diese zusätzlich. Beispiele dafür sind die Institution Ehe, welche einen besonderen Schutz genießt im Vergleich zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder Konkubinats-Paaren, oder Schulbücher, die ein traditionelles Familienmodell mit entsprechenden Gender-Vorstellungen darstellen. Gesellschaftliche Normalisierungsprozesse, die den Beteiligten nicht unbedingt bewusst sein müssen, führen zur Naturalisierung der Heteronormativität (vgl. ebd., S. 88f.): "Wie sollte – so das Alltagswissen – die Menschheit auch weiter bestehen können, gäbe es keine Heterosexualität? Und genau dies habe die Natur ganz praktisch einfach so eingerichtet." (ebd. S. 89). Heteronormativität dient auch einer Komplexitätsreduktion, indem es berechenbares Verhaltensterrain und damit Erwartungssicherheit schafft. (vgl. ebd., S. 89f.). So ist zum Beispiel klar, dass der Mann der Frau die Tür aufhält. Die Reproduktion der Heteronormativität und damit auch der Zweigeschlechtlichkeit erfolgt auch durch soziales Handeln (Doing Gender).
Studien, die 'Frauen' mit 'Männern' vergleichen, lassen dabei z.B. Studien von Margaret Mead (1958) und Hartmann Tyrell (1986) aussen vor. Denn ihre Studien deuten darauf hin, "dass die Menschen in allen Gesellschaften, gemessen allein an ihrer körperlichen Erscheinungsform, weit eher ein Kontinuum bilden, als in zwei differente Gruppen auseinander zu fallen". Demnach ist nur ein kleiner Teil 'eindeutig weiblich' oder 'eindeutig männlich', und die Mehrheit liegt irgendwo dazwischen (vgl. Mead, 1958 u. Tyrell, 1986, beide zit. in Wetterer, 2010, S. 128). Nach Tyrell (1986) ist die Einteilung der Menschen in zwei Kategorien etwas Künstliches. [2] So würde ich den Eintrag von Simone Seibert ergänzen: Nicht nur Intersexuelle weicht von der 'Norm' ab - so gut wie alle Menschen tun das ;-)
Das Bestreben, auch trans* Menschen eindeutig Frau oder Mann zu 'machen', zielt auf eine Erhaltung dieses kulturellen, binären Geschlechtssystems. So wurden früher Geschlechtsoperationen durchgeführt, um aus schwulen Männern heterosexuelle Frauen zu machen. Um rechtlich einen anderen Geschlechtseintrag zu erlangen, ist in vielen Ländern einen Beweis für operrativ erreichte Unfruchtbarkeit Voraussetzung sowie oft auch eine Vorgabe über Hormoneinnahme. Alles in allem soll möglichst genau ein 'Mann' oder eine 'Frau' entstehen. Für einen ausführlichen historischen Abriss über die 'Geschichte von trans*' mit Schwerpunkt auf medizinische Diskurse und Praxen vgl. [3] Schirmer, 2010, S. 115-129.
Zurück zur anfänglichen Frage. Kann nun ein Kind die Frage nach seinem Geschlecht 'wirklich' beantworten? Vielleicht würde es gern weder Mädchen noch Junge sein - oder beides zugleich - oder mal dieses mal jenes. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass einige Kinder das so beantworten können, und dennoch sind sie von unserer Sozialisation geprägt: nämlich, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Immerhin gibt es die Möglichkeit das Geschlecht zu wechseln - aber auch hier wird vorallem darauf abgezielt, dass die Zweigeschlechtlichkeit aufrechterhalten wird. Die Diagnose von trans* beruht noch stark auf dem Feststellen eines 'Leidens am falschen Körper' sowie auf der Prüfung von Konstanz und Stimmigkeit des 'gegengeschlechtlichen' Geschlechtsempfindens. Eine möglichst weitgehende 'Vereindeutigung' zu einem der zwei möglichen Geschlechter ist immer noch oft das Ziel der Behandlung – dies wird auch im medizinisch-psychologischen Feld inzwischen hinterfragt und vielfach anders praktiziert (vgl. Schirmer, 2010, S. 129). Seit den 1990er Jahren wird im Zuge der Transgender-Bewegung zunehmend eine Problematisierung der zweigeschlechtlichen Ordnung thematisiert. Anstelle vom 'Leiden am falschen Körper' mit daraus resultierendem Operationswunsch tritt heute für viele ein Leiden an gesellschaftlichen Normen, welche nur eine bestimmte Körperlichkeit zum Leben im gewünschten und/oder gefühlten Geschlecht legitimiert. Dabei ist zu betonen, dass gewünschte körperliche Veränderungen sich sehr subjektiv unterscheiden. Für einige reicht etwa eine hormonelle Behandlung, während andere weiterhin eine vollständige Geschlechtsangleichende Operation anstreben – dazwischen gibt es eine breite Palette (vgl. ebd., S. 128f.).
Abschließend möchte ich Sie alle drei einladen, über den Horizont von Zweigeschlechtlichkeit hinauszublicken. 'Leiden am/im falschen Körper' kann auch anders interpretiert werden. Lassen Sie auch andere Lebensentwürfe zu, die jenseits von Frau und Mann sind.
[1] Degele, Nina. (2008). Gender / Queer Studies. Eine Einführung. Paderborn: UTB.
[2] Wetterer, Angelika. (2010). Konstruktion von Geschlecht: Reproduktionsweisen der Zweige-schlechtlichkeit. In Ruth Becker & Beate Kortendiek (Hrsg.), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie (3., erweiterte und durchgesehene Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
[3] Schirmer, Uta. (2010). Geschlecht anders gestalten: Drag Kinging, geschlechtliche Selbst-verhältnisse und Wirklichkeiten. Bielefeld: Transcript.