Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
30.11.2010, Prof. Dr. Sigrun-Heide Filipp (Universität Trier)
Außergewöhnlich gut recherchiert und außergewöhnlich gut geschrieben - und keine Scheu davor gezeigt, jene vermeintlich "Alten" wieder zu entdecken, die wirklich Großes geleistet haben zum Verständnis der menschlichen Psyche und die es keinesfalls verdienen, "vergessen" zu werden. Glückwunsch an Autor und Verlag!
Ich habe mich gewundert, wie umständlich die Erklärungsansätze zum Nutzen der Selbsttäuschung ausfallen. In meinen Augen ist sie schlicht als Schutz vor nicht zu verkraftenden Kosten zu deuten. "Peter" möchte nicht wahrhaben, dass "Petra" ihn hintergeht, weil dieses Eingeständnis zu finanziellen und emotionalen "Kosten" führen würde, die er sich kaum leisten kann: Er lässt sich scheiden, der Hausstand wird aufgeteilt, die Kinder leiden. In zwei Wochen tapeziert er eine unattraktive Zweizimmerwohnung, die er allein finanzieren muss. Er fühlt sich vor Verwandten, Freunden und Bekannten bloßgestellt, was zu einem erheblich erhöhten Energieeinsatz in sozialen Situationen führt. Schließlich muss er mit der Einsicht zu Rande kommen, dass er als Mann nicht nur ersetzbar, sondern wohl nur zweite Wahl ist. Zusammen genommen ergibt das Kosten (im weiteren Sinne), die zu vermeiden sinnvoll ist, solange dies nur möglich ist.
Ich bin Biologin, habe meine Diplomarbeit im Bereich der Neurobiologie gemacht und arbeite aktuell in der Forschung an einem Universitätsklinikum.
Die Argumentationen von Wolf Singer empfinde ich nicht als seriös und wissenschaftlich.
So meint Singer, dass Tiere nicht in der Lage wären, ihren eigenen Tod zu antizipieren. Doch warum leiden Tiere dann unter Todesangst, bevor sie sterben?
Weiterhin rechtfertig er Tierversuche mit der Begründung: "Die speziell für Laborversuche gezüchteten Tiere wachsen in Forschungsinstituten auf - ihnen fehlt die Sozialisierung in einem Rudel oder einer Herde. Wenn solch ein Tier stirbt, gibt es in der Zuchtkolonie keine Trauer." Ich sehe diese Aussage nicht als eine Rechtfertigung für Tierversuche, sondern finde es umso schlimmer, dass den Tieren zusätzlich zu den Versuchen auch noch die Möglichkeit genommen wird, in einem artgerechten Sozialverband zu leben.
Den Vergleich von Tierversuchen mit dem Wegsperren von Triebtätern empfinde ich befremdlich, ich käme niemals auf die Idee ein Versuchstier mit einem Triebtäter zu vergleichen.
Es folgen weitere Vergleiche und Rechtfertigungsversuche. Singer erwähnt trainierte Delfine in Delfinparks, die Haltung von Haushunden und die Haltung von Nutztieren, die seiner Meinung nach von der Gesellschaft eher toleriert werden als Tierversuche. Meiner Meinung nach sind jedoch die Haltung von Delfinen, Haustierhaltung durch ungeeignete Personen und die Haltung von Nutztieren in Form der Massentierhaltung ethisch ebenso unvertretbar und dementsprechend auch keine Rechtfertigung für Tierversuche an Primaten.
Auf die Frage hin, ob die Affen in seinen Versuchen leiden, argumentiert er damit, dass die Tiere die für die Versuche nötige Konzentrationsleistung unter Schmerzen oder Stress nicht erbringen könnten und es ihnen demzufolge gut ginge. Dabei denkt er nicht an die vielen Abstufungen von Schmerzen und Stress, die möglich sind. Erst ab einem hohen Maß an Schmerzen und Stress ist definitiv keine kognitive Leistung mehr möglich.
Die krasseste Aussage von Singer ist seine Antwort auf die Frage, ob denn Erkenntnisse aus Tierversuchen überhaupt auf den Menschen übertragen werden könnten: "Ja, sogar fast eins zu eins." Diese Aussage ist schlichtweg falsch.
Auch Aussagen wie: "Ich habe zumindest noch kein Tier erlebt, dass einem anderen ewige Liebe schwor" oder: "Wie deuten Sie denn den Unterschied zwischen einem Virus und einem denkenden, leidenden, Musik komponierenden Menschen?" - obwohl es hier um Versuche an Primaten geht - zeigen den Mangel an Respekt gegenüber Tieren, den Singer zu Tage legt.
Singer scheint außerdem ein verzerrtes Bild von Tierschützern zu haben, wenn er meint: "Im Augenblick machen es sich Tierversuchsgegner zu leicht: Sie greifen die Grundlagenforschung heraus und verorten dort sämtliche Schwierigkeiten der Tierethik." Eine einseitige Fixierung von Tierschutzorganisationen auf Tierversuche ist mir aber bisher noch nicht aufgefallen.
Wenn er sagt, dass In-vitro-Präparate von Tieren stammen und nur acht Stunden am Leben erhalten werden können, spricht er dabei nur von speziellen Präparaten; das lässt sich jedoch nicht verallgemeinern. Bereits manche Primärkulturen von Tieren können tagelang überleben, und dann gibt es noch die immortalisierten tierischen Zellinien und vor allem auch menschliche Zelllinien, die dauerhaft im Labor verwendet werden können.
Die Aussage: "Außerdem kann ich an Zellkulturen nun mal keine Kognitionsforschung betreiben. Eine Zellkultur hat meines Wissens noch nie über irgendetwas nachgedacht" versteht sich natürlich von selbst - hierfür gibt es jedoch auch tierexperimentelle Methoden wie das Training von Tieren mit Hilfe positiver Verstärkung (Belohnung), die das Tier nicht belasten und mit deren Hilfe dennoch Erkenntnisse z.B. über das visuelle oder auditorische Unterscheidungsvermögen des Tieres gewonnen werden können.
Eines der wichtigsten Argumente von Herrn Rippe ist, dass man kein Grenze zwischen Mensch und (anderem) Tier ziehen könne. Daraus folge ethisch, dass Tierversuche (und in der Konsequenz Tierhaltung im allgemeinen) nicht zulässig seien.
Würde ich diese Argumentation verfolgen, käme ich zu einem 180 Grad anderen Ergebnis. Wir heben uns in keinster Weise von anderen Tieren ab, also müssen wir uns wie andere Tiere in keinster Weise um Ethik kümmern!
Will man denn nach einer Grenze suchen, die uns "abhebt" (ein wertneutralerer Ausdruck wäre vielleicht "abgrenzt"), dann ist es aber gerade diese Fähigkeit, Ethik zu entwickeln.
Apropos abgrenzen: Herr Rippe argumentiert weiterhin, dass diese Abgrenzung nicht möglich sei, da Evolution nur graduell statt findet. Doch spielt das kaum eine Rolle. Denn wer sagt, dass ein Wurm viel weiter (als ethisch relevantes Wesen) von mir entfernt ist als z.B. mein Nachbar, der argumentiert nicht nach Kategorie, sondern nach Distanz. Ob ich die Distanz in kategorischen Schritten zähle (etwas Wurm, Fisch, Reptil, Säugetier, Mensch) oder in einem fließen Kontinuum messe, ändert an der Entfernung letzten Endes nichts.
In der ganzen Debatte um die Tierversuche ermüdet mich schon länger die entweder realitätsferne oder zu oft völlig unreflektierte Argumentation der Gegner. Die einen Argumente sind so praxistauglich wie der ethisch wünschenswerte Versuch, jedem Straftätäter sämtliche denkbaren sozialen Mittel zur Verfügung zu stellen, um zu einem "besseren" Menschen zu werden (das ist aber einfach weder bezahlbar noch personell zu bewältigen). Die anderen Argumente sind nicht relevanter als die Aussage: "Aber die sind doch so süß."
Dabei muss ich grundsätzlich den Gegnern zustimmen. Ich wünschte mir auch, wir kämen ohne Tierversuche aus, und sicher sind bestimmte Tierversuche (z.B. die im Artikel erwähnten Versuche zu der Erzeugung von Schädeltraumata) grundsätzlich zu verachten. Doch zum einen würden wir ohne Versuche heute nicht annähernd den medizinischen Standard genießen, den wir genießen. Zum anderen sind die Zustände in Schlachthöfen, Zuchtbetrieben und Legebatterien nur zu oft um Größenordnungen schlimmer.
Wir müssen den Blick auf das objektiv Wesentliche lenken. Tierversuche beleidigen unsere ethische Eitelkeit, weil die meisten von uns keinen notwendigen Bezug dazu haben. Fleisch und Eier sind lecker, Milch hat zudem ein gesundes Image, und Haustiere schenken uns Geborgenheit. Ich denke, es ist ethisch nicht zulässig, dass die Tierversuche als Sündenbock herhalten müssen.
Es dürfte heutzutage keine große Neuigkeit mehr sein zu erfahren, dass der Mensch von Geburt an zu einem sozialen Wesen veranlagt ist. Neu ist allerdings noch das "Wie", und sicherlich hochinteressant ist die Evidenz dieser Anschauung, die sich zunächst einmal ein wenig nach Spekulation anhört. In der Vorstellungswelt des Darwinismus gilt das Prinzip, dass nur die am besten angepasste Art in der Natur überleben kann. Das brachte die Menschen auf den Gedanken, der Mensch müsse als ein eher schwaches und körperlich unterlegenes Wesen in der Natur ein ganz besonderes Prinzip in seinen Genen mitbekommen haben, dass ihn trotz dieser Schwäche überlebensfähig macht. Als dieses besondere Prinzip machten sie schließlich für sich selbst das Bewusstsein und den Verstand aus, welche als kognitive Entwicklungsleistung hin zur Intelligenz das Überleben sichern würden. Aber am Anfang des individuellen Menschenlebens stehen noch keine bewussten und vom Verstand geprägten Prozesse, sondern nur emotionale und psychosoziale, welche in ihrer Gesamtheit allerdings auch eine Form von Intelligenz ausmachen, nur eine ganz andere.
In diesem geistigen Zusammenhang stehen die experimentellen Untersuchungen der Kognitionswissenschaftler, die die ersten intelligenten Regungen von Menschen schon im Säuglingsalter ausfindig machen wollen. Bereits Sabina Pauen ("Was Babys denken", 2006) hat solche Untersuchungen im großen Umfang an der Universität Heidelberg durchgeführt. Die Ergebnisse sind immer dieselben. Bereits Säuglinge erkennen einfache Kausalzusammenhänge und führen kleine, geistige Operationen durch, bei welchen sie das Grundprinzip der Antizipation anwenden. Der Säugling kann also ein kleines Stück voraussehen, was kommen wird oder was kommen müsste. Was er aber meines Erachtens nicht kann, ist diese logische und erkenntnisreiche Verknüpfung mit sozialen Empfindungen in Verbindung zu bringen. Denn das soziale Element ist ein innerer Prozess, der zunächst nur mit den real existieren Bezugspersonen in Verbindung vollzogen werden kann.
So kann man das Bauklötzchen-Experiment, das seine soziale Wendung allein durch das Aufmalen von Gesichtern erhalten hat, auch so interpretieren, dass der Säugling das helfende Klötzchen deswegen länger betrachtet, weil dieses das bedrängte Klötzchen schneller zu seinem Ziel bringt. Und dieses Ziel ist in diesem Fall das Oben, weil der Säugling die Zielrichtung des bemühten Klötzchens schon einschätzen kann. Ein moralischer Aspekt dürfte dem Säugling aber noch völlig fremd sein. Er kennt noch kein Empathieempfinden mit dem anderen Wesen, ein Empfinden, das die Not des Anderen als bewusstes Identifikationserlebnis mit dem eigenen Selbst voraussetzt. Diese Empathie, und das lehrt die entwicklungspsychologische Empirie, entwickelt sich erst im 3. Lebensjahr (Doris Bischof-Köhler, 1994).
Aber ein anderes Ergebnis erscheint bei diesen Experimenten noch wichtiger zu sein, und das zeigt das zuletzt besprochene Experiment der Psychologin Susan Johnson: Der Säugling verinnerlicht zuwendungsaktives und verständnisvolles Verhalten seiner Bezugsperson als Repräsentation in seinem Gehirn und projiziert seine diesbezüglichen Erfahrungen entweder in positiver oder negativer Weise auf die Scheinpersonen in der Versuchsanordnung. Das bedeutet, sichere oder unsichere Gebundenheit ist eine am Ende des ersten Lebensjahres fixierte Sozialerfahrung, die in den eigenen Erwartungen seiner Bezugsperson gegenüber Niederschlag findet. Das wäre ein guter Beleg für das, was als emotionale Integration zu bezeichnen ist. Und an diesem Punkt wäre mit der Überlegung anzuknüpfen, wie sich der Mensch grundsätzlich zu einem sozialen Wesen ausbildet. Ganz am Anfang stehen eben die Emotionen und nicht die Kognition.
Der Rezension von Markus Elsner, der die deutsche Ausgabe von Richard Dawkins' "Extended Phenotype" besprochen hat, kann man weit gehend zustimmen. Widerspruch lege ich dagegen ein, dass "die detailreichen Schilderungen ... für Laien nur von bedingtem Interesse sind". Im Gegenteil, diese gehören gerade zu den Stilelementen, die Dawkins' Bücher auszeichnen.
Dawkins selbst empfiehlt nicht ohne Grund in seinen Anmerkungen zur "zweiten Auflage seines ersten Buches", dass der Leser besser zum "Extended Phenotype" greifen möge, denn die Zusammenfassung ist doch arg knapp geraten.
Mir als Laien hat "Der erweiterte Phänotyp" gefallen und mein Verständnis für Zusammenhänge in der Evolutionsbiologie erweitert.
Herzlichen Dank für den überaus gut recherchierten Artikel. Allen Lesern, die an Angst- u. Panikstörungen leiden, möchte ich als ergänzende Lektüre das Buch "Das Angst-Schema" empfehlen. Es erschien gerade in einer Neuauflage. Das "Angst-Schema" ist mit Abstand das beste Buch zu diesem Thema, das ich bisher gefunden und gelesen habe. Der Autor zeichnet sich auch bei der Beschreibung von medizinischen Hintergründen durch klare und leicht verständliche Formulierungen aus. Die Hilfestellungen und Anregungen in diesem Buch sind realistisch und lebensnah. Der Autor appelliert an den gesunden Menschenverstand, formuliert sehr gezielt und offen, verschönigt nichts und vermeidet überflüssige und zu tief greifende - wie in anderen Ratgebern - Psychologisierungen. Für alle geeignet, die echte Hilfe zur Selbsthilfe suchen und denen es mehr auf tatsächliche Besserung des Befindens als auf tief greifende Hintergrunderklärungen für die Beschwerden ankommt. Das Angst-Schema Autor: Bernd Pelzer ISBN9783842334526
Hier schreibt eine Lehrerin aus der Regelschule, die mit viel Engagement und Wissen (seit 1996 auch in der Lehrerfortbildung tätig) um ein gehirngerechtes Lernen bemüht. Ich stoße sicherlich dabei auch immer wieder auf Grenzen, weil einerseits Lehrpläne und drei zentrale Prüfungen das Gymnasium unter großen Druck setzen und andererseits die Kooperation der Lehrer nicht im erwünschten Maß möglich ist. Die Artikel in Ihrem Heft haben mir viele Anregungen gegeben, und ich bin von der Kompetenz der Autoren sehr beeindruckt. Aus meiner Perspektive fehlte bei den Hinweisen auf viele kluge Pädagogen aus der Vergangenheit ein ausführlicher Hinweis auf das Werk von Norman Green, der mit seinen Anleitungen zum kooperativen Lernen viele Lehrerinnen und Lehrer auf den Weg gebracht hat und durch seine Vorgehensweise sehr viele Chancen eröffnet hat, dem gehirngerechten Lernen mehr Raum auch in der Regelschule einzuräumen.
eure Informationen über den Tiefenrausch sind wirklich interessant. Ich war heute morgen im Bus so in den Artikel versunken, dass ich sogar meine Haltestelle verpasst habe. Momentan wird Tauchen als lustiger und gefahrloser Feriensport gepriesen, die meisten Menschen wissen gar nichts von den möglichen Gefahren. Als Modesport scheint es außerdem ein Statussymbol zu sein, so tief und lang wie möglich getaucht zu sein.
Daher fand ich es sehr wichtig, etwas über die neuronalen Hintergründe der Stickstoffnarkose zu erfahren. Wenn man sich klar macht, dass Fehler beim Auftauchen sogar Herzinfarkt oder Schlaganfall nach sich ziehen können, wird man sich besser überlegen, ob man den Ausflug in die Tiefe wirklich braucht.
Wolf Singer macht eine Sonderstellung des Menschen an Merkmalen wie Kultur, Trauer oder Treue fest. Darauf beruht seine Begründung, der Mensch sei den Tieren überlegen, sein Leben habe einen besonderen Wert. Beleuchtet man die genannten Merkmale etwas genauer, stellt man aber schnell fest, dass es hier Unschärfen gibt, die eine moralische Abgrenzung des Menschen - nicht nur dem Affen, sondern auch anderen Tieren gegenüber - unmöglich machen. Hierzu einige Denkanstöße:
Eine Gruppe japanischer Makaken zeigte, dass sie über eine "Kultur" verfügt, als die Tiere anfingen, ihre Nahrung zu waschen. Ein Makake führte dieses Ritual in die Gruppe ein, und der Rest nahm die Neuerung an. Schlussendlich wurde das Waschen in dieser speziellen Gruppe zur kulturellen Norm. Ein solches Verhalten kann nicht mehr lediglich Instinkten zugeschrieben werden. Diese Gruppe hat bewiesen, dass Affen einzigartige individuelle und gruppenspezifische Identitäten besitzen und dass sie genau wie Menschen ihr Wissen erlernen, improvisieren und weitergeben.
Trauer und Abschiedsrituale können bei verschiedensten Tieren von Elefanten über Schimpansen bis hin zum Wellensittich und Haushund beobachtet werden. Nicht nur, dass viele Tiere schlechter fressen, unruhiger schlafen und nach dem verstorbenen Partner suchen; Elefantenherden verharren sogar nach Jahren noch an Orten, wo Herdenmitglieder verstorben sind. Nimmt man Tieren wie Hunden oder Affen mit Gewalt die Möglichkeit, ihre angeborenes Sozialverhalten auszuleben, indem man sie isoliert und ihre Psyche bricht, ist dies schlimm genug. Dann aber zu behaupten, die Tiere im Labor hätten ja gar kein Rudel und damit nicht die entsprechenden Bedürfnisse, ist schlichtweg respektlos und zeugt von der Verachtung vieler Forscher den Tieren gegenüber. Im Übrigen gibt es immer wieder Recherchen, sowie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift GEO, die vermuten lassen, viele Affen in westlichen Laboren könnten nach wie vor Wildfänge aus südostasiatischen Regenwäldern sein. Diese Tiere wurden also intakten und großen Familienverbänden entrissen und sind schwer traumatisiert.
Auch Treue ist ein Phänomen, das nicht dem Menschen vorbehalten ist. Vom Albatros über den Fuchs bis hin zu Seepferdchen können lebenslange, monogame Bindungen im gesamten Tierreich beobachtet werden. Es ließen sich endlos weitere Beispiele finden. Zwar bauen Bonobos keine Kathedralen, aber können Menschen über Kilometer von Baum zu Baum springen? Es wird Zeit, dass wir endlich akzeptieren, nicht "die Krone der Schöpfung", sondern eine faszinierende Art unter vielen zu sein!
Dass Affen, wie andere Tiere auch, Schmerzen, Panik, Angst und Freude empfinden können, ist unbestritten. Allein deshalb sind Versuche an Affen ebenso wenig zu rechtfertigen wie Tierversuche im Grundsätzlichen.
Ein Versuch, in dem sich Menschen freiwillig den Kopf fixieren ließen, musste nach 20 Minuten abgebrochen werden, weil diese die Situation als unerträglich empfanden. Im Gegensatz zu den Testpersonen werden die Affen jedoch gezwungen, diese Tortur stundenlang zu ertragen.
Die Hirnversuche sind für die Affen nicht nur qualvoll, sondern auch für die Entwicklung von Therapien für Erkrankungen des Menschen irrelevant. Bildgebende Verfahren oder die Forschung an menschlichen Zellen aus medizinisch notwendigen Operationen liefern dagegen wertvolle Erkenntnisse über das Menschenhirn. Grund für das Scheitern der tierexperimentellen Hirnforschung sind u.a. die Unterschiede zwischen Mensch und nicht-menschlichen Primaten. So hat das Affenhirn keine Bereiche für Sprache, Lesen oder Musik, und das Menschenhirn hat zur Verarbeitung von visuellen Reizen Hirnbereiche, die im Affenhirn fehlen. Die Schädigung eines Bereichs des motorischen Systems verursacht beim Menschen einen Ausfall von Sprache und Muskelbewegungen, beim Affen kommt es nur zu einer geringen Beeinträchtigung.
Studien belegen immer wieder die Untauglichkeit des Tierversuchs, wenn es um die Übertragung der Ergebnisse vom Tier auf den Menschen geht. Um für den Menschen relevante medizinische Erkenntnisse zu erlangen, ist eine rein tierversuchsfreie, auf die wirkliche Situation des Menschen bezogene Forschung notwendig.
wie immer ein sehr gelungener und unterhaltsamer Artikel. Ich bin ja auch für den Forschergeist und habe insbesondere als Kind alles auseinandergenommen oder zusammengerührt und untersucht, was es so gab. Ich hatte sogar ein Mikroskop, unter dem ich mir alles angesehen habe. Sehr interessant, die Welt der "Kleinen".
Aber das Reinstechen in unbekannte Dinge - auch wenn es der eigene Körper ist ... oder vielmehr gerade wenn es der ist - ist nicht immer ratsam. (Verwunderlich, dass dies dem Menschen so zu eigen scheint ... überall drin herumstochern und so.)
Ich hoffe, es geht Ihrem Finger besser!
Mit freundlichen Grüßen aus dem schönen Bremen Isabel G. Diplom-Kauffrau
PS: Ich, übrigens, mag kein Pickeausquetschen - trotz Frausein ... wahrscheinlich einer Mutation oder so was zur Folge.
Der Streit um die Empfindsamkeit von Tieren ist wohl so alt wie die Tierversuche selbst. Dabei ist das Argument, dass wir letztlich nie wirklich wissen werden, wie Tiere fühlen, sicher stichhaltig. Aber: Wie sicher können wir uns sein, dass ein Mensch, der von Schmerzen berichtet, sie genauso empfindet wie wir? Ein Restzweifel bleibt streng genommen immer.
Was also bleibt, wenn ein Restzweifel nicht ausgeschlossen werden kann? Man setzt auf Wahrscheinlichkeiten und auf Plausibilitäten. Wie plausibel ist es, dass Tiere empfinden können? Andersherum gefragt: Wie plausibel ist es, dass nur Menschen empfinden können? Ist es wahrscheinlich, dass irgendwann vor, sagen wir, 1,5 Millionen Jahren ein Gen mutierte und *plopp* die Empfindsamkeit geboren war? Ich denke nicht.
Ist es auf der anderen Seite plausibel, dass Empfindsamkeit sogar ein sehr altes Relikt aus der Evolution ist? Ich denke ja, denn: Etwas plakativ formuliert geht es bei der Evolution um das Fortpflanzen und das Überleben des Individuums bis zu diesem Zeitpunkt (und darüber hinaus: weitere Fortpflanzungen generell nicht ausgeschlossen). Dazu sucht das Individuum "gute" Dinge auf und meidet "schlechte". Biologisch scheint es mir sinnvoll, wenn selbst einfachste Lebewesen im ersten Fall durch ein positives Empfinden belohnt, und im zweiten Fall durch ein negatives Empfinden angespornt werden.
Aus dieser ganz einfachen Betrachtung scheint mir der Schluss, im Zweifelsfall die Empfindungsfähigkeit von Tieren anzunehmen, als näher liegend. Ergänzt man dann noch all die anderen Indizien (schreiende Tiere, wenn ihnen Dinge zugefügt werden, die mir Schmerz bereiten würden; sich genüsslich streckende und schnurrende Katzen, die gekrault werden; auf eine Art sich von einer Gefahr fortbewegende Tiere, die ich als panische Flucht bezeichnen würde ...) scheint mir - bis das Gegenteil bewiesen wurde - die Annahme, Tiere seinen nicht empfindungsfähig, schlicht nicht haltbar.
Eine ganz andere Frage ist natürlich die Qualität der Empfindung. Ich würde das Freude-Empfinden einer Maus nicht mit meinem Freude-Empfinden gleichsetzen wollen. Diese Qualität spielt aber auch kaum eine Rolle, da sie sich ebenfalls nicht messen lässt. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass man menschliche oder gar persönliche Qualitäten nicht einfach auf andere Wesen übertragen darf. Mein Leben lang auf 50 Quadratmetern eingesperrt zu sein, wäre mir ein Graus. Wie viele Hauskatzen kommen - ihrem wohligen Schnurren und entspannten Verhalten nach zu urteilen - damit aber sehr gut zurecht? Hier, denke ich, liegt auch das größte Problem bei den Tierversuchen. Über einen Kopf-/Hirnbolzen an einen Stuhl fixiert zu sein, kommt mir sehr grausam vor. Das liegt aber vielleicht vor allem daran, dass ich ein ausgeprägtes Eigenverständnis habe und den Kopf resp. das Gehirn auch noch als Träger dieses Verständnisses empfinde. Eine Fixierung eines anderen Körperteils kommt mir bei Weitem nicht so fürchterlich vor. Hat der Affe nun dieses Selbstbewusstsein? Sagen wir einfach mal ja, selbst wenn es vielleicht weniger stark ausgeprägt ist. Bleibt dann immer noch die Frage, ob er seinen Kopf und sein Gehirn als ebenso sensibel wahrnimmt wie ich. Da wäre ich mir schon nicht mehr so sicher - das würde ich nicht mal von allen Menschen behaupten. So weit ich weiß, haben die alten Griechen das Herz als Träger der Persönlichkeit, des "Ichs", angesehen. Ich würde annehmen, dass sie den Bolzeneingriff dann deutlich weniger kritisch empfinden würden. Und so kann ich mir sehr gut vorstellen, dass der Affe den durch einen Bolzen fixierten Kopf als genauso (viel oder wenig) lästig empfindet wie einen eingegipsten Arm.
Die einzige qualitative Bewertung von Freude und Leid ist demnach die zwischen objektiv und subjektiv. Schmerzen sind sicher ein objektives Leid, da sie bei (fast?) allen Tieren entsprechende körperliche Reaktionen auslösen. Daher können wir als Handlungsprämisse angeben, Schmerzen müssen wir so gut es geht verhindern.
Die Auswirkungen eines chirurgischen Eingriffs (also nicht die infolge des Eingriffs entstehenden Schmerzen) ist hingegen grundsätzlich ein subjektives Leid. Folgen keine Reaktionen, die auf ein Leid schließen lassen, ist die Annahme zulässig, dass das Tier dadurch auch kein Leid empfindet.
Es steht natürlich außer Zweifel, dass jeder chirurgische Eingriff ein Risiko ist. Hier müssen wir aber wieder sauber abgrenzen: Das Risiko selbst ist ebenfalls nur subjektives Leid (kennt man das Risiko nicht, leidet man nicht darunter). Die objektive Gefahr, dass das Tier den Eingriff nicht überlebt, ist hingegen nicht Objekt des Tierschutzes. (Die Gefahr, dass ein Rind den Schlachthof nicht überlebt, ist sehr groß - darum geht es aber nicht, sondern darum wie das Rind geschlachtet wird.)
Es bleibt bei der Debatte um Tierversuche also weniger zu klären, ob Tiere empfindsam sind, sondern was sie subjektiv als Leid empfinden. Sicherlich ist die Antwort nicht leicht zu finden. Vorschnelle, von Selbstempfinden geprägte Bewertungen haben in dieser Debatte aber nichts zu suchen. Weder dass ein Bolzen im Kopf auf jeden Fall großes Leid bedeutet, noch dass Tierempfinden sowieso ein Empfinden zweiter Klasse sei.
18.10.2010, Prof. Dr. Volker Tschuschke, Universitätsklinikum Köln
Die Entgegnung von den Kolleginnen Hermelink und Heußner ist inhaltlich naiv und verkennt die Komplexität, die ich im kritisierten Artikel angedeutet habe. Es ist in der modernen wissenschaftlichen psychoonkologischen Erkenntnis nicht mehr bezweifelbar, dass der größte Teil der Krebserkrankungen psychosozial bedingt ist! Das kann man auf den Websites der Deutschen Krebsgesellschaft bzw. des Krebsinformationsdienstes nachlesen. Fehlerhafte Ernährung und mangelnde körperliche Bewegung decken allein mehr als 60 Prozent aller Risiken für eine Krebserkrankung ab!
Die zunehmende Diskussion um Inhalte, Arbeitsformen und Reformen im heutigen Schulbetrieb haben mich motiviert, auf prismatische Arbeitsmethoden zurückzugreifen, mit denen ich bereits vor 30 Jahren in Schulen sowie in der Lehrerfortbildung experimentieren konnte.
Den Begriff Prisma fanden wir in einem Vergleich zum Sonnenlicht, das die Vielfalt seiner Farben prismatisch entfaltet. In prismatischen Gesprächen gelingt es, die Identitätsvielfalt der Gesprächspartner zu erweitern und damit lähmende Konfliktfixierungen aufzulösen. Auf diesem Wege lassen sich Kommunikationsblockaden mit emotionsfreien Gefühlen öffnen.
Die vielfach dokumentierte Überlastung des Lehrpersonals und die zunehmende Burn-out-Symptomatik sowie die dadurch bedingte vergleichsweise frühe Pensionierung konnte ich in meinen Therapien mit besonders engagierten Lehrern und Lehrerinnen registrieren. Ich möchte einleitend als Kurzbeispiel eine Kommunikationsform für den Unterricht vorstellen, mit der es gelang, störende und belastende Spannungen im Unterricht aufzulösen:
Ein Schüler, 15-jährig, eine nicht nur in der Klasse dominante Alpha-Figur, suchte immer wieder mit ausgeprägten Störungen eine Lehrerin unter Druck zu setzen. In einer Literatur-Stunde wirft er bei der Besprechung eines Textes von Nietzsche eine Cola-Flasche durch den Raum. Die Lehrerin, die bislang von diesen Attacken sehr genervt war, sucht an Hand meines Supervisionsvorschlags zu dem Schüler eine veränderte Einstellung. Sie wendet sich ihm erwartungsvoll zu und sucht mit ihm und der ganzen Klasse die lärmende Wurfunterbrechung als eine bisher nicht angesprochene erweiternde Dimension des Nietzsche-Textes zu verstehen. Diese Intervention wird von dem Schüler und der ganzen Klasse als humorvolle und entlastende Unterbrechung und Akzeptanz verstanden. Die Lehrerin fand hierüber ihre Kompetenz zurück.
In einer anderen Stunde zeigte ein Schüler auffallendes Desinteresse bei der Lesung eines Textes von Heinrich Heine. Er schaute dabei demonstrativ aus dem Fenster. Er schilderte, als er zuwendungsoffen befragt wurde, wo er jetzt sei, dass er mit dem vorgetragenen Zeug nichts anfangen könne. Er habe sich gedanklich mit dem heutigen Fußballspiel beschäftigt. Auch hier gelingt es, mit Hilfe der prismatischen Gesprächmethode die Probleme des Fußballspiels als anreichernde Variante zum vorgetragenen Text zu erleben, Heine in seiner aufmüpfigen Rolle zu diskutieren und damit die sinnliche Resonanz in der Klasse zum Hinhören und Hineinfühlen von Texten zu erhöhen.
Diese prismatisch orientierte Unterrichtsmethode ermöglicht es Schülern, ihre jeweilige Befindlichkeit im Unterricht zu äußern, ohne dass gewohnte Korrekturen oder emotional bedingte Blockaden den Verlauf des Unterrichts und die kreativen Möglichkeiten der Schüler beeinträchtigen. Die sinnlich-metaphorische Gesprächsform wurde in den letzten 30 Jahren in der Psychiatrie entwickelt. Sinnlich-metaphorische Gesprächsformen haben sich bewährt bei der Lösung emotional bedingter Kommunikationsblockaden, vor allem in Betreuungs- und Behandlungsfeldern von sterbenden und krebskranken Patienten, von psychisch Kranken und von Gewalttraumatisierten. Ausgangspunkt dieser Orientierung war die emotionale Überlastung von Betreuern, Helfern und Therapeuten. In einer Berufsfachschule in Hannover wurde diese Arbeitsmethode bereits Ende der 1970er Jahre erprobt. Hier ließen sich Gruppenspannungen erfolgreich reduzieren, sinnlich-resonante Kommunikationsprozesse im Rahmen prismatischer Phantasiearbeit entfalten und damit entlastende Neuorientierungen für den Unterricht gewinnen.
Emotionsfreie Gefühle sind Ausdruck körperlich-seelischer Gestimmtheit und Befindlichkeit. Sie sind primär konfliktfrei. Diese emotionsfreien Gefühle und öffnen sich für ganzheitliches Erleben, für eine kulturell-ästhetische Ausdruckssuche. Gewalt, emotionale Spannungen und Lernhemmungen auf dem Boden einengender Wiederholungsrituale sowie Rollen- und Cliquen-Fixierungen lassen sich hiermit transformieren. Sie öffnen dem Schüler potenzielle Freiräume und damit individuelle Entfaltungsmöglichkeiten. Sie geben ihm Einsichten in die Durchlässigkeit von Inhalten und Theorien, von Personen- und Rollen-Mustern. Er versteht sein Erleben in einem größeren gesellschaftlich-kulturellem Kontext und lernt seine Beziehungs- und Rollen gebundene Individualität mit sinnlich-metaphorischen Erlebens- und Gestaltungsqualitäten anzureichern.
Dem Lehrer öffnen sich in diesen sinnlich-metaphorischen Lernprozessen pädagogische Freiräume, in denen er nicht länger Subjekt und Objekt infantiler Beziehungswünsche spielen muss. Er gewinnt damit die Chance, längerfristig kreativ, offen, arbeitsfreudig und gesund zu bleiben. Damit wird er durchlässig und vermittelndes Medium für Lerninhalte und Lernprozesse in einem vielfarbigen, soziokulturellen Kontext. Er eröffnet damit den Schülern Entfaltungsmöglichkeiten für ihre individuelle Entwicklung. Außerdem kann er ihnen sinnlich erlebbares Demokratieverständnis vermitteln und Cliquen bezogene Ausgrenzungsrituale und damit auch Fremdenfeindlichkeit verringern helfen. Aggressive Äußerungen und Attacken lassen sich auf diesem Weg entlastend aufarbeiten.
Aus linguistischer Sicht lassen sich sinnlich-metaphorische Unterrichtselemente verstehen als eine Erweiterung des semantischen Raumes, als Relativierung vorherrschender rationaler Vorstellungen durch Einführung disparater, ambivalenter, insgesamt differenter Sach- und Weltbeschreibungsmetaphern. Vergleichbar psychotherapeutischen Prozessen, in denen blockierte Emotionalität und Kreativität durch die Vervollständigung "verstümmelter Texte", durch die Erweiterung des semantischen Raumes frei werden, können differente sinnlich-metaphorische Elemente im Unterricht Gefühls- und Lernblockaden beseitigen, vor allem dann, wenn der Lehrer beispielgebend sich mit seiner eigenen Persönlichkeit einbringt. Die bildsprachlichen Äußerungen der einzelnen Schüler sind hier schöpferisch bewegende Kräfte. Sie erlauben ein Sichbewegen zwischen verschiedenen Kontexten. Sie machen Brüche und Widersprüchliches sichtbar. Im Vergleich zur Nano-Physik bedarf es jedoch auch für die prismatische Psychologie eine längere Erprobung in den vielfältigen Anwendungsbereichen.
Außergewöhnlich gut
30.11.2010, Prof. Dr. Sigrun-Heide Filipp (Universität Trier)Selbsttäuschung
29.11.2010, Jörn Severidt, Rovanieme (Finnland)Unwissenschaftliche Argumente für Affenversuche
27.11.2010, Johanna BornkesselDie Argumentationen von Wolf Singer empfinde ich nicht als seriös und wissenschaftlich.
So meint Singer, dass Tiere nicht in der Lage wären, ihren eigenen Tod zu antizipieren. Doch warum leiden Tiere dann unter Todesangst, bevor sie sterben?
Weiterhin rechtfertig er Tierversuche mit der Begründung: "Die speziell für Laborversuche gezüchteten Tiere wachsen in Forschungsinstituten auf - ihnen fehlt die Sozialisierung in einem Rudel oder einer Herde. Wenn solch ein Tier stirbt, gibt es in der Zuchtkolonie keine Trauer." Ich sehe diese Aussage nicht als eine Rechtfertigung für Tierversuche, sondern finde es umso schlimmer, dass den Tieren zusätzlich zu den Versuchen auch noch die Möglichkeit genommen wird, in einem artgerechten Sozialverband zu leben.
Den Vergleich von Tierversuchen mit dem Wegsperren von Triebtätern empfinde ich befremdlich, ich käme niemals auf die Idee ein Versuchstier mit einem Triebtäter zu vergleichen.
Es folgen weitere Vergleiche und Rechtfertigungsversuche. Singer erwähnt trainierte Delfine in Delfinparks, die Haltung von Haushunden und die Haltung von Nutztieren, die seiner Meinung nach von der Gesellschaft eher toleriert werden als Tierversuche. Meiner Meinung nach sind jedoch die Haltung von Delfinen, Haustierhaltung durch ungeeignete Personen und die Haltung von Nutztieren in Form der Massentierhaltung ethisch ebenso unvertretbar und dementsprechend auch keine Rechtfertigung für Tierversuche an Primaten.
Auf die Frage hin, ob die Affen in seinen Versuchen leiden, argumentiert er damit, dass die Tiere die für die Versuche nötige Konzentrationsleistung unter Schmerzen oder Stress nicht erbringen könnten und es ihnen demzufolge gut ginge. Dabei denkt er nicht an die vielen Abstufungen von Schmerzen und Stress, die möglich sind. Erst ab einem hohen Maß an Schmerzen und Stress ist definitiv keine kognitive Leistung mehr möglich.
Die krasseste Aussage von Singer ist seine Antwort auf die Frage, ob denn Erkenntnisse aus Tierversuchen überhaupt auf den Menschen übertragen werden könnten: "Ja, sogar fast eins zu eins." Diese Aussage ist schlichtweg falsch.
Auch Aussagen wie: "Ich habe zumindest noch kein Tier erlebt, dass einem anderen ewige Liebe schwor" oder: "Wie deuten Sie denn den Unterschied zwischen einem Virus und einem denkenden, leidenden, Musik komponierenden Menschen?" - obwohl es hier um Versuche an Primaten geht - zeigen den Mangel an Respekt gegenüber Tieren, den Singer zu Tage legt.
Singer scheint außerdem ein verzerrtes Bild von Tierschützern zu haben, wenn er meint: "Im Augenblick machen es sich Tierversuchsgegner zu leicht: Sie greifen die Grundlagenforschung heraus und verorten dort sämtliche Schwierigkeiten der Tierethik." Eine einseitige Fixierung von Tierschutzorganisationen auf Tierversuche ist mir aber bisher noch nicht aufgefallen.
Wenn er sagt, dass In-vitro-Präparate von Tieren stammen und nur acht Stunden am Leben erhalten werden können, spricht er dabei nur von speziellen Präparaten; das lässt sich jedoch nicht verallgemeinern. Bereits manche Primärkulturen von Tieren können tagelang überleben, und dann gibt es noch die immortalisierten tierischen Zellinien und vor allem auch menschliche Zelllinien, die dauerhaft im Labor verwendet werden können.
Die Aussage: "Außerdem kann ich an Zellkulturen nun mal keine Kognitionsforschung betreiben. Eine Zellkultur hat meines Wissens noch nie über irgendetwas nachgedacht" versteht sich natürlich von selbst - hierfür gibt es jedoch auch tierexperimentelle Methoden wie das Training von Tieren mit Hilfe positiver Verstärkung (Belohnung), die das Tier nicht belasten und mit deren Hilfe dennoch Erkenntnisse z.B. über das visuelle oder auditorische Unterscheidungsvermögen des Tieres gewonnen werden können.
Den Spieß umgedreht
25.11.2010, Detlef Schroedter, HamburgWürde ich diese Argumentation verfolgen, käme ich zu einem 180 Grad anderen Ergebnis. Wir heben uns in keinster Weise von anderen Tieren ab, also müssen wir uns wie andere Tiere in keinster Weise um Ethik kümmern!
Will man denn nach einer Grenze suchen, die uns "abhebt" (ein wertneutralerer Ausdruck wäre vielleicht "abgrenzt"), dann ist es aber gerade diese Fähigkeit, Ethik zu entwickeln.
Apropos abgrenzen: Herr Rippe argumentiert weiterhin, dass diese Abgrenzung nicht möglich sei, da Evolution nur graduell statt findet. Doch spielt das kaum eine Rolle. Denn wer sagt, dass ein Wurm viel weiter (als ethisch relevantes Wesen) von mir entfernt ist als z.B. mein Nachbar, der argumentiert nicht nach Kategorie, sondern nach Distanz. Ob ich die Distanz in kategorischen Schritten zähle (etwas Wurm, Fisch, Reptil, Säugetier, Mensch) oder in einem fließen Kontinuum messe, ändert an der Entfernung letzten Endes nichts.
In der ganzen Debatte um die Tierversuche ermüdet mich schon länger die entweder realitätsferne oder zu oft völlig unreflektierte Argumentation der Gegner. Die einen Argumente sind so praxistauglich wie der ethisch wünschenswerte Versuch, jedem Straftätäter sämtliche denkbaren sozialen Mittel zur Verfügung zu stellen, um zu einem "besseren" Menschen zu werden (das ist aber einfach weder bezahlbar noch personell zu bewältigen). Die anderen Argumente sind nicht relevanter als die Aussage: "Aber die sind doch so süß."
Dabei muss ich grundsätzlich den Gegnern zustimmen. Ich wünschte mir auch, wir kämen ohne Tierversuche aus, und sicher sind bestimmte Tierversuche (z.B. die im Artikel erwähnten Versuche zu der Erzeugung von Schädeltraumata) grundsätzlich zu verachten. Doch zum einen würden wir ohne Versuche heute nicht annähernd den medizinischen Standard genießen, den wir genießen. Zum anderen sind die Zustände in Schlachthöfen, Zuchtbetrieben und Legebatterien nur zu oft um Größenordnungen schlimmer.
Wir müssen den Blick auf das objektiv Wesentliche lenken. Tierversuche beleidigen unsere ethische Eitelkeit, weil die meisten von uns keinen notwendigen Bezug dazu haben. Fleisch und Eier sind lecker, Milch hat zudem ein gesundes Image, und Haustiere schenken uns Geborgenheit. Ich denke, es ist ethisch nicht zulässig, dass die Tierversuche als Sündenbock herhalten müssen.
Ein soziales Wesen
25.11.2010, Rüdiger Posth, Bergisch GladbachIn diesem geistigen Zusammenhang stehen die experimentellen Untersuchungen der Kognitionswissenschaftler, die die ersten intelligenten Regungen von Menschen schon im Säuglingsalter ausfindig machen wollen. Bereits Sabina Pauen ("Was Babys denken", 2006) hat solche Untersuchungen im großen Umfang an der Universität Heidelberg durchgeführt. Die Ergebnisse sind immer dieselben. Bereits Säuglinge erkennen einfache Kausalzusammenhänge und führen kleine, geistige Operationen durch, bei welchen sie das Grundprinzip der Antizipation anwenden. Der Säugling kann also ein kleines Stück voraussehen, was kommen wird oder was kommen müsste. Was er aber meines Erachtens nicht kann, ist diese logische und erkenntnisreiche Verknüpfung mit sozialen Empfindungen in Verbindung zu bringen. Denn das soziale Element ist ein innerer Prozess, der zunächst nur mit den real existieren Bezugspersonen in Verbindung vollzogen werden kann.
So kann man das Bauklötzchen-Experiment, das seine soziale Wendung allein durch das Aufmalen von Gesichtern erhalten hat, auch so interpretieren, dass der Säugling das helfende Klötzchen deswegen länger betrachtet, weil dieses das bedrängte Klötzchen schneller zu seinem Ziel bringt. Und dieses Ziel ist in diesem Fall das Oben, weil der Säugling die Zielrichtung des bemühten Klötzchens schon einschätzen kann. Ein moralischer Aspekt dürfte dem Säugling aber noch völlig fremd sein. Er kennt noch kein Empathieempfinden mit dem anderen Wesen, ein Empfinden, das die Not des Anderen als bewusstes Identifikationserlebnis mit dem eigenen Selbst voraussetzt. Diese Empathie, und das lehrt die entwicklungspsychologische Empirie, entwickelt sich erst im 3. Lebensjahr (Doris Bischof-Köhler, 1994).
Aber ein anderes Ergebnis erscheint bei diesen Experimenten noch wichtiger zu sein, und das zeigt das zuletzt besprochene Experiment der Psychologin Susan Johnson: Der Säugling verinnerlicht zuwendungsaktives und verständnisvolles Verhalten seiner Bezugsperson als Repräsentation in seinem Gehirn und projiziert seine diesbezüglichen Erfahrungen entweder in positiver oder negativer Weise auf die Scheinpersonen in der Versuchsanordnung. Das bedeutet, sichere oder unsichere Gebundenheit ist eine am Ende des ersten Lebensjahres fixierte Sozialerfahrung, die in den eigenen Erwartungen seiner Bezugsperson gegenüber Niederschlag findet. Das wäre ein guter Beleg für das, was als emotionale Integration zu bezeichnen ist. Und an diesem Punkt wäre mit der Überlegung anzuknüpfen, wie sich der Mensch grundsätzlich zu einem sozialen Wesen ausbildet. Ganz am Anfang stehen eben die Emotionen und nicht die Kognition.
Auch für Laien
23.11.2010, Wolfgang MayerDawkins selbst empfiehlt nicht ohne Grund in seinen Anmerkungen zur "zweiten Auflage seines ersten Buches", dass der Leser besser zum "Extended Phenotype" greifen möge, denn die Zusammenfassung ist doch arg knapp geraten.
Mir als Laien hat "Der erweiterte Phänotyp" gefallen und mein Verständnis für Zusammenhänge in der Evolutionsbiologie erweitert.
Das Angst-Schema
19.11.2010, Willi StutzDas Angst-Schema
Autor: Bernd Pelzer
ISBN9783842334526
Gehirngerechtes Lernen
17.11.2010, Gitta Arning, 40625 DüsseldorfGefahr wird unterschätzt
17.11.2010, Gabi Warnke, Heidelbergeure Informationen über den Tiefenrausch sind wirklich interessant. Ich war heute morgen im Bus so in den Artikel versunken, dass ich sogar meine Haltestelle verpasst habe. Momentan wird Tauchen als lustiger und gefahrloser Feriensport gepriesen, die meisten Menschen wissen gar nichts von den möglichen Gefahren. Als Modesport scheint es außerdem ein Statussymbol zu sein, so tief und lang wie möglich getaucht zu sein.
Daher fand ich es sehr wichtig, etwas über die neuronalen Hintergründe der Stickstoffnarkose zu erfahren. Wenn man sich klar macht, dass Fehler beim Auftauchen sogar Herzinfarkt oder Schlaganfall nach sich ziehen können, wird man sich besser überlegen, ob man den Ausflug in die Tiefe wirklich braucht.
Vielen Dank!
Menschliche Sonderstellung?
17.11.2010, Christine Esch, GerlingenEine Gruppe japanischer Makaken zeigte, dass sie über eine "Kultur" verfügt, als die Tiere anfingen, ihre Nahrung zu waschen. Ein Makake führte dieses Ritual in die Gruppe ein, und der Rest nahm die Neuerung an. Schlussendlich wurde das Waschen in dieser speziellen Gruppe zur kulturellen Norm. Ein solches Verhalten kann nicht mehr lediglich Instinkten zugeschrieben werden. Diese Gruppe hat bewiesen, dass Affen einzigartige individuelle und gruppenspezifische Identitäten besitzen und dass sie genau wie Menschen ihr Wissen erlernen, improvisieren und weitergeben.
Trauer und Abschiedsrituale können bei verschiedensten Tieren von Elefanten über Schimpansen bis hin zum Wellensittich und Haushund beobachtet werden. Nicht nur, dass viele Tiere schlechter fressen, unruhiger schlafen und nach dem verstorbenen Partner suchen; Elefantenherden verharren sogar nach Jahren noch an Orten, wo Herdenmitglieder verstorben sind. Nimmt man Tieren wie Hunden oder Affen mit Gewalt die Möglichkeit, ihre angeborenes Sozialverhalten auszuleben, indem man sie isoliert und ihre Psyche bricht, ist dies schlimm genug. Dann aber zu behaupten, die Tiere im Labor hätten ja gar kein Rudel und damit nicht die entsprechenden Bedürfnisse, ist schlichtweg respektlos und zeugt von der Verachtung vieler Forscher den Tieren gegenüber. Im Übrigen gibt es immer wieder Recherchen, sowie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift GEO, die vermuten lassen, viele Affen in westlichen Laboren könnten nach wie vor Wildfänge aus südostasiatischen Regenwäldern sein. Diese Tiere wurden also intakten und großen Familienverbänden entrissen und sind schwer traumatisiert.
Auch Treue ist ein Phänomen, das nicht dem Menschen vorbehalten ist. Vom Albatros über den Fuchs bis hin zu Seepferdchen können lebenslange, monogame Bindungen im gesamten Tierreich beobachtet werden. Es ließen sich endlos weitere Beispiele finden. Zwar bauen Bonobos keine Kathedralen, aber können Menschen über Kilometer von Baum zu Baum springen? Es wird Zeit, dass wir endlich akzeptieren, nicht "die Krone der Schöpfung", sondern eine faszinierende Art unter vielen zu sein!
Qualvolle Versuche
28.10.2010, Silke Bitz, FreiburgEin Versuch, in dem sich Menschen freiwillig den Kopf fixieren ließen, musste nach 20 Minuten abgebrochen werden, weil diese die Situation als unerträglich empfanden. Im Gegensatz zu den Testpersonen werden die Affen jedoch gezwungen, diese Tortur stundenlang zu ertragen.
Die Hirnversuche sind für die Affen nicht nur qualvoll, sondern auch für die Entwicklung von Therapien für Erkrankungen des Menschen irrelevant. Bildgebende Verfahren oder die Forschung an menschlichen Zellen aus medizinisch notwendigen Operationen liefern dagegen wertvolle Erkenntnisse über das Menschenhirn. Grund für das Scheitern der tierexperimentellen Hirnforschung sind u.a. die Unterschiede zwischen Mensch und nicht-menschlichen Primaten. So hat das Affenhirn keine Bereiche für Sprache, Lesen oder Musik, und das Menschenhirn hat zur Verarbeitung von visuellen Reizen Hirnbereiche, die im Affenhirn fehlen. Die Schädigung eines Bereichs des motorischen Systems verursacht beim Menschen einen Ausfall von Sprache und Muskelbewegungen, beim Affen kommt es nur zu einer geringen Beeinträchtigung.
Studien belegen immer wieder die Untauglichkeit des Tierversuchs, wenn es um die Übertragung der Ergebnisse vom Tier auf den Menschen geht. Um für den Menschen relevante medizinische Erkenntnisse zu erlangen, ist eine rein tierversuchsfreie, auf die wirkliche Situation des Menschen bezogene Forschung notwendig.
Zusammen-eiern statt raufen ;-)
20.10.2010, Isabel G., Bremenwie immer ein sehr gelungener und unterhaltsamer Artikel. Ich bin ja auch für den Forschergeist und habe insbesondere als Kind alles auseinandergenommen oder zusammengerührt und untersucht, was es so gab. Ich hatte sogar ein Mikroskop, unter dem ich mir alles angesehen habe. Sehr interessant, die Welt der "Kleinen".
Aber das Reinstechen in unbekannte Dinge - auch wenn es der eigene Körper ist ... oder vielmehr gerade wenn es der ist - ist nicht immer ratsam. (Verwunderlich, dass dies dem Menschen so zu eigen scheint ... überall drin herumstochern und so.)
Ich hoffe, es geht Ihrem Finger besser!
Mit freundlichen Grüßen aus dem schönen Bremen
Isabel G.
Diplom-Kauffrau
PS: Ich, übrigens, mag kein Pickeausquetschen - trotz Frausein ... wahrscheinlich einer Mutation oder so was zur Folge.
Plausible Gefühle und subjektive Bewertungen
19.10.2010, Detlef Schroedter, HamburgWas also bleibt, wenn ein Restzweifel nicht ausgeschlossen werden kann? Man setzt auf Wahrscheinlichkeiten und auf Plausibilitäten. Wie plausibel ist es, dass Tiere empfinden können? Andersherum gefragt: Wie plausibel ist es, dass nur Menschen empfinden können? Ist es wahrscheinlich, dass irgendwann vor, sagen wir, 1,5 Millionen Jahren ein Gen mutierte und *plopp* die Empfindsamkeit geboren war? Ich denke nicht.
Ist es auf der anderen Seite plausibel, dass Empfindsamkeit sogar ein sehr altes Relikt aus der Evolution ist? Ich denke ja, denn: Etwas plakativ formuliert geht es bei der Evolution um das Fortpflanzen und das Überleben des Individuums bis zu diesem Zeitpunkt (und darüber hinaus: weitere Fortpflanzungen generell nicht ausgeschlossen). Dazu sucht das Individuum "gute" Dinge auf und meidet "schlechte". Biologisch scheint es mir sinnvoll, wenn selbst einfachste Lebewesen im ersten Fall durch ein positives Empfinden belohnt, und im zweiten Fall durch ein negatives Empfinden angespornt werden.
Aus dieser ganz einfachen Betrachtung scheint mir der Schluss, im Zweifelsfall die Empfindungsfähigkeit von Tieren anzunehmen, als näher liegend. Ergänzt man dann noch all die anderen Indizien (schreiende Tiere, wenn ihnen Dinge zugefügt werden, die mir Schmerz bereiten würden; sich genüsslich streckende und schnurrende Katzen, die gekrault werden; auf eine Art sich von einer Gefahr fortbewegende Tiere, die ich als panische Flucht bezeichnen würde ...) scheint mir - bis das Gegenteil bewiesen wurde - die Annahme, Tiere seinen nicht empfindungsfähig, schlicht nicht haltbar.
Eine ganz andere Frage ist natürlich die Qualität der Empfindung. Ich würde das Freude-Empfinden einer Maus nicht mit meinem Freude-Empfinden gleichsetzen wollen. Diese Qualität spielt aber auch kaum eine Rolle, da sie sich ebenfalls nicht messen lässt. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass man menschliche oder gar persönliche Qualitäten nicht einfach auf andere Wesen übertragen darf. Mein Leben lang auf 50 Quadratmetern eingesperrt zu sein, wäre mir ein Graus. Wie viele Hauskatzen kommen - ihrem wohligen Schnurren und entspannten Verhalten nach zu urteilen - damit aber sehr gut zurecht? Hier, denke ich, liegt auch das größte Problem bei den Tierversuchen. Über einen Kopf-/Hirnbolzen an einen Stuhl fixiert zu sein, kommt mir sehr grausam vor. Das liegt aber vielleicht vor allem daran, dass ich ein ausgeprägtes Eigenverständnis habe und den Kopf resp. das Gehirn auch noch als Träger dieses Verständnisses empfinde. Eine Fixierung eines anderen Körperteils kommt mir bei Weitem nicht so fürchterlich vor. Hat der Affe nun dieses Selbstbewusstsein? Sagen wir einfach mal ja, selbst wenn es vielleicht weniger stark ausgeprägt ist. Bleibt dann immer noch die Frage, ob er seinen Kopf und sein Gehirn als ebenso sensibel wahrnimmt wie ich. Da wäre ich mir schon nicht mehr so sicher - das würde ich nicht mal von allen Menschen behaupten. So weit ich weiß, haben die alten Griechen das Herz als Träger der Persönlichkeit, des "Ichs", angesehen. Ich würde annehmen, dass sie den Bolzeneingriff dann deutlich weniger kritisch empfinden würden. Und so kann ich mir sehr gut vorstellen, dass der Affe den durch einen Bolzen fixierten Kopf als genauso (viel oder wenig) lästig empfindet wie einen eingegipsten Arm.
Die einzige qualitative Bewertung von Freude und Leid ist demnach die zwischen objektiv und subjektiv. Schmerzen sind sicher ein objektives Leid, da sie bei (fast?) allen Tieren entsprechende körperliche Reaktionen auslösen. Daher können wir als Handlungsprämisse angeben, Schmerzen müssen wir so gut es geht verhindern.
Die Auswirkungen eines chirurgischen Eingriffs (also nicht die infolge des Eingriffs entstehenden Schmerzen) ist hingegen grundsätzlich ein subjektives Leid. Folgen keine Reaktionen, die auf ein Leid schließen lassen, ist die Annahme zulässig, dass das Tier dadurch auch kein Leid empfindet.
Es steht natürlich außer Zweifel, dass jeder chirurgische Eingriff ein Risiko ist. Hier müssen wir aber wieder sauber abgrenzen: Das Risiko selbst ist ebenfalls nur subjektives Leid (kennt man das Risiko nicht, leidet man nicht darunter). Die objektive Gefahr, dass das Tier den Eingriff nicht überlebt, ist hingegen nicht Objekt des Tierschutzes. (Die Gefahr, dass ein Rind den Schlachthof nicht überlebt, ist sehr groß - darum geht es aber nicht, sondern darum wie das Rind geschlachtet wird.)
Es bleibt bei der Debatte um Tierversuche also weniger zu klären, ob Tiere empfindsam sind, sondern was sie subjektiv als Leid empfinden. Sicherlich ist die Antwort nicht leicht zu finden. Vorschnelle, von Selbstempfinden geprägte Bewertungen haben in dieser Debatte aber nichts zu suchen. Weder dass ein Bolzen im Kopf auf jeden Fall großes Leid bedeutet, noch dass Tierempfinden sowieso ein Empfinden zweiter Klasse sei.
Krebserkrankungen psychosozial bedingt
18.10.2010, Prof. Dr. Volker Tschuschke, Universitätsklinikum KölnEmotionsfreie Gefühle in der Schule
11.10.2010, Prof. Dr. med. Alfred Drees, KrefeldDen Begriff Prisma fanden wir in einem Vergleich zum Sonnenlicht, das die Vielfalt seiner Farben prismatisch entfaltet. In prismatischen Gesprächen gelingt es, die Identitätsvielfalt der Gesprächspartner zu erweitern und damit lähmende Konfliktfixierungen aufzulösen. Auf diesem Wege lassen sich Kommunikationsblockaden mit emotionsfreien Gefühlen öffnen.
Die vielfach dokumentierte Überlastung des Lehrpersonals und die zunehmende Burn-out-Symptomatik sowie die dadurch bedingte vergleichsweise frühe Pensionierung konnte ich in meinen Therapien mit besonders engagierten Lehrern und Lehrerinnen registrieren. Ich möchte einleitend als Kurzbeispiel eine Kommunikationsform für den Unterricht vorstellen, mit der es gelang, störende und belastende Spannungen im Unterricht aufzulösen:
Ein Schüler, 15-jährig, eine nicht nur in der Klasse dominante Alpha-Figur, suchte immer wieder mit ausgeprägten Störungen eine Lehrerin unter Druck zu setzen. In einer Literatur-Stunde wirft er bei der Besprechung eines Textes von Nietzsche eine Cola-Flasche durch den Raum. Die Lehrerin, die bislang von diesen Attacken sehr genervt war, sucht an Hand meines Supervisionsvorschlags zu dem Schüler eine veränderte Einstellung. Sie wendet sich ihm erwartungsvoll zu und sucht mit ihm und der ganzen Klasse die lärmende Wurfunterbrechung als eine bisher nicht angesprochene erweiternde Dimension des Nietzsche-Textes zu verstehen. Diese Intervention wird von dem Schüler und der ganzen Klasse als humorvolle und entlastende Unterbrechung und Akzeptanz verstanden. Die Lehrerin fand hierüber ihre Kompetenz zurück.
In einer anderen Stunde zeigte ein Schüler auffallendes Desinteresse bei der Lesung eines Textes von Heinrich Heine. Er schaute dabei demonstrativ aus dem Fenster. Er schilderte, als er zuwendungsoffen befragt wurde, wo er jetzt sei, dass er mit dem vorgetragenen Zeug nichts anfangen könne. Er habe sich gedanklich mit dem heutigen Fußballspiel beschäftigt. Auch hier gelingt es, mit Hilfe der prismatischen Gesprächmethode die Probleme des Fußballspiels als anreichernde Variante zum vorgetragenen Text zu erleben, Heine in seiner aufmüpfigen Rolle zu diskutieren und damit die sinnliche Resonanz in der Klasse zum Hinhören und Hineinfühlen von Texten zu erhöhen.
Diese prismatisch orientierte Unterrichtsmethode
ermöglicht es Schülern, ihre jeweilige Befindlichkeit im Unterricht zu äußern, ohne dass gewohnte Korrekturen oder emotional bedingte Blockaden den Verlauf des Unterrichts und die kreativen Möglichkeiten der Schüler beeinträchtigen. Die sinnlich-metaphorische Gesprächsform wurde in den letzten 30 Jahren in der Psychiatrie entwickelt. Sinnlich-metaphorische Gesprächsformen haben sich bewährt bei der Lösung emotional bedingter Kommunikationsblockaden, vor allem in Betreuungs- und Behandlungsfeldern von sterbenden und krebskranken Patienten, von psychisch Kranken und von Gewalttraumatisierten. Ausgangspunkt dieser Orientierung war die emotionale Überlastung von Betreuern, Helfern und Therapeuten. In einer Berufsfachschule in Hannover wurde diese Arbeitsmethode bereits Ende der 1970er Jahre erprobt. Hier ließen sich Gruppenspannungen erfolgreich reduzieren, sinnlich-resonante Kommunikationsprozesse im Rahmen prismatischer Phantasiearbeit entfalten und damit entlastende Neuorientierungen für den Unterricht gewinnen.
Emotionsfreie Gefühle sind Ausdruck körperlich-seelischer Gestimmtheit und Befindlichkeit. Sie sind primär konfliktfrei. Diese emotionsfreien Gefühle und öffnen sich für ganzheitliches Erleben, für eine kulturell-ästhetische Ausdruckssuche. Gewalt, emotionale Spannungen und Lernhemmungen auf dem Boden einengender Wiederholungsrituale sowie Rollen- und Cliquen-Fixierungen lassen sich hiermit transformieren. Sie öffnen dem Schüler potenzielle Freiräume und damit individuelle Entfaltungsmöglichkeiten. Sie geben ihm Einsichten in die Durchlässigkeit von Inhalten und Theorien, von Personen- und Rollen-Mustern. Er versteht sein Erleben in einem größeren gesellschaftlich-kulturellem Kontext und lernt seine Beziehungs- und Rollen gebundene Individualität mit sinnlich-metaphorischen Erlebens- und Gestaltungsqualitäten anzureichern.
Dem Lehrer öffnen sich in diesen sinnlich-metaphorischen Lernprozessen pädagogische Freiräume, in denen er nicht länger Subjekt und Objekt infantiler Beziehungswünsche spielen muss. Er gewinnt damit die Chance, längerfristig kreativ, offen, arbeitsfreudig und gesund zu bleiben. Damit wird er durchlässig und vermittelndes Medium für Lerninhalte und Lernprozesse in einem vielfarbigen, soziokulturellen Kontext. Er eröffnet damit den Schülern Entfaltungsmöglichkeiten für ihre individuelle Entwicklung. Außerdem kann er ihnen sinnlich erlebbares Demokratieverständnis vermitteln und Cliquen bezogene Ausgrenzungsrituale und damit auch Fremdenfeindlichkeit verringern helfen. Aggressive Äußerungen und Attacken lassen sich auf diesem Weg entlastend aufarbeiten.
Aus linguistischer Sicht lassen sich sinnlich-metaphorische Unterrichtselemente verstehen als eine Erweiterung des semantischen Raumes, als Relativierung vorherrschender rationaler Vorstellungen durch Einführung disparater, ambivalenter, insgesamt differenter Sach- und Weltbeschreibungsmetaphern. Vergleichbar psychotherapeutischen Prozessen, in denen blockierte Emotionalität und Kreativität durch die Vervollständigung "verstümmelter Texte", durch die Erweiterung des semantischen Raumes frei werden, können differente sinnlich-metaphorische Elemente im Unterricht Gefühls- und Lernblockaden beseitigen, vor allem dann, wenn der Lehrer beispielgebend sich mit seiner eigenen Persönlichkeit einbringt. Die bildsprachlichen Äußerungen der einzelnen Schüler sind hier schöpferisch bewegende Kräfte. Sie erlauben ein Sichbewegen zwischen verschiedenen Kontexten. Sie machen Brüche und Widersprüchliches sichtbar. Im Vergleich zur Nano-Physik bedarf es jedoch auch für die prismatische Psychologie eine längere Erprobung in den vielfältigen Anwendungsbereichen.