Lexikon der Geowissenschaften: Erdkern
Erdkern, bezeichnet das tiefere Erdinnere ab einer Tiefe von 2900 km. Bereits aus dem Unterschied zwischen der mittleren Dichte der gesamten Erde von 5,5 g/cm3 (5500 kg/m3) und der mittleren Dichte für Gesteine der Erdkruste von etwa 2,7 g/cm3 (2700 kg/m3) kann geschlossen werden, daß im Erdinnern ein dichterer Erdkern existieren muß. Der erste direkte Beweis für die Existenz eines Erdkerns kam aus der Seismologie. B. Gutenberg (1889-1960) ermittelte im Jahre 1914 aus seismologischen Beobachtungen die Tiefe der Grenze zwischen Erdmantel und Erdkern, die daher auch als Gutenberg-Diskontinuität bezeichnet wird, mit 2900 km. Dieser Wert hat auch heute noch seine Gültigkeit. Die Grenze zwischen Erdmantel und Erdkern ist die abrupteste Diskontinuität im Erdinnern. Der Temperaturkontrast an der Kern/Mantel-Grenze beträgt etwa 700°C, und die Viskosität fällt zum äußeren Kern um 24 Größenordnungen ab. Die Konvektionsgeschwindigkeiten im flüssigen äußeren Erdkern (Eisenlegierungen) liegen in der Größenordnung von Kilometern pro Jahr, während im Erdmantel (Silicatgestein) die Bewegungen mit einigen Zentimetern pro Jahr erfolgen. Der Kern umfaßt 16% des Erdvolumens, aber 31% der gesamten Erdmasse.
Der nächste Schritt zur Untergliederung des Erdkerns erfolgte im Jahre 1936. I. Lehmann leitete ebenfalls aus seismologischen Beobachtungen die Existenz eines inneren Erdkerns in ca. 5000 km Tiefe ab, so daß jetzt zwischen einem äußeren und einem inneren Erdkern unterschieden werden muß. Die Oberfläche der Grenze zwischen Erdmantel und Erdkern weist Undulationen mit Amplituden von 10-20 km auf. Durch den äußeren Erdkern laufen keine Scherwellen, so daß der Schluß gezogen werden kann, daß diese Schale die Eigenschaften einer Flüssigkeit aufweisen muß. Man hat abgeschätzt, daß die Viskosität des äußeren Kerns mit der von Wasser vergleichbar ist. Der innere Erdkern dagegen muß sich wieder als fester oder quasi-fester Körper verhalten, da sich in ihm Scherwellen ausbreiten. Die seismologischen Beobachtungen zeigen, daß an der Grenze zwischen Erdmantel und äußerem Erdkern die Geschwindigkeit der Kompressionswellen innerhalb einer Zone von ca. 10 km von ca. 14 km/s auf 7,9 km/s abfällt. Die Dichte nimmt dagegen von ca. 5 g/cm3 auf über 10 g/cm3 (5000 auf 10000 kg/m3) zu. Im äußeren Erdkern nimmt die Kompressionswellen-Geschwindigkeit bis zur Grenze des inneren Erdkerns auf etwa 10 km/s zu und steigt an dieser Grenze in einer Übergangszone von ca. 10 km Dicke auf 11,3 km/s an. Im inneren Erdkern wird eine annähernd konstante Geschwindigkeit der Kompressionswellen von 11,3-11,4 km/s postuliert. Als Scherwellengeschwindigkeit wird ein Wert von knapp 4 km/s angegeben. Die Dichte im inneren Erdkern beträgt 13-14 g/cm3 (13.000-14.000 kg/m3). Die Existenz eines flüssigen äußeren Erdkerns resultiert auch aus der Analyse der Erdgezeiten. Wichtiger aber sind die Aussagen, die sich aus der Interpretation für den Ursprung des erdmagnetischen Innenfeldes ergeben. Die Dynamotheorie (Dynamomodell des Erdkerns) fordert, daß Strömungen mit elektrisch leitfähigen Komponenten im flüssigen äußeren Erdkern existieren müssen, um das erdmagnetische Innenfeld zu erzeugen. Auch wenn Details noch umstritten sind, so zeigt die Magnetohydrodynamik, daß Konvektionsströmungen im flüssigen, elektrisch gut leitenden äußeren Erdkern einen selbsterregenden Dynamo entstehen lassen. Turbulente Vielzellenkonvektion mit Variationen des Strömungsmusters kann den Zusammenhang der Dipolachse des erdmagnetischen Feldes zur Rotationsachse der Erde erklären. Auch die Beobachtung der Säkularvariationen und der Feldumkehrungen finden mit dieser Theorie eine prinzipielle Interpretation. Rätselhaft bleibt jedoch die quasi-chaotische Folge der Feldumkehrungen. Möglicherweise besteht hier ein Zusammenhang mit den Konvektionsströmen im Erdmantel. Fluktuationen in der Wärmeabfuhr im Mantel und damit auch im äußeren Erdkern könnten ein Umklappen der Polarität zur Folge haben. Doch sind dies bislang Spekulationen.
An der Grenze zwischen Erdmantel und Erdkern wird eine Temperatur von ca. 3000°C berechnet. Im äußeren Erdkern nimmt die Temperatur adiabatisch zu. Hinweise über die Zusammensetzung des Kerns erhält man aus dem Studium der Eisen-Meteorite (Meteorit). Der äußere Erdkern besteht im wesentlichen aus Eisen, das einzige Element, das die erforderliche Dichte um 10-12 g/cm3 und die hohe elektrische Leitfähigkeit aufweist. Im äußeren Kern muß die Temperatur oberhalb der Schmelztemperatur von Eisen liegen. Um die Schmelztemperatur von Eisen auf 3000-4500°C herabzusetzen, muß zum Eisen eine Beimengung von 10-15 Gewichtsprozenten Schwefel und/oder Sauerstoff als Flußmittel (Eisenoxyde, Eisensulfide) gefordert werden. An der Grenze zwischen innerem und äußerem Erdkern wird eine Temperatur von 4500-4600°C errechnet. Innerhalb des inneren Erdkerns liegt die Temperatur bei ca. 4600-4700°C. Für den inneren Kern wird angenommen, daß zum Eisen eine Beimengung von Nickel tritt. In jedem Fall muß die Temperatur im inneren Kern unterhalb der Schmelztemperatur liegen. Man geht von der Vorstellung aus, daß im Laufe der Erdgeschichte das Volumen des inneren Erdkerns zu Lasten des äußeren Erdkerns wächst. Die dabei freiwerdende Energie könnte den erdmagnetischen Dynamo erhalten. Es ist umstritten, wie hoch der Gehalt an radioaktiven Elementen im Erdinnern ist und inwieweit die beim radioaktiven Zerfall freiwerdende Energie zur Aufrechterhaltung des erdmagnetischen Dynamos beiträgt. [PG]
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