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News: Rasche Klimawechsel in der Erdgeschichte

Der Antarktis kommt als "Kühlschrank der Erde" und gigantischem Wasserspeicher eine besondere Rolle als Indikator des Weltklimas zu. Die Untersuchung von Bohrkernen verrät die Entwicklung innerhalb der letzten Millionen Jahre - mittlerweile mit einer zeitlichen Auflösung von Jahrhunderten.
"Die Ergebnisse übertrafen alle unsere Erwartungen", schildert Rainer Gersonde vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) den Erfolg der jüngsten Expedition des Ocean Drilling Program (ODP) im Südpolarmeer. "Wir sind nun in der Lage, die Prozesse im Ozean beim Übergang von Kalt- zu Warmzeiten wesentlich detaillierter zu erfassen und rasche Klimawechsel sowie die Stabilität der Umweltbedingungen mit einer zeitliche Auflösung im Bereich von Jahrhunderten und kürzer zu dokumentieren. Dies schafft eine neue Dimension für die Rekonstruktionen der Klimageschichte der Erde." Am 5. März 1998 stellt Dr. Gersonde die Ergebnisse der Expedition in einem Kolloquium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Freiburg erstmals öffentlich vor.

Am 7. Februar war das Forschungsbohrschiff JOIDES Resolution nach zweimonatiger Expedition in die südchilenische Hafenstadt Punta Arenas zurückgekehrt. Entlang eines Schnittes durch den atlantischen Sektor des Südpolarmeeres waren zusammen mit einem internationalen Team von 27 Geowissenschaftlern Ablagerungen am Meeresboden erbohrt worden, an denen sich die Klimageschichte der letzten 46 Millionen Jahre studieren läßt.

Trotz schlechten Wetters hatten die Wissenschaftler an sieben Positionen bei Wassertiefen zwischen 2000 und 5000 Metern die Bohrungen bis zu 600 Meter tief in die Ablagerungen des Südpolarmeeres vorantreiben können. Insgesamt stehen nun 4000 Meter Bohrkerne zur Verfügung, um die Klima- und Vereisungsgeschichte eines Gebietes zu rekonstruieren, das einen Schlüssel für die globale Klimaentwicklung darstellt.

Die Eismassen auf dem antarktischen Kontinent sind derzeit die größte Eisansammlung der Erde und kühlen den Weltozean deutlich ab. Das Südpolarmeer, das die Antarktis als Ringstrom umgibt, wirkt als Puffer zwischen dem Eis der Antarktis und den weiter nördlich gelegenen wärmeren Gebieten und spielt eine wichtige Rolle bei der Produktion und Verteilung der Wassermassen des Weltmeeres.

Ein Schwerpunkt der Bohrfahrt ODP-Leg 177 war die Dokumentation rascher Klimawechsel, wie sie in der jüngsten geologischen Klimageschichte, das heißt in den letzten 1,5 Mio Jahren, auftraten. Solche Klimaänderungen wurden erstmalig bei Bohrungen durch die grönländische Eiskappe entdeckt. Untersuchungen zeigen, daß in der Arktis Klimawechsel mit Temperaturänderungen von 5 bis 10 Grad Celsius im Zeitraum von Jahrzehnten bis Jahrhunderten stattgefunden haben. Die Ergebnisse der ODP-Expedition zeigen, daß es auch in den südlichen Polargebieten während der Warm- und Kaltzeiten rasche Klimawechsel gegeben hat. Die Mechanismen, die diese Wechsel steuern, sind noch weitgehend unbekannt.

Gersonde, der die Expedition zusammen mit David A. Hodell von der University of Florida leitete, untersuchte bereits Ablagerungen, die während der Expeditionen mit dem deutschen Forschungsschiff Polarstern gewonnen wurden. Diese und Untersuchungen an Eiskernen weisen darauf hin, daß die Klimaveränderungen in den südlichen Polargebieten der globalen Entwicklung zeitlich vorauseilen. Ob die Antarktis ein Früherkennungssystem für die globale Klimaentwicklung darstellt, soll an den neugewonnenen Bohrkernen überprüft werden. Die Untersuchungen werden am AWI und fünf weiteren Instituten in den USA und Europa durchgeführt.

Erste Bohrexpeditionen vor zehn Jahren hatten gezeigt, daß der antarktische Kontinent bereits vor über 40 Millionen Jahren zu vereisen begann. Drastische Veränderungen des Meeresspiegels, der weltweiten Meeresströmungen und der globalen Klimazonen waren die Folge. Erst vor drei Millionen Jahren bauten sich auch auf der Nordhalbkugel gewaltige Eismassen auf. Die Gründe, die zu dieser Vereisung geführt haben, und ihr zeitlicher Ablauf sind bisher nicht bekannt. Die Wechselwirkungen zwischen den südlichen und nördlichen hohen Breiten und die Stabilität der antarktischen Eismassen, bei deren Abschmelzen der Meeresspiegel 50 bis 60 Meter steigen würde, nicht ausreichend erforscht. Die Bohrkerne der jüngsten Expedition, die die Klimageschichte der letzten 46 Millionen Jahre außergewöhnlich kontinuierlich und gut datierbar dokumentieren, sind daher von großer Bedeutung. Erste Auswertungen während der Expedition haben dies bestätigt.

Das Ocean Drilling Program (ODP) ist ein Gemeinschaftsprojekt, an dem neben den USA auch Deutschland, Japan, Frankreich, England, Kanada und Australien sowie weitere europäische und asiatische Länder beteiligt sind. Der deutsche Beitrag wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie finanziert. Das Bohrschiff JOIDES Resolution ist im Rahmen der ODP-Bohrexpeditionen seit 1985 weltweit im Einsatz. Es ist mitschiffs mit einem Bohrturm ausgerüstet, der 62 Meter über die Wasserlinie ragt. Mit Hilfe von zwei Haupt- und zwölf Zusatzpropellern läßt sich das Schiff auch bei großen Wassertiefen und bis zu sieben Meter hohem Seegang noch metergenau über dem Bohrloch am Meeresgrund halten.

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