News: Katastrophen aus der Tiefe
Die außergewöhnliche Eruption hat mit hoher Wahrscheinlichkeit beim größten bekannten Faunenschnitt der Erde eine entscheidende Rolle gespielt. Ein Großteil aller Pflanzen- und Tierarten wurde damals ausgelöscht. Ein ähnliches Ereignis fand bei der Entstehung der Dekkan-Trapps in Indien vor 65 Millionen Jahren an der Kreide-Tertiär-Grenze statt und wird mit dem Aussterben der Dinosaurier in Verbindung gebracht.
Die Geophysik und Geologie des Erdinnern – insbesondere des Erdmantels – ist seit langem ein intensives Streitthema. Anhänger eines zweigeteilten Mantels postulieren zwei streng getrennte Konvektionssysteme: eines zwischen der Kern-Mantel-Grenze und einer Übergangszone sowie ein anderes zwischen dieser Zone und der Mantelobergrenze. Nach ihrer Meinung kann kein Material aus mehr als 670 Kilometern Tiefe – der Übergangszone – die Oberfläche erreichen. Basu, Hannigan und Jacobsen sowie eine Reihe weiterer Geowissenschaftler meinen hingegen, daß sehr wohl Material aus größeren Tiefen bis an die Oberfläche gelangen kann und glauben jetzt die entscheidenden Indizien gefunden zu haben.
Nachdem sie die chemischen Hauptbestandteile der Lava, wie Natrium, Magnesium und Eisen sowie seltene Isotope von Neodym, Strontium, Blei und Helium untersucht hatten, fanden Basu und Jacobsen heraus, daß die chemische Zusammensetzung der Basalt-Deckenergüsse der Magma im Inneren der Erde entspricht. Aus dem Kern abfließende Wärme erhöht die Temperatur in einem D'' (gesprochen: D zwei Strich) genannten Bereich, der auf der Mantelseite der Kern-Mantel-Grenze folgt. Aus dem Kern abfließende Wärme erhöht die Temperatur der D''-Schicht. Diese wird dadurch spezifisch leichter und dehnt sich aus, bis sich sogenannte Mantel-Plumes von ihr abschnüren und nach oben steigen.
Die Arbeit, die finanziell von der National Science Foundation unterstützt wird, ist als letzte in einer Reihe von Untersuchungen herausgegeben worden, die von Basu und anderen Geologen verfaßt wurden. Sie weisen auf den unteren Mantel als Quelle des angesprochenen Vulkanismus in Sibirien und an anderen Orten auf der Welt hin. Ein entscheidendes Indiz für ihre These kann das gasförmige Element Helium liefern, das in den zwei stabilen Isotopen Helium-3 und Helium-4 vorkommt. Das schwerere Helium-4 entsteht fortwährend in der Erdkruste durch den radioaktiven Zerfall von Uran und Thorium. Helium-3 hingegen ist, wie die meisten Forscher glauben, beim unvollständigen Entweichen von Gasen zurückgeblieben, die in der Frühzeit der Erde in ihrem Inneren eingeschlossen waren. Die jetzt fesgestellten hohen Verhältnisse von Helium-3 zu Helium-4 deuten somit auf eine Herkunft aus dem Unteren Mantel hin.
Das Wissenschaftler-Team hat Gesteine, die aus der Sibirischen Tafel stammten, nach Bestandteilen untersucht, die auf der Erdoberfläche selten, jedoch in Teilen des Unteren Mantels häufig auftreten. Sie bezogen sich dabei auf andere Experimente, in denen die Gesteine im Labor so geschmolzen wurden, wie es auch tief im Erdinneren geschieht. Sie fanden heraus, daß die Sibirische Tafel aus Material besteht, daß in einer schmalen Säule aus einer Tiefe von 2.900 Kilometern zu einer riesigen pilzförmigen Masse heißer Gesteine heranwuchs, die sich nur 60 bis 80 Kilometer unter dem heutigen Sibirien befand. Dann, etwa 250 Millionen Jahre später, schmolzen etwa 12 bis 16 Prozent dieser Gesteine in kurzer Zeit, durchbrachen die Erdkruste und verursachten eine gigantische Eruption.
"Es überrascht, daß der Großteil dieses Schmelzprozesses so nahe der Erdoberfläche erfolgte, sogar direkt unter der Kruste", sagt Jacobsen. Während man sich zwar leicht vorstellen kann, daß Gestein in dem riesigen Schmelzofen im Erdkern schmilzt, entstand die Lava bei den viel niedrigeren Temperaturen und Druckverhältnissen, die man direkt unter der Erdoberfläche findet. Basu erklärt dies als Beispiel für Schmelzen durch Druckminderung, bei dem starkes Absinken des Druckes den Schmelzpunkt eines Materials herabsetzen kann.
Diese überwältigende Phase des Basaltvulkanismus läßt gewöhnliche Vulkane wie Kinderspielzeug aussehen, wenn sie bis zu eine Million mal mehr Material auswerfen, als bei einem Ausbruch wie dem des Mount St. Helens. Tatsächlich könnten die eine Million Kubikkilometer vulkanischen Gesteins, die damals an die Oberfläche austraten, die gesamte Erde in einer Mächtigkeit von drei Metern bedecken. "Dies war fraglos der katastrophalste Ausbruch während der letzten halben Milliarde Jahre der Erdgeschichte", bemerkt Basu.
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