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News: Zu schnell für genaues Arbeiten

Wenn Zellen ihr Erbgut verdoppeln, um sich zu teilen, kommt es auf höchste Präzision an. Milliarden von Basenpaaren müssen getrennt und neue passende Partner gefunden werden. Jeder Fehler kann für die Tochterzellen tödlich ausgehen. Auf der anderen Seite sind kleine Experimente nötig, um auf veränderte Umweltbedingungen reagieren zu können. Vielleicht hat die Natur deshalb das Erbmaterial in einen Doppelstrang DNA verpackt - eine Hälfte für Genauigkeit, die andere zum Variieren.
Die ungleiche Behandlung der beiden DNA-Stränge ist wahrscheinlich eine Folge der Art und Weise, wie das Erbgut verdoppelt wird. Jeder der beiden Stränge trägt dieselbe Information in Form einer bestimmten Abfolge der vier Basen Adenin (A), Thymin (T), Guanin (G) und Cytidin (C) – den Buchstaben des genetischen Codes. Jeweils zwei der Basen, nämlich A und T sowie C und G, können miteinander Paare bilden, so daß ein DNA-Strang die Information als Positiv, der andere als Negativ besitzt.

Um die DNA im Laufe der Replikation vervielfältigen zu können, trennt ein Enzymkomplex die beiden Stränge, und die Polymerase sorgt dafür, daß jeder Base ein passender Partner gegenübergestellt wird. Die beiden DNA-Stränge sind jedoch antiparallel zueinander angeordnet: Der eine verläuft in die Richtung 3'>5', der andere umgekehrt 5'>3'. Die Polymerase kann jedoch nur in 3'>5'-Richtung die Basenfolge lesen. Deshalb kann sie an dem einen Strang, dem leading strand, schnell in einem Rutsch entlangfahren und ihn ergänzen. Bei dem anderen hat sie es weit schwieriger. Sie setzt an diesem lagging strand an, liest ihn in 3'>5'-Richtung und stellt das Gegenstück her, bis sie an das Strangende gerät. Dort muß sie sich von der DNA lösen, zu jener Stelle wandern, an der gerade die beiden Ursprungsstränge getrennt werden, wieder am lagging strand ansetzen und ihn so weit auffüllen, bis sie diesmal an ihr Werk von vorher stößt. Auf diese Weise wird Stück für Stück der lagging strand ergänzt.

Roel Schaaper vom National Institute of Environmental Health Sciences in Research Triangle Park, North Carolina, hat zusammen mit Kollegen von der Polnischen Akademie der Wissenschaften das zirkulare Genom des Bakteriums Escherichia coli modifiziert, indem sie eine einzige Base in einem Gen austauschten und den DNA-Abschnitt so in das bakterielle Genom einbrachten, daß die Veränderung mal auf dem leading und mal auf dem lagging strand lag.

Sie stellten fest, daß die Polymerase den Fehler sechsmal eher übersah, wenn er auf dem leading strand lokalisiert war (Proceedings of the National Academy of Sciences vom 18. August 1998, Abstract). Sie vermuten, daß das Enzym auf dem lagging strand eher dazu tendiert, sich von der DNA zu lösen, wenn sie einen Fehler gemacht hat, während sie auf der "schnellen Strecke" keine Notwendigkeit für einen Halt hat.

Doch die Erklärung ist mit Vorsicht zu genießen. Richard Sinden von der Texas A&M University in College Station glaubt, daß die Genauigkeit der Replikation von der Art der Mutation abhängt, die man gerade betrachtet. Seine Arbeitsgruppe hat nämlich herausgefunden, daß der lagging strand bis zu 50mal so viele Deletionsmutationen – fehlende Basen – aufweist wie der leading strand. So hat wohl auch auf Ebene der DNA jeder seine Stärken und Schwächen.

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