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News: Ein gefährliches Überbleibsel

Die genetischen 'Reste' eines uralten Virus, der in der DNA eines jeden Menschen zu finden ist, könnten für einige Resistenzen gegen Medikamente verantwortlich sein, mit denen AIDS bekämpft wird. Amerikanische Wissenschaftler vertreten die These, daß diese viralen Gene den Bauplan für ein Enzym enthalten, welches das AIDS-Virus HIV-1 unterstützt, wenn die Funktion der HIV-1-eigenen Protease durch Medikamente unterbunden wird.
Forscher der Science Applications International Corporation (SAIC), einem Subunternehmen des National Cancer Institute (NCI) in Frederick, Maryland, haben Einzelheiten über die erste Isolierung einer vollständig aktiven Protease aus einem endogenen viralen Gen veröffentlicht (Biochemistry, 8. Dezember 1998).

Jeder Mensch besitzt 30 bis 50 unvollständige Kopien genetischer Instruktionen zur Herstellung eines inzwischen ausgestorbenen Virus, des menschlichen endogenen Retrovirus Typ K (HERV-K). Weshalb diese Genfragmente in den Menschen erhalten geblieben sind, ist unklar. Bis heute wurden auch keine infektiösen Virenteilchen entdeckt. Aber die Genfragmente sind anscheinend fähig, zumindest Bestandteile des Virus in der Zelle produzieren zu lassen – wie HERV-K-Protease.

Eine Protease funktioniert wie eine Proteinschere. Beim HIV-1 werden lange Proteinketten erzeugt, aus der die Protease bestimmte Sequenzen herausschneidet, um funktionsfähige Moleküle zu erzeugen. Proteaseinhibitoren blockieren diesen Prozeß. Aber sogar in Anwesenheit multipler Inhibitoren scheint das HIV-1 oft einen Weg zu finden, diese Hemmung zu umgehen. Dies hängt zumindest teilweise damit zusammen, daß das Virus Mutationen entwickelt, welche die Protease gegen solche Medikamente resistent macht.

Doch nach Meinung der Wissenschaftler ist es möglich, daß solche Resistenzen nicht ausschließlich auf Mutationen zurückzuführen sind. Vielleicht übernimmt die HERV-K-Protease, die im Körper des Patienten selbst produziert wird, einen Teil der Funktion der HIV-1-Protease, wenn diese inaktiviert wurde.

"Wir versuchten zu bestimmen, ob irgendeiner der zugelassenen oder momentan klinisch erprobten Proteaseinhibitoren die HERV-K-Protease hemmen kann," erklärte Sergei Gulnik von der Science Applications International Corporation, "und wir fanden heraus, daß es äußerst resistent gegen die meisten dieser Inhibitoren ist."

Laborexperimente der Wissenschaftler zeigen auch, daß die HERV-K-Protease tatsächlich die benötigten Sequenzen innerhalb eines HIV-1-Proteins ausschneidet. Die Forscher betonen aber, daß Folgestudien notwendig sind, um zu bestimmen, ob die HERV-K-Protease tatsächlich das HIV-1 bei AIDS-Patienten unterstützt. Trifft dies zu, dann müssen in Zukunft AIDS-Behandlungen gegen einen neuen "Feind" entwickelt werden. "Es ist eine radikale Theorie," sagt Eric Towler, ebenfalls von der SAIC. "Mit dieser Hypothese nehmen wir eine Außenseiterposition ein, aber wir haben einige überraschende Ergebnisse erzielt, die sie unterstützen."

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