News: Ein kurzes (Anti-)Leben
Ein gewöhnliches Wassermolekül besteht aus einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoffatomen. In dem Modell von Jiang und Schrader wird der Wasserstoff durch Positronium ersetzt. Bei diesem "Fast-Atom" umkreist ein Elektron ein zugehöriges Antiteilchen – ein Positron. Die Ladungsverteilung ist demnach wie in gewöhnlicher Materie: innen positiv, außen negativ. Da Positronen jedoch nur soviel Masse wie Elektronen haben, ist Positronium 1837mal leichter als Wasserstoff.
Eigentlich wäre zu erwarten, daß die Elektronen und Positronen einander sofort in einer Explosion auslöschen. Das passiert auch, allerdings nicht wirklich sofort, sondern erst nach etwa 220 Pikosekunden, ungefähr fünf Billionstel Sekunden also. Schrader und seine Mitarbeiter haben in einem Computermodell das Verhalten des Positroniums gemäß den Regeln der Quantenmechnik simuliert und neben der erwarteten Zerfallsdauer auch herausgefunden, daß sich unter bestimmten Bedingungen ein Wasser-ähnliches Molekül mit Positronium anstelle von Wasserstoff herstellen lassen sollte.
Eine experimentelle Möglichkeit wäre, einen Strahl von Positronen auf eine Metalloberfläche, an die Sauerstoff angelagert ist, abzuschießen. Ein anderer Weg bestände darin, den Strahl auf Bariumoxid zu lenken, mit dessen Sauerstoffionen die Positronen reagieren sollten.
Die Forscher erwarten von dem neuen Molekül völlig überraschende Eigenschaften. Schon bei herkömmlicher Materie gilt die alte Regel nicht streng, wonach Isotope des gleichen Elements chemisch gleich reagieren. Schweres Wasser, in welchem der Wasserstoff durch Deuterium ausgetauscht ist, verhält sich zum Beispiel manchmal anders als das normale Wasser. Vor allem ist es eine giftige Substanz, obwohl die Elektronenkonfiguration beider Moleküle gleich ist. Wie groß, so fragen sich die Wissenschaftler, mögen die Abweichungen da erst sein, wenn eines der "Atome" in dem Molekül nicht einmal im Periodensystem der Elemente vorkommt, weil es gar kein Neutron enthält?
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