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News: Im Schlaf gelernt

Wenn kleine Zebrafinken des Nachts den Kopf in die Federn stecken, dann übt ihr Gehirn fleißig den Gesang der Altvögel. Zumindest lernen die Piepmätze tatsächlich im Schlaf. Ein Team von Wissenschaftlern hat ihre Hirnzentren dabei 'belauscht'.
Normalerweise ist das Gehirn während des Schlafes für äußere Reize desensibilisiert, teilweise wegen der veränderten Konzentration des Neurotransmitters Norepinephrin. Daniel Margoliash von der University of Chicago und zwei seiner Studenten, Amish Dave und Albert Yu, beobachteten jedoch bei ihren schlafenden Zebrafinken einen Anstieg der neurologischen Aktivität in dem als Robustus archistratalis (RA) bezeichneten Teil des Gehirns, der für das Singen zuständig ist. Grundsätzlich wird angenommen, daß die Aktivität des schlafenden Gehirn dazu beiträgt, das während des Tages Gelernte zu konsolidieren. Wie dies jedoch geschieht, wurde nie zuvor direkt verfolgt.

"Man würde erwarten, daß dieser Bereich während des Schlafes inaktiv ist", sagt Margoliash, weil die Vögel im Schlaf nicht singen. Aber sogar als die Vögel schliefen, verzeichneten Margoliash und seine Studenten eine starke, ziellose RA-Aktivität. Bei wachen Vögeln weisen RA-Neuronen schnelle, regelmäßig oszillierende Muster auf.

Margoliash und seine Kollegen zeichneten von narkotisierten, schlafenden und wachen Vögel, denen ihr eigener Gesang vorgespielt wurde, die elektrischen Impulse von einzelnen Neuronen in der RA auf. Schlafende oder narkotisierte Vögel zeigten stets weniger regelmäßige Oszillationen. Dabei kam es aber zu gelegentlichen Ausbrüchen starker Aktivität in den neuralen Impulsmustern ihrer RA. Als die Vögel während der Nacht zwischendurch aufwachten, verschwanden diese Aktivitätsmuster schnell und wurden durch die gleichbleibende Oszillation ersetzt, die während des Tages zu beobachten ist.

"Dies ist überraschend, weil dieselben Neuronen, die während des Tages keine Reaktion zeigten, im Schlaf diese starken Reaktionen auf die eigenen Lieder der Vögel aufweisen. Es ist möglich, daß Lieder, die während des Tages gelernt wurden, das Aktivitätsmuster der RA bei Nacht beeinflussen, so daß die neu gelernten sich im Kopf des Vogels einprägen", sagt Margoliash.

Den Forscher interessierte, ob er dieselben Ergebnisse erzielen würde, wenn er den Vögel örtliche Injektionen von Norepinephrin verabreichte. Norepinephrin ist eine Neurochemikalie, die in geringen Konzentrationen während des Schlafes und in höheren Konzentrationen bei wachen Tieren gebildet wird. "Wir wollten wissen, ob die Muster, die wir von schlafenden und wachen Vögel erhalten, stark mit der chemischen Beschaffenheit des Gehirns beim Wechsel vom Tag zur Nacht verknüpft sind."

Die Wissenschaftler injizierten Norepinephrin in die RA und einen anderen Bereich des Gehirns, der HVc genannt wird. Der HVc dient als Eingangspforte für ankommende akustische Signale und sendet Botschaften an die RA und andere Zentren im Gehirn.

Durch Injektionen von Norepinephrin in den HVc wurden Reaktionen in der RA verhindert, Injektionen in die RA hatten dagegen keine Auswirkung. "Dies deutet darauf hin, daß auditive Reaktionen in der RA eindeutig von der HVc abhängig sind", sagt Margoliash.

Diese Erkenntnisse widersprechen der Motortheorie, die von A.M. Lieberman 1967 aufgestellt wurde. Danach werden ankommende akustische Signale (Sprache bei Menschen, oder Lieder bei Vögeln) interpretiert, wenn der Hörer unbewußt die Töne nachahmt, so daß Bereiche, die für das Sprechen zuständig sind, während des Hörens aktiv wären. Träfe diese Theorie zu, dann sollten die Vögel eine Aktivität in der RA aufweisen, einem Zentrum, das für das Singen zuständig ist, wenn sie im Wachzustand Liedern lauschen. Stattdessen zeigte dieser Bereich eine schwache Aktivität während des Tages und eine lebhafte Aktivität in der Nacht.

"Eine spekulative und provokative Theorie über die Reizwahrnehmung von Liedern wurde durch eine über das Lernen von Liedern im Schlaf ersetzt", sagt Margoliash. "Dies ist kaum das, was wir zu Beginn unserer Studien erwartet haben." In späteren Versuchen möchte er die RA-Muster, die er bei schlafenden Vögeln beobachtet hat, mit solchen vergleichen, die in Gehirnbereichen erzeugt werden, während der Vogel selbst ein Lied trällert. Stimmen die Muster überein, dann würde dies klare Anhaltspunkte dafür liefern, daß das Vogelgehirn sein Lieder unbewußt während des Schlafes wieder "abspielt".

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