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News: Wie füttert man ein schwarzes Loch?

Oft werden Schwarze Löcher als überdimensionale "kosmische Staubsauger" angesehen, die alle Materie aus ihrer Umgebung verschlucken. Das Bild trifft aber nicht zu. Auch wenn wir anstelle der Sonne ein Schwarzes Loch gleicher Masse, das allerdings nur drei Kilometer Durchmesser hätte, in das Zentrum des Planetensystems setzen würden, bliebe alles beim alten: Alle Planeten würden sich wie vorher auf stabilen Bahnen um den Zentralkörper bewegen. Wieso fällt dann überhaupt Materie in ein Schwarzes Loch? Neue Bilder im Radiowellenbereich zeigen, daß magnetische Kräfte die Gase auf den Weg in das Schwarze Loch lenken.
Es ist gar nicht einfach, kreisende Materie so abzubremsen, daß sie in ein Schwarzes Loch hineinstürzen kann! Neue Radiobeobachtungen der balkenförmigen Galaxie NGC1097 zeigen einen Ausweg, wie Materie von Galaxien in das zentrale Schwarze Loch transportiert werden kann (Nature vom 28. Januar 1999). Die Radiokarte von NGC1097, die am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie erstellt wurde, zeigt gewaltige Gasmengen, die über eine Länge von rund 30 000 Lichtjahren nach innen strömen. Das Gas sammelt sich in einem Ring von etwa 5 000 Lichtjahren Durchmesser um das Zentrum der Galaxie, in dem ein Schwarzes Loch vermutet wird. Magnetische Kräfte bremsen einen Teil des Gases im Ring ab, so daß es in das Schwarze Loch stürzen kann.

Im Jahr 1996 begann ein Team deutscher, russischer und australischer Astronomen mit der Beobachtung der Radiostrahlung der 20 hellsten Balkengalaxien am Himmel. Sie benutzten dabei (je nach Winkelausdehnung und Lage eines Objekts am Himmel) neben dem 100 Meter-Teleskop des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn die Radioteleskope des Very Large Array (Socorro/USA) und des Australia Telescope Compact Array (Narrabri/Australien). Die Hauptrolle spielt dabei die Balkengalaxie NGC1097 in rund 50 Millionen Lichtjahren Entfernung.

Balkengalaxien zeigen eine ovale Ansammlung von Sternen, die im Fall von NGC1097 eine Ausdehnung von über 60 000 Lichtjahren hat. Das unsymmetrische Schwerkraftfeld einer Balkengalaxie führt zu stark elliptischen Umlaufbahnen für die Sterne und das Gas. Im Balken kommt es dadurch zu "Verkehrsstaus" des Gases, sogenannten Stoßwellen.

Modellrechnungen in Computern haben gezeigt, daß (stark abgebremst) das Gas im Balken seine Bahnen nicht in gleicher Richtung fortsetzt (wie in einem "normalen" Verkehrsstau), sondern eine schnelle Umleitung findet, indem es am Rand des Balkens nach innen strömt. Bisher fehlte jedoch die Bestätigung dieser Modelle durch Beobachtungen.

Das Gas im Balken ist kalt und tritt praktisch nur in Form von Molekülen auf, daher ist seine Strahlung im Radiobereich sehr schwach. Jetzt gibt es eine neue, elegante Methode, dieses Gas und seine Bewegung zu untersuchen. Polarisierte Radiostrahlung zeigt die Stärke und Richtung der Magnetfelder, die bei schnellen Gasbewegungen mitgerissen werden. Daher ist die Karte der Magnetfeldrichtungen gleichzeitig eine Momentaufnahme des Strömungsfeldes. In NGC1097 wird erstmals die Stoßfront von einigen 10 000 Lichtjahren Länge im Balken unmittelbar sichtbar. Dort ändert sich die Richtung der Strömung abrupt um fast 90 Grad. Im Widerspruch zu den Vorhersagen der Modelle befindet sich die Stoßfront allerdings ziemlich genau in der Mitte des Balkens und nicht am Rand. Für diese Abweichung sind vermutlich die Magnetfelder verantwortlich.

Gas und Magnetfelder in NGC1097 strömen mit etwa 100 Kilometer pro Sekunde Geschwindigkeit nach innen und sammeln sich in einem Ring von rund 5 000 Lichtjahren Durchmesser um das Zentrum. Dort entstehen zahlreiche neue Sterne. Im Zentrum selbst wird (wie in vielen anderen Galaxien) ein Schwarzes Loch vermutet, dessen Umgebung (nicht das Schwarze Loch selbst!) sich durch starke Radio- und Röntgenstrahlung bemerkbar macht.

Auch der Röntgensatellit ROSAT wurde auf NGC1097 gerichtet, um nach heißem Gas in dieser Galaxie zu suchen. Der größte Teil des heißen Gases steckt in der Tat in der Umgebung des Schwarzen Lochs, aber es gibt auch Röntgenstrahlung aus einer dünnen Gashülle um die gesamte Galaxie. Dieses ist ein Hinweis auf einen heißen Wind, der vom Zentrum nach außen weht, umgekehrt zum Strom des kalten Gases.

Jedes Schwarze Loch muß regelmäßig mit frischem Material (Gas oder Sternen) gefüttert werden, sonst kommt die Strahlung aus seiner Umgebung rasch zum Erliegen. Ein zentraler Ring ist jedoch eine schlechte Futterquelle, denn Gas und Sterne rotieren darin auf stabilen Kreisbahnen. Um in das Schwarze Loch einstürzen zu können, ist ein Bremsmechanismus notwendig, der bisher unbekannt war.

Die neuen Radiobeobachtungen zeigen eine mögliche Lösung dieses Problems: Das Magnetfeld im zentralen Ring hat die Form einer Spirale, steht also (anders als im Balken) in einem Winkel zur Bewegung des Gases. Dadurch treten magnetische Kräfte auf, die ausreichen, um etwa eine Sonnenmasse an Gas pro Jahr in Richtung Zentrum abzulenken – genug, um den "Hunger" des Schwarzen Lochs zu stillen.

Bisher wurde vermutet, daß die Fütterung des zentralen Schwarzen Lochs vor allem durch Material erfolgt, das von außen in die Galaxie einfällt, zum Beispiel durch die Anziehung einer kleinen Nachbargalaxie ("Kosmischer Kannibalismus"). Die neuen Beobachtungen zeigen jedoch, daß zumindestens die Balkengalaxien nicht auf solche seltenen Ereignisse angewiesen sind, sondern ihr Schwarzes Loch selbst füttern können. Somit wird verständlich, weshalb in allen grossen Balkengalaxien helle Radio- und Röntgenquellen im Zentrum nachgewiesen werden.

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