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News: Die Gene ticken nicht richtig

Fragen Sie einen Wissenschaftler nach dem stammesgeschichtlichen Alter der Plazenta-Säugetiere, und Sie enthalten als Antwort entweder 65 Millionen Jahre oder aber 130 Millionen Jahre - je nach der Fachrichtung des Experten. Während die Fossilfunde nämlich nur bis zum Ende der Kreidezeit zurückreichen, glauben Molekularbiologen, aus den Unterschieden in der DNA heutiger Tiere auf das doppelte Alter schließen zu können. Ihrer Meinung nach sind die Versteinerungen einfach lückenhaft. Ein amerikanischer Paläontologe hat mit einem mathematischen Modell überprüft, ob eine so große Lücke in den Fossilfunden wahrscheinlich ist. Er kommt zu dem Ergebnis, daß vermutlich eher die 'molekulare Uhr' nicht so ganz richtig tickt.
Fossile Funde deuten darauf hin, daß die modernen Plazentatiere, zu denen auch der Mensch gehört, sich vor etwa 65 Millionen Jahren entwickelten. Damals ging gerade die Kreidezeit zuende und mit ihr das Zeitalter der Dinosaurier. Genetischen Analysen zufolge ist die Gruppe der Plazentatiere jedoch 130 Millionen Jahre alt. Sie trat danach also schon zu Beginn der Kreidezeit auf. Ist es denkbar, daß eine so große Lücke in der Fossilienreihe klafft?

Der Paläontologe Mike Foote von der University of Chicago und seine Kollegen benutzten ein mathematisches Modell, um diese Frage zu beantworten. Sie errechneten, wie unvollständig die Fossilfunde eigentlich sein müßten, um ein Loch von 65 Millionen Jahren glaubwürdig erscheinen zu lassen (Science vom 26. Februar 1999). "Wir stellen fest, daß die Qualität der fossilen Funde etwa zehn- bis hundertmal größer ist, als es die Hypothese der fehlenden Artenvielfalt erfordern würde", sagte Foote. "Diese Diskrepanz ist so groß, daß es unserer Meinung nach schwierig – wenn nicht gar unmöglich wäre – die These aufrechtzuerhalten, nach der fossile Funde von mehr als 65 Millionen Jahren Evolution der Plazentatiere fehlen. Dieses Ergebnis stellt die Verwendung einer strengen molekularen Uhr zur Datierung des Ursprungs wichtiger biologischer Gruppen in Frage."

Anlaß für die Studie war ein Artikel, der am 30. April 1998 in Nature veröffentlicht wurde. Die Autoren dieses Artikels, Sudhir Kumar und S. Blair Hedges von der Pennsylvania State University stellten die These auf, daß verschiedene Gruppen von Pflanzen und Tieren – darunter auch die Plazentatiere – eine lange Evolutionsgeschichte hinter sich haben müssen, die in fossilen Funden einfach nicht nachzuweisen ist. Sie nehmen dabei an, daß genetische Veränderungen im Laufe der Entwicklung stets in etwa mit der gleichen Häufigkeit auftraten. Diese Rate nutzten die Forscher als "molekulare Uhr". Aus der Anzahl der genetischen Unterschiede zwischen zwei beliebigen Arten sollte darum ersichtlich sein, vor wie langer Zeit sich die Wege ihrer Vorfahren getrennt haben.

Aus Fossilfunden ist bekannt, daß ständig neue Arten entstehen und aussterben, wobei immer nur wenige einen bestimmten Zeitraum überleben. Wenn das der Fall ist, sagte Foote, "müßten noch viel mehr Arten nicht konserviert worden sein, damit die Hypothese der fehlenden Zeit plausibel erscheint." Und es ist nicht nur die Anzahl der Spezies, die eine Rolle spielt, sondern auch ihre Lebensdauer auf der Erde. "Je länger sie lebte, desto mehr Gelegenheiten hätte es für ihre Fossilisierung gegeben."

Zur weiteren Überprüfung sammelten John Hunter vom New York College of Osteopathic Medicine und Christine Janis von der Brown University alle verfügbaren Daten über Fossilfunde von Säugetieren aus der Kreidezeit. Versteinerungen von Plazentatieren liegen aus diesem Abschnitt der Erdgeschichte allerdings nicht vor. Die Forscher bestimmten anhand des Materials die Qualität der Dokumentation durch Fossilien und die Überlebensdauer der Säugetierarten. Sie fanden zwischen 225 und 460 Arten von Säugetieren. Der große Unterschied entsteht durch Funde, die schwer einzuordnen sind. Die Zahlen sind auf jeden Fall deutlich, meint der Geophysiker Jack Sepkoski von der University of Chicago. Aus ihnen geht hervor, daß die Aufzeichnung der Evolution durch Fossilien viel besser ist, als einige Molekularbiologen und Paläontologen angenommen haben.

"Wir versuchen nur, die ganze Sache deutlicher und nachprüfbarer zu machen", meinte Foote. "Wir dachten, der richtige Zugang wäre zu fragen: Was müßten die fossilen Daten aussagen, um die eine oder andere Hypothese zu unterstützen? Und was sagen die Daten tatsächlich aus?" erläutert er. "Hätte das Ergebnis anders gelautet, wäre unsere Schußfolgerung gewesen: Ja, es ist sehr gut möglich, daß 65 Millionen Jahre in der Geschichte der Säugetiere fehlen. Das hätte mich vollauf befriedigt."

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