News: Ein viraler blinder Passagier
In den letzten Jahren haben Eckart Meese und Jens Mayer von der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes sowie einige andere Arbeitsgruppen allerdings einige funktionsfähige retrovirale Gene gefunden, die zur sogenannten HERV-K-Gruppe gehören. Ein weiteres Team konnte sogar zeigen, daß virale HERV-K-Partikel in den Zellen von Hodentumoren vorkommen. Es sieht sogar so aus, als steigerten manche retroviralen Gene ihre Aktivität, bevor das Gewebe Krebs entwickelt hat.
Meese und Mayer suchten also nach der vollständigen Vorform eines Retrovirus, dem sogenannten Provirus. Sie begannen mit einer Analyse des Chromosoms 7, von dem bekannt ist, daß es retrovirale Gene aufweist. Dabei stießen sie auf die Gene gag und env. Die beiden befanden sich in Gesellschaft zweier weiterer Gene, und alle vier zusammen waren von speziellen DNA-Abschnitten flankiert, die als long terminal repeats bezeichnet werden. Diese Konstruktion bildete einen vollständigen Minimalsatz an Erbgut, um ein komplettes Retrovirus zu produzieren (Nature Genetics vom März 1999).
Das Gen für das Enzym Reverse Transkriptase war jedoch mutiert, weshalb der Provirus nicht aktiv werden kann. Die Reverse Transkriptase ist nämlich nötig, um nach dem Vorbild der RNA des Virus eine DNA zu synthetisieren, die dann als Provirus in das Wirtsgenom eingebaut werden kann. In den menschlichen Chromosomen gibt es allerdings in anderen Abschnitten durchaus intakte Gene für das Enzym. Es ist also denkbar, daß das Virus sich deren Aktivität für die eigene Vermehrung ausleiht. Wenn die neuen Proviren sich dann an ungünstigen Stellen in die menschliche DNA einbauen, könnten sie dadurch Krebs auslösen.
Ob der "blinde Passagier" in unseren Chromosomen tatsächlich Krebs verursachen kann, muß aber erst noch überprüft werden. Zumindest haben die Forscher seinen Name jetzt auf die schwarze Liste gesetzt und sind entschlossen, ihm auch seine übrigen Geheimnisse abzuringen.
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