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News: Im Dunkeln wird die Welt langsamer

Nachts sind wir Menschen nahezu blind. Wir nehmen Kontraste schlecht wahr und lösen kleine Objekte nicht mehr auf. Bei Farben versagt unser Auge völlig. Tübinger Mediziner haben nun herausgefunden, daß auch Bewegung im Dunkeln anders wahrgenommen wird. Eine für Autofahrer lebenswichtige Erkenntnis.
Licht, das unser Auge erreicht, wird in der Netzhaut (Retina) in für das Gehirn verständliche Signale umgewandelt. Die geschieht mittels zweier Gruppen von Photorezeptoren: den Stäbchen und Zäpfchen. In der Netzhaut des menschlichen Auges befinden sich etwa 110 Millionen Stäbchen, die vornehmlich für das Hell-Dunkel-Sehen zuständig sind. Die sechs Millionen Zäpfchen sorgen für das Farbsehen. An der Stelle des schärfsten Sehen – dort wo die Sehachse auf die Netzhaut fällt – befinden sich ausschließlich die weniger lichtempfindlichen Zäpfchen. Bei Dämmerung sind wir auf die eher in den Randbezirken der Netzhaut angesiedelten Stäbchen angewiesen. Aus diesem Grund ist unsere Farbempfindlichkeit bei Dunkelheit viel schlechter – aber auch unsere Wahrnehmung von Bewegung verändert sich.

Dies fanden drei Wissenschaftler aus Tübingen heraus. Karl. R. Gegenfurtner vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik sowie Helmut Mayser und Lindsay T. Sharpe von der Augenklinik Tübingen veröffentlichten nun ihre Ergebnisse zum Bewegungssehen in Nature vom 8. April 1999. In ihren Studien haben sie festgestellt, daß die Geschwindigkeit eines Objektes, das ein Mensch bei Dämmerung und Nacht über die Stäbchen wahrnimmt, um dreißig Prozent geringer eingeschätzt wird, als wenn die Wahrnehmung bei ausreichender Helligkeit über die Zäpfchen erfolgt. Bei Dunkelheit bewegen sich in unserer Wahrnehmung Objekte also langsamer als im Hellen.

Mit entscheidenen Konsequenzen – ob nun für den Fußballspieler in einem schlecht ausgeleuchteten Stadion, für einen Hubschrauberpiloten oder einen Autofahrer. Im Autoverkehr bei Nacht muß ständig zwischen der Wahrnehmung über Zäpfchen und Stäbchen gewechselt werden. Ein sich bewegendes Auto wird zunächst in einem Randbezirk der Netzhaut wahrgenommen und in seiner Geschwindigkeit unterschätzt. Im Bereich des Scheinwerferkegels funktionieren die Zäpfchen wieder und das beobachtete Auto erscheint schneller – mit möglicherweise fatalen Folgen.

Bisher können Augenärzte das Bewegungssehen noch nicht testen, es wird auch nicht bei Führerscheinstellen und anderen mit Verkehrsmedizin befaßten Stellen untersucht. Die Tübinger Wissenschaftler wollen die Wahrnehmung von Bewegung nun noch genauer betrachten – mittels Computer-generierter Szenen.

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