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News: Es geschieht am hellichten Tag

Die Wechselwirkung zwischen Sonnenwind und Erdmagnetfeld erzeugt die bekannten und bizarr schönen Polarlichter meist zur mitternächtlichen Zeiten. Aber auch am Tage ruht die himmlische Light-Show keineswegs. Bislang unbemerkt von menschlichen Augen konnte diese jetzt erstmals von NASA- Sonden beobachtet werden. Die Ursache für die im Sonnenlicht unsichtbaren 'Tagespolarlichter': geladene Teilchen, die aus der Sonnenkorona stammen und mit Höchstgeschwindigkeiten das Erdmagnetfeld bombardieren.
Die bekannte Form des Polarlichtes (Aurora) wird in einem Prozeß gebildet, der mit der Deformierung des Erdmagnetfeldes durch den Sonnenwind beginnt. Dieser Sonnenwind – ein dünnes Plasma von Protonen und Elektronen – drückt das Erdmagnetfeld zur Form eines Kometenschweifes zusammen, das heißt zur sonnenabgewandten Seite der Erde wird die Magnetosphäre zu einem langem Schweif ausgezogen, während der sonnenzugewandte Teil gestaucht wird und sich bis zu einem Abstand von etwa zehn Erdradien zwischen Erde und Sonne erstreckt. An der Grenze der Magnetosphäre – der sogenannten Magnetopause – bilden die Magnetfeldlinien von Sonne und Erde ein "Verbundfeld". Die Bewegung elektrisch geladener Teilchen in diesem Verbundfeld ist der Bewegung eines Leiters in einem Magnetfeld, wie man es vom Generator her kennt, vergleichbar. Komplizierte, bislang noch nicht völlig verstandene Entladungsprozesse führen dann zu den bekannten band- oder vorhangartigen Leuchterscheinungen, indem Elektronen mit den Atomen und Molekülen in der Atmosphäre kollidieren, wobei Licht emittiert wird.

Die neu entdeckten Polarlichter treten ebenfalls in Gebieten mit geringer geographischer Breite auf. Im Gegensatz zum vertrauten Nord- und Südlicht erscheinen sie jedoch genau zur Mittagsstunde, in einer Zeit, in der sie üblicherweise vom Sonnenlicht überstrahlt werden. Dieser Umstand erklärt, warum diese Tagespolarlichter bislang von niemanden auf der Erde gesehen wurden. Außerdem bewegen sie sich mit wesentlich höheren Geschwindigkeiten und in umgekehrter Richtung.

Entdeckt wurden die Leuchterscheinungen schließlich vom von der NASA-Wind-Sonde, die ursprünglich genutzt wurde, um den sich der Erde nähernde Sonnenwind zu beobachten. Wissenschaftler wollten dabei herausfinden, wie sich beonders heftige "Zusammenstöße" des Sonnenwindes mit dem Erdmagnetfeld auswirken und waren überrascht, als sie entdeckten, daß sie ungewöhnliche und schnelle Polarlichter erzeugten. Die Instrumente der Polar-Sonde bestätigten deren Existenz bei einem Dutzend Erscheinungen. Diese letzten Erkenntnisse über die Polarlichter beruhen auf den in den vergangenen zwei Jahren gesammelten Daten.

"Das ganze wirft ein neues Licht auf die Art und Weise, wie die ungestümen Aktivitäten der Sonne uns hier auf der Erde beeinflussen", sagt Bruce Tsurutani vom Jet Propulsion Laboratory, der an den Forschungen mit der Polar-Kamera beteiligt war. Ursache der Tagespolarlichter sind sogenannte koronale Massenauswürfe, Wolken elektrisch geladener Teilchen, die mit riesiger Wucht von der Sonne weggeschleudert werden und mit einer Geschwindigkeit zwischen ein und zwei Millionen Kilometer pro Stunde – das entspricht etwa der 2000fachen Schallgeschwindigkeit – auf das Erdmagnetfeld prallen. Dabei werden Schockwellen erzeugt, die sich in das Magnetfeld der Erde "bohren". Dieser Vorgang ist etwa mit einem Flugzeug vergleichbar, das die Schallmauer durchbricht und eine Stoßwelle auslöst, die wir als Überschallknall hören. Dem Überschnallknall entspricht bei den neuentdeckten Polarlichtern ein buntes Farbenspiel.

Jetzt, da die Wissenschaftler diese neue Polarlichtform wahrgenommen haben, hoffen sie, daß Fachleute wie Amateure im Winter an geeigneten Orten nach dem Phänomen Ausschau halten. Etwa im norwegischen Spitzbergen, wo während der Polarnacht auch zur Mittagszeit Dunkelheit herrscht. "Wir sind gespannt darauf zu erfahren, wie diese neuen Polarlichter von der Erde aussehen", so Tsurutani. Wesentlich mehr wird man über die koronalen Massenauswürfe und ihre Auswirkungen lernen können, wenn die geplante Nasa-Sonde Solar Probe so nah an der Sonne vorbeifliegt wie noch nie eine Sonde zuvor. Ihr Start ist für 2007 geplant und sie soll sich im Jahre 2010 bis auf eine Entfernung von anderthalb Sonnendurchmessern der Sonne nähern. Dabei muß Solar Probe eine Temperatur von über 2000 Grad Celsius aushalten.

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