News: Der Kern eines Weißen Zwerges
Solche Beobachtungen sind inzwischen durchgeführt worden, und zwar mit den amerikanischen Satellitenteleskopen Extreme Ultraviolet Explorer und Hopkins Ultraviolet Telescope sowie mit dem deutschen Röntgensatelliten ROSAT. Die erstaunlichen Ergebnisse wurden jetzt von der Arbeitsgruppe um Klaus Werner von der Universität Tübingen vorgelegt. Bei H1504+65 handelt es sich einem ausgebrannten Stern, einen sogenannten Weißen Zwerg. Was dieses Objekt jedoch zu einem Unikum macht, ist seine chemische Zusammensetzung. Während üblicherweise Wasserstoff und Helium als häufigste Elemente vorgefunden werden, sind diese Elemente in H1504+65 überhaupt nicht vorhanden. Stattdessen finden sich hauptsächlich Kohlenstoff und Sauerstoff. Die Theorie sagt eine solche Elementzusammensetzung lediglich im inneren Kern von Weißen Zwergen voraus, allerdings tief verborgen unter einer undurchsichtigen Wasserstoff-Helium-Hülle.
Unter dieser Hülle bilden Kohlenstoff und Sauerstoff sozusagen die nukleare "Asche", die bei der Kernfusion von Wasserstoff und Helium entsteht. Aus einem bisher unbekannten Grund fehlt diese Hülle bei H1504+65, so daß hier die einzigartige Möglichkeit besteht, in das Innere eines stellaren Fusionsreaktors zu schauen. Allerdings ist dieser Reaktor nicht mehr aktiv, er ist – nach astronomischen Zeitmaßstäben – erst vor kurzer Zeit mangels Brennstoff verloschen. Das ist vermutlich erst vor wenigen hundert Jahren geschehen, denn was wir heute sehen, ist der noch heiße, nukleare "Abfall" von Fusionsprozessen, durch die der Stern viele Millionen Jahre lang seine Helligkeit unterhalten hat. Daß diese Sicht richtig ist, wurde durch Beobachtungen am größten optischen Teleskop der Welt – dem amerikanischen 10-Meter-Keck-Teleskop auf dem Mauna Kea auf Hawaii – bestätigt. Damit gelang die schwierige Identifikation von Neon, einem weiteren aber weniger häufigen Abfallprodukt der Heliumfusion. Daß dem Stern seine Hülle abhanden gekommen ist, ist mit bisher sicher geglaubten Theorien der Sternentwicklung nicht erklärbar.
Für die Astrophysiker ist die genaue Untersuchung der chemischen Zusammensetzung dieser kohlenstoff- und sauerstoffhaltigen "Asche" von großer Wichtigkeit. Letztendlich werden praktisch alle chemischen Elemente aus Wasserstoff und Helium im Inneren von Sternen erzeugt, nicht zuletzt besteht unsere Erde mit allem was sich auf ihr bewegt aus solchen schweren Elementen, die vor Jahrmilliarden entstanden und durch gewaltige Sternexplosionen in den Weltraum geschleudert wurden. Gerade am Beginn der Kette solcher Kernreaktionen gibt es eine bisher kaum geklärte Frage, nämlich mit welcher Geschwindigkeit die Fusion von Helium zu Kohlenstoff und Sauerstoff erfolgt. Diese Geschwindigkeit geht entscheidend in Theorien der Sternentwicklung und der Entwicklung von Galaxien als Ganzes ein. Sie läßt sich wegen der extremen Zustände nicht im Labor messen und auch theoretische Kernphysiker stehen hier vor großen Problemen. Das Häufigkeitsverhältnis von Kohlenstoff und Sauerstoff in der "Asche" dieser Fusionsprozesse läßt nun aber ziemlich genaue Rückschlüsse auf die gesuchte Reaktionsgeschwindigkeit zu. Damit bietet im vorliegenden Fall von H1504+65 die Natur die einzigartige Möglichkeit in dieser Frage, durch den freigelegten Aschenkern eines Sterns weiterzukommen. Die Häufigkeitsanalyse der Tübinger Wissenschaftler deutet auf eine überraschend hohe Reaktionsgeschwindigkeit hin.
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