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News: Wie Du mir, so ich Dir

Fisch oder Fleisch, Teilchen oder Welle, eher beides ein bißchen und eigentlich irgendwie dazwischen - es ist wirklich nicht so einfach zu beschreiben, was Licht ist. Und zu allem Überdruß gilt das gleiche auch für Materie. Da Licht und Materie aufgrund ihrer gemeinsamen Eigenschaften gut miteinander wechselwirken, benutzen Wissenschaftler gerne elektromagnetische Wellen, um Informationen über ihre stofflichen Versuchsobjekte zu bekommen. So ermitteln sie die atomare Struktur von Kristallen häufig mit Hilfe von Röntgenstrahlung. Eine Gruppe von österreichischen Physikern hat nun gezeigt, daß es auch anders herum geht: Sie beschossen einen 'Lichtkristall' mit einem Atomstrahl und erhielten ein typisches Verteilungsmuster der Intensität, in welchem die wichtigsten Charakterzüge des 'Kristalls' verborgen sind.
Ein Kristall ist allgemein gesprochen eine regelmäßige Anordnung von Objekten. Normalerweise handelt es sich dabei um Atome oder Moleküle, die sich nach einem typischen Muster zusammenlagern, bis sie mitunter sogar für das bloße Auge sichtbar werden. Für die Zusammensetzung und die geometrische Anordnung der Bausteine verschiedener Kristalle besteht ein weiter Spielraum. Er reicht vom recht einfachen Diamant, der nur aus Kohlenstoffatomen besteht, die jeweils in den Spitzen eines gedachten Tetraeders sitzen, über das Kochsalz mit Natrium- und Chloridionen, welche sich auf den Eckplätzen eines Würfels abwechseln, bis zum Protein aus tausenden Atomen unterschiedlicher Elemente in einer komplizierten räumlichen Lage zueinander. Mit dem Wissen über die genaue Zusammensetzung und Verteilung der Bausteine können Wissenschaftler auf die Eigenschaften einer Substanz schließen, weshalb die unterschiedlichen Methoden zur Strukturaufklärung von großem Interesse für die einzelnen Disziplinen sind.

Ein sehr erfolgreiches Verfahren ist die Analyse mit Röntgenlicht. Dabei wird ein Röntgenstrahl auf die Probe gerichtet, der durch Wechselwirkungen mit den Atomen oder Molekülen auf bestimmte Weise abgelenkt wird. Da die einzelnen Teilstrahlen unterschiedliche Wege zurückgelegt haben, die verschieden lang waren, löschen sie sich teilweise aus oder verstärken sich gegenseitig. Diese Interferenz verursacht auf dem Detektor hinter der Probe ein typisches Muster von Bereichen großer oder geringer Intensität, aus dem auf die Position der Atome geschlossen werden kann.

Doch nicht nur Licht benimmt sich manchmal wie eine Welle und kann darum Interferenzmuster ausbilden, sondern auch Materie hat Wellencharakter. Darum konnte die Arbeitsgruppe um Anton Zeilinger von der Universität Innsbruck einmal die Rollen in dem Experiment vertauschen: Die Forscher beschossen einen "Kristall" aus Licht mit einem Atomstrahl aus dem Edelgas Argon (Physical Review A vom Juli 1999, Abstract).

Ihren "Lichtkristall" erschufen sie mit einem Laser, dessen Licht an einem Goldspiegel reflektiert wurde. Durch geschickte Wahl der Bedingungen bildete sich eine stehende Lichtwelle aus: eine gleichmäßige Abfolge heller und dunkler Bereiche. Diese Maxima und Minima der Intensität entsprechen den Atomen bzw. den Zwischenräumen in einem üblichen Kristall aus Materie.

Bereits 1996 konnte Zeilingers Gruppe demonstrieren, daß solch ein "Lichtkristall" Atomstrahlen, die durch ihn hindurchtreten, beeinflussen kann. Die Intensitätsverteilung hinter der Probe in den neuen Experimenten macht die direkte Analogie zur sogenannten Bragg-Streuung von Röntgenstrahlen an Materiekristallen noch deutlicher. Und wie bei den Strukturanalysen mit Röntgenlicht läßt sich aus dem Interferenzmuster die Anordnung der Streuzentren im "Lichtkristall" schlußfolgern.

Von den Verläufen und Ergebnissen ihrer Experimente erhoffen sich die Forscher neue Einsichten in die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie. Besonders attraktiv an den "Lichtkristallen" erscheint ihnen, daß sie durch Kombination verschiedener stehender Wellen Kristalltypen erschaffen können, die aus der Natur nicht bekannt sind. Eine Menge brandneuer Steinchen im Baukasten der Kristallographen.

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