News: Wie Du mir, so ich Dir
Ein sehr erfolgreiches Verfahren ist die Analyse mit Röntgenlicht. Dabei wird ein Röntgenstrahl auf die Probe gerichtet, der durch Wechselwirkungen mit den Atomen oder Molekülen auf bestimmte Weise abgelenkt wird. Da die einzelnen Teilstrahlen unterschiedliche Wege zurückgelegt haben, die verschieden lang waren, löschen sie sich teilweise aus oder verstärken sich gegenseitig. Diese Interferenz verursacht auf dem Detektor hinter der Probe ein typisches Muster von Bereichen großer oder geringer Intensität, aus dem auf die Position der Atome geschlossen werden kann.
Doch nicht nur Licht benimmt sich manchmal wie eine Welle und kann darum Interferenzmuster ausbilden, sondern auch Materie hat Wellencharakter. Darum konnte die Arbeitsgruppe um Anton Zeilinger von der Universität Innsbruck einmal die Rollen in dem Experiment vertauschen: Die Forscher beschossen einen "Kristall" aus Licht mit einem Atomstrahl aus dem Edelgas Argon (Physical Review A vom Juli 1999, Abstract).
Ihren "Lichtkristall" erschufen sie mit einem Laser, dessen Licht an einem Goldspiegel reflektiert wurde. Durch geschickte Wahl der Bedingungen bildete sich eine stehende Lichtwelle aus: eine gleichmäßige Abfolge heller und dunkler Bereiche. Diese Maxima und Minima der Intensität entsprechen den Atomen bzw. den Zwischenräumen in einem üblichen Kristall aus Materie.
Bereits 1996 konnte Zeilingers Gruppe demonstrieren, daß solch ein "Lichtkristall" Atomstrahlen, die durch ihn hindurchtreten, beeinflussen kann. Die Intensitätsverteilung hinter der Probe in den neuen Experimenten macht die direkte Analogie zur sogenannten Bragg-Streuung von Röntgenstrahlen an Materiekristallen noch deutlicher. Und wie bei den Strukturanalysen mit Röntgenlicht läßt sich aus dem Interferenzmuster die Anordnung der Streuzentren im "Lichtkristall" schlußfolgern.
Von den Verläufen und Ergebnissen ihrer Experimente erhoffen sich die Forscher neue Einsichten in die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie. Besonders attraktiv an den "Lichtkristallen" erscheint ihnen, daß sie durch Kombination verschiedener stehender Wellen Kristalltypen erschaffen können, die aus der Natur nicht bekannt sind. Eine Menge brandneuer Steinchen im Baukasten der Kristallographen.
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