News: Mystische Schwingungen zur Sonnenfinsternis
In den vergangenen Jahren versuchten weltweit Wissenschaftler die Versuche zu bestätigen, einerseits mit Pendeln, aber auch mit präzisen Gravimetern. Während in Boston 1970 und in Indien 1995 tatsächlich gravitative Effekte gemessen wurden, widersprachen die Ergebnisse in Schottland und Italien 1954 und 1965 sowie Finnland 1990 den Beobachtungen der Kollegen. Aus Mexiko jedoch konnte das Team, das in Finnland noch zu einem klaren "Nein" tendierte, 1991 immerhin ein "Vielleicht" melden.
Da eine totale Sonnenfinsternis nur ein sehr kurzes und seltenes Ereignis ist, sind wiederholte Messungen nur eingeschränkt möglich. Deshalb können auch andere Effekte wie Temperaturschwankungen, die eine Sonnenfinsternis begleiten, oder seismische Störungen als eigentliche Ursachen kaum ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund hat die NASA anläßlich der diesjährigen Eklipse eine weltweite Versuchsstaffel initiiert: In elf Städten verteilt über vier Kontinente haben Forscher foucaultsche Pendel beobachtet oder mit präzisen Gravimetern Schwankungen in der Erdanziehung gemessen.
Zwei Stationen haben bereits erste Vorab-Ergebnisse veröffentlicht: Die Wissenschaftler der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik auf der Hohen Warte in Wien bestätigen Allais Messungen: Normalerweise dreht sich das Pendel mit dem Uhrzeigersinn um etwa elf Grad pro Stunde. "... in der Stunde vor der Sonnenfinsternis ging das Pendel um ganze zehn Grad vor", berichten die Wiener. Demnach hat sich die Schwingungsebene in dieser Zeit fast doppelt so schnell gedreht wie sonst. Demgegenüber meldet Holger Kersten, Leiter der Universitätssternwarte Greifswald, daß die Messungen in Greifswald zwar noch nicht ganz ausgewertet seien, aber bislang keine Unregelmäßigkeiten außerhalb der Meßgenauigkeit zu beobachten waren.
Nun heißt es abwarten. Bevor das Marshall Space and Flight Center die Ergebnisse gänzlich auswerten kann, müssen die Experimente noch einmal bei Vollmond in zwei Wochen durchgeführt werden, wenn Sonne, Erde und Mond wieder in einer Linie stehen. Wenn sich Allais Messungen bestätigen, sind die Theoretiker gefragt. Nach den gängigen Modellen ist nämlich keinesfalls klar, warum die Phänomene nicht in ähnlicher Form auch bei Neumond auftreten, wenn die Konstellation der Himmelskörper fast ähnlich ist. Bleibt es jedoch bei einem entschiedenen "Vielleicht", liegt es an den Experimentalphysikern herauszufinden, welche Nebeneffekte zumindest an einigen Orten deutliche Schwankungen verursacht haben.
Die Sonnenfinsternis gibt also weiterhin Rätsel auf. Und während sich Finsternis-Touristen auf einen Urlaub 2001 in Kapstadt freuen, erforschen die Wissenschaftler ihre Mystik.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 23.6.1999
"Sonnenfinsternis soll Foucault-Pendel beschwingen"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Brennpunkt-Thema August 1999
"Die Sonnenfinsternis 1999"
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