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News: Auf Schleichwegen ins Gehirn

Die Blut-Hirn-Schranke schützt das Gehirn normalerweise sehr wirkungsvoll vor dem Eindringen von toxischen Stoffen aus dem Blut. Forscher haben jetzt jedoch bei Fischen erste Beweise gefunden, daß Quecksilber diese Schranke umgehen kann, indem es nach der Aufnahme durch Sinnesrezeptoren über Nervenbahnen ins Gehirn transportiert wird. Ein ähnlicher Transport von anderen Metallen wurde bereits bei einigen Säugetieren nachgewiesen und kann daher womöglich auch beim Menschen auftreten.
Die Wissenschaftler vom Maurice Lamontagne Institute in Kanada und der Swedish University of Agricultural Sciences in Uppsala untersuchten Bachforellen und Regenbogenforellen – zwei der beliebtesten Arten bei Anglern und Fischessern. Die Ergebnisse der Studie werden am 1. Oktober 1999 in Environmental Science and Technology veröffentlicht.

Die Forscher entdeckten, daß in See- und Flußwasser gelöstes Quecksilber über wasserexponierte Sinnesrezeptoren in die Nerven eindringen kann. Über die Nervenbahnen kann es ins Gehirn transportiert werden. Damit umgeht es die Blut-Hirn-Schranke, welche viele Stoffe – darunter auch Toxine – daran hindert, aus den Blutgefäßen in die Gehirnflüssigkeit überzutreten.

Gelöstes Quecksilber wird von Fischen gewöhnlich über die Kiemen aufgenommen und über das im Körper zirkulierende Blut verteilt. In den meisten Fällen reichert sich nur wenig Quecksilber im Gehirn an, da es durch die Blut-Hirn-Schranke geschützt ist. Das angereicherte Quecksilber konzentriert sich aber an Stellen, die mit primären sensorischen Nerven verbunden und damit für die Funktion des Nervensystems besonders wichtig sind.

"In Anbetracht der Wichtigkeit komplexen Verhaltens im Leben von Fischen und den genau bekannten gesundheitsschädlichen Auswirkungen von Quecksilber auf das Nervensystem muß die toxikologische Bedeutung dieses Aufnahmeweges untersucht werden," sagte Dr. Claude Rouleau, Wissenschaftler am Environment Canada's National Water Research Institute und leitender Forscher der Studie. "Die Akkumulation von Quecksilber oder anderer toxischer Chemikalien im Gehirn über wasserexponierte Nervenenden könnte zu einer Veränderung der Funktionen führen und das Überleben der Fische gefährden. Wir glauben, daß die Aufnahme von Metallen wie Quecksilber und der folgende Transport entlang sensorischer Nerven ein Prozeß ist, der bei allen Fischspezies stattfindet. In dieser Hinsicht ist es möglich, daß andere Toxine (wie Pestizide) ebenfalls auf diese Weise in die Gehirne von Fischen gelangen könnten. Das ist ein Thema, das weiter untersucht werden muß."

Nach Rouleau liegt die Gefahr für den Menschen nicht in den Quecksilberanreichungen im Gehirn der Fische, da Menschen selten Fischhirn verzehren. Er gibt aber zu bedenken, daß womöglich auch die menschlichen Nervenbahnen Quecksilber transportieren können. Frühere Forschungen haben gezeigt, daß Mangan, Kadmium und Quecksilber über die Nasenschleimhaut von Nagetieren aufgenommen werden und über den Riechnerv in das Gehirn transportiert werden können.

Das akkumulierte Quecksilber wurde durch Ganzkörper-Autoradiographie lokalisiert, eine Methode, die auch in der Pharmaindustrie eingesetzt wird, um festzustellen, wie sich Medikamente im Körper verteilen. Die Fische wurden radioaktivem Quecksilber ausgesetzt, eingefroren und dann in dünne Scheiben geschnitten. Die Scheiben wurden durch einen Röntgenfilm unterschiedlich lange belichtet – von ein paar Wochen bis zu einigen Monaten. Der Film schwärzte sich nur in Bereichen, in denen das radioaktive Metall vorhanden war. Mit dieser Methode können besonders gut zarte Organe oder Gewebe wie zum Beispiel Gehirne untersucht werden.

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