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News: Gene, Affen und Verwandtschaft

Mit rasanter Geschwindigkeit erfassen und vergleichen Wissenschaftler das menschliche Genom und seine Variabilität. Ähnliche Untersuchungen bei Schimpansen, unseren nächsten lebenden Verwandten, hinken noch weit hinterher. Eine Gruppe deutscher Wissenschaftler hat nun festgestellt, daß die Tiere genetisch sehr viel unterschiedlicher sind als die Menschen. Gemessen an der Variabilität ihrer Kern-DNA sind die verschiedenen Schimpansengruppen in unterschiedlichen Regionen Afrikas jedoch näher miteinander verwandt, als bislang angenommen wurde.
Die meisten Informationen zur genetischen Beziehung der Schimpansen stammen aus Untersuchungen an der DNA von Mitochondrien (mtDNA). Sie besteht seperat von der DNA im Zellkern und wird ausschließlich über die mütterliche Linie vererbt. Svante Pääbo, Hendrik Kaessmann und Victor Wiebe vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig wählten für ihre Untersuchungen dagegen eine Sequenz aus dem Zellkern, die sich möglichst ideal zur Beantwortung evolutionärer Fragen eignen sollte. Dazu entschieden sie sich für den Abschnitt Xq13.3 aus dem X-Chromosom, der für den Menschen schon gründlich untersucht ist, keine Proteine kodiert und eine niedrige Mutations- und Rekombinationsrate aufweist. Das DNA-Fragment isolierten sie aus dem Blut von Bonobos und drei geographisch getrennt lebenden Schimpansen-Unterarten aus Ost-, Zentral- und Westafrika (Science vom 5. November 1999).

Die Forscher stellten fest, daß die Sequenz Xq13.3 der Schimpansen fast viermal so variabel und dreimal so alt ist wie beim Menschen. "Die Ergebnisse zeigen eine in auffälligem Maße niedrigere Variation beim Menschen als beim Schimpansen", sagt Pääbo. "Die einfachste Erklärung dafür ist eine geringe Anzahl von Menschen vor relativ kurzer Zeit. Vom genetischen Standpunkt aus betrachtet könnte dieser Zeitpunkt den Ursprung des modernen Menschen darstellen." Diese Ergebnisse bestätigen zahlreiche andere Studien, die ebenfalls eine geringe Diversität beim Menschen festgestellt haben.

Bei Schimpansen war die genetische Breite hingegen viel größer. Die größte Variation haben Pääbo und seine Mitarbeiter bei den zentralafrikanischen, die kleinste Variation bei den westafrikanischen Schimpansen nachgewiesen. Dies steht allerdings im Widerspruch zu den Studien an mtDNA. Hierbei wurde die größte Variabilität bei den westafrikanischen Schimpansen gefunden. Ein weiterer Unterschied zwischen den Analysen von mitochondrieller und Zellkern-DNA zeigte sich bei der Erstellung eines evolutionären Stammbaums für die Proben. Die mitochondriellen Studien legen nahe, daß die west-, zentral- und ostafrikanischen Schimpansen in diskrete Gruppen unterteilt sind. Aus dem Stammbaum der Xq13.3-Sequenz geht allerdings eine starke Vermischung der geographischen Unterarten hervor. Ähnliches gilt für die Beziehung zwischen Schimpanse und Bonobo. Der evolutionäre Stammbaum zeigt eine engere Beziehung zwischen den beiden Arten, als bisher angenommen wurde. Tatsächlich unterschieden sich einige häufige Unterarten von Schimpansen genetisch mehr untereinander als vom Bonobo.

Nach Auffassung der Wissenschaftler könnte dieser scheinbare Widerspruch durch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten zustande gekommen sein, mit welcher sich die geographische Separation in der DNA zeigt. Da sich Änderungen der mitochondriellen DNA nur durch die mütterliche Seite und die Zellkern-DNA durch beide Seiten ausbreiten, dauert es länger, bis Untergruppen in der Kern-DNA deutlich werden. Hinzu kommt, daß die Mutationsrate in der mitochondiellen DNA deutlich höher ist. Für die Schimpansen würde das bedeuten, daß die Gruppen zwar lange genug getrennt waren, um in der mtDNA unterscheidbar zu sein, aber noch nicht so lang, daß der Vorgang schon bei den Genen des Zellkerns stattgefunden hat. Schimpanse und Bonobo hätten demnach auch erst vor relativ kurzer Zeit verschiedene Evolutionsrichtungen eingeschlagen.

Aufgrund der hohen genetischen Vermischung unter den Schimpansengruppen halten es die Wissenschaftler für unwahrscheinlich, daß kulturelle Unterschiede zwischen Schimpansenpopulationen auf verhaltensbestimmende Gene zurückzuführen sind. "Vielmehr sind diese Differenzen das Ergebnis einer kulturellen Evolution, also die Übertragung erlernten Verhaltens von einer Generation auf die andere", meint Pääbo. Damit würde die Schimpansenkultur ähnlich wie die menschliche Kultur funktionieren. Die niedrige Variabilität beim Menschen im Gegensatz zu Schimpansengruppen zeigt nach Kaessmann, "daß der Mensch als Art insofern einzigartig ist, als das wir alle extrem eng miteinander verwandt sind – weitaus mehr als unsere nächsten lebenden Verwandten."

In einem nächsten Schritt untersuchen die Wissenschaftler die Xq13.3-Sequenz auch von anderen Primaten. Und es sieht so aus, als sei zum Beispiel beim Orang-Utan die Variabilität noch größer als beim Schimpansen. Mit dem ganzen Tierreich im Blickfeld rutschen wir Menschen also immer enger zusammen.

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