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News: Unfruchtbar durch Umweltgifte?

Die Spermienqualität, ein Garant für die Fortpflanzungsfähigkeit, ist in den letzten Jahren bei Männern in Deutschland deutlich gesunken. Bei der Spermienkonzentration ist in den vergangenen vier Jahrzehnten ein Rückgang von bis zu 70 Prozent zu verzeichnen. Auch Beschaffenheit und Beweglichkeit der Spermien haben sich verschlechtert. Zu diesem Ergebnis kommt ein neuer Bericht der Universität Oldenburg im Auftrag des WWF. Damit wird erstmals die Abnahme der Spermienqualität auch in Deutschland belegt, die Wissenschaftler in vielen Ländern Europas festgestellt haben.
An der Universität Oldenburg wurden die in Deutschland vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen zur Entwicklung der Spermienqualität aus Universitätskliniken in Berlin, Leipzig, Magdeburg und Hamburg analysiert. Dabei zeigte sich ein Rückgang der Spermienkonzentration um 70 Prozent in Hamburg, 47 Prozent in Magdeburg und 34 Prozent in Leipzig in Zeiträumen zwischen 1956 und 1996. Die Untersuchung in Magdeburg ergab zudem, daß bei knapp der Hälfte der Männer (45,5 Prozent) die Spermienkonzentration unterhalb der Fruchtbarkeitsgrenze der Weltgesundheitsorganisation von 20 Mio/ml lag. In Berlin ist nur eine schwache Abnahme der Spermienkonzentration zu verzeichnen, der Anteil der mißgebildeten Spermien hat sich allerdings deutlich erhöht.

Untersuchungen aus Skandinavien, Frankreich, Belgien und Schottland zeigen ebenfalls einen Rückgang der Spermienqualität. Gleichzeitig ist eine Zunahme von Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane zu beobachten: Krankheiten wie Hodenkrebs oder Hodenhochstand haben sich in Europa in den letzten 30-50 Jahren mehr als verdoppelt. Es ist bekannt, dass Industriechemikalien und Pestizide wie Hormone wirken können und Immunsystem und Fortpflanzungsfähigkeit von Tieren schädigen: So wurden bei Forellen Verweiblichungserscheinungen beobachtet, die durch bestimmte Industriechemikalien ausgelöst werden. Die Fruchtbarkeit von Vögeln wie dem Seeadler wurde durch Pestizide beeinträchtigt. "Es ist zu befürchten, daß auch bei Menschen neben Risikofaktoren wie Ernährungsgewohnheiten oder Streß Umweltgifte mitverantwortlich für die abnehmende Fruchtbarkeit und die Zunahme von Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane sein können", sagte Patricia Cameron, Chemieexpertin des WWF. "Heute trägt jeder Mensch in seinem Körper hunderte von synthetischen Substanzen mit sich. Gerade in der Zeit der Embryonal- und Kindesentwicklung ist der Körper äußerst empfindlich gegenüber hormonell wirksamen Substanzen."

Weit verbreitete hormonell wirkende Schadstoffe sind die Chemikalien Bisphenol A (in Plastikflaschen und Innenbeschichtungen von Blechdosen), einige Phthalate (Weichmacher für Plastik, wie zum Beispiel in Beißringen für Säuglinge), Alkylphenole (in Industriereinigern), Tributylzinn (in Schiffsanstrichen), Bromierte Flammschutzmittel (in Elektronikartikeln, Autoinnenausstattungen und Textilien) sowie viele Pestizide, die in der Landwirtschaft, im Garten und im Haushalt eingesetzt werden. Untersuchungen zeigen, dass bei Männern, die hohen Pestizidbelastungen ausgesetzt waren, eine abnehmende Fruchtbarkeit festzustellen ist.

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