News: Neue Waffe gegen widerspenstige Keime
Zusammen mit Kollegen aus den Niederlanden untersuchte Sahl eine altbekannte Substanz aus dieser Wirkstoffgruppe, das sogenannte Nisin, das selbst aus der weitverbreiteten Bakterienart der Lactokokken stammt. "Diese Einzeller, denen wir auch unseren Käse zu verdanken haben, produzieren Nisin natürlicherweise." Das Lantibiotikum Nisin tötet andere Bakterien ab oder hemmt zumindest ihr Wachstum im Käse und in anderen Lebensmitteln – quasi ein natürliches Konservierungsmittel. Daher lag die Schlussfolgerung zu seiner Nutzung nahe: "Weil man die Nisin-Konzentration, die die Lactokokken hinterlassen, nicht immer genau abschätzen kann, wurde das Molekül künstlich zugesetzt", berichtet der Wissenschaftler der Universität Bonn.
Als Medikament erwies sich der Käsebestandteil allerdings als ungeeignet: Der Stoff verteilte sich nicht ausreichend im Körper. Überdies versucht das Immunsystem selbst, den Eindringling zu neutralisieren. Trotzdem besitzt Nisin hervorragende Eigenschaften, denn verschiedensten Bakterien gelang es nicht, sich gegen das lantioninhaltige Protein zu schützen. Nisin verhindert einerseits – wie viele Antibiotika auch – den Aufbau der schützenden Zellwand bestimmter Bakterien. Bei bestehenden Bakterien reißt es überdies Löcher in die Membran, die Keime laufen schlicht aus.
Beide Wirkungsarten funktionieren über spezielle Rezeptoren der Zielorganismen: Nisin knackt gewissermaßen die Schlösser der gefährlichen Zellen – einen Schutz davor gibt es für die Keime nicht. Daher glauben die Forscher, ein Medikament gefunden zu haben, gegen das Krankheitserreger nicht resistent werden können. Weil Nisin selbst nicht als Arznei taugt, müssen Pharmakologen in jahrelanger Entwicklungsarbeit neue Wirkstoffe konstruieren, die auf den Nisin-Trick zurückgreifen. Bis dahin empfiehlt Hans Georg Sahl den sorgsamen Umgang mit herkömmlichen Antibiotika, um die Resistenzbildung so gering wie möglich zu halten. Dann könnten die lebenswichtigen Medikamente noch weit in das kommende Jahrtausend verwendet werden, bis die Lantibiotika ihren Platz einnehmen können.
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