News: Eine Fliege erobert die neue Welt
Die Taufliege D. subobscura hat sich in Europa nach der letzten Eiszeit, vor ungefähr 10 000 Jahren, ausgebreitet. In ihrer Heimat weist sie ein charakteristisches geographisches Muster auf: Je höher der Breitengrad, um so größer die Individuen. So sind die Flügel von dänischen Fliegen um vier Prozent länger als die der Spanischen Drosophila subobscura. Die Länge der Flügel wird häufig als Maß für die Körpergröße herangezogen, weil sie sich leicht messen läßt und mit der Körperlänge korreliert. Eine Gruppe Wissenschaftler von der University of Washington, der Clarkson University in New York und der University of Barcelona hat die eingewanderten Taufliegen untersucht und festgestellt, daß sie in Amerika ein ganz ähnliches Muster der Flügellängen aufweisen wie in Europa (Science vom 14. Januar 2000).
Um die evolutionären Veränderungen an der Fliege zu bestimmen, haben Raymond Huey und seine Kollegen 1997 Fliegen aus elf Regionen Nordamerikas und 1998 aus zehn Gebieten in Spanien, Frankreich, den Niederlanden und Dänemark gesammelt. Sie hielten fünf bis sechs Generationen dieser Fliegen in ähnlicher Umgebung und haben anschließend die Flügellängen der Tiere gemessen. Dabei stellte sich heraus, daß die Fliegen in Nordamerika in weniger als zwei Jahrzehnten ein sehr ähnliches Muster der Flügellängen entwickelt hatten wie die europäischen. Höherer Breitengrad bedeutete auch hier längere Flügel, also auch einen größeren Körper. Allerdings galt das stärker für weibliche als für männliche Fliegen. Weibliche Drosophilas aus dem Norden waren um vier Prozent größer als die aus Kalifornien, die männlichen waren nur ein bis zwei Prozent größer. Doch einen kleinen Unterschied gab es zwischen den Fliegen von den beiden Kontinenten: Unterschiedliche Teile des Flügels waren gewachsen. Die europäischen Fliegen haben einen längeren "Bizeps" bekommen, während sich bei den amerikanischen Verwandten die "Unterarme" verlängerten.
Huey meint, daß Forscher nur einmal eine ähnlich hohe Evolutionsgeschwindigkeit beobachtet hätten. Doch die sei durch Wetter-Veränderungen entstanden und betraf ein Tier in seiner natürlichen Umgebung: Finken auf den Galapagos-Inseln haben in Folge einer Dürre größere und stabilere Schnäbel entwickelt. Damals überlebten nur Tiere mit großem, stabilem Schnabel. Diese Eigenschaft haben sie dann an die nächste Generation weitergegeben.
"Die Menschen verteilen Pflanzen und Tiere über den ganzen Erdball, und in vielen Fällen vernichtet das die natürlichen Populationen", sagt Huey. "Die Dynamik der Invasion wird dann besonders kompliziert, wenn sich die Lebewesen sehr schnell verändern. Die Wahrscheinlichkeit, daß sich diese Tiere und Pflanzen weiter entwickeln, ist sehr groß. Doch Wissenschaftler haben bisher immer noch nicht erkannt, wie schnell die Evolution dabei sein kann. Außerdem geht dabei auch die Evolution der natürlichen Populationen andere Wege." Er meint, Drosophila subobscura habe die einheimischen Arten mehr als nur dezimiert. "Wenn ich in Seattle in meinem Hinterhof Fliegen sammle, sind mehr als neunzig Prozent der eingebürgerten Fliegen dabei. [...]", so Huey.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 6.9.1999
"Artbildung zum Zuschauen"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 26.11.1998
"Wehe, sie sind losgelassen"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 3/97, Seite 24
"Explosive Evolution"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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