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News: Tödliche Tropenkrankheit jetzt heilbar

Leishmaniase, auch bekannt als kala-azar (Schwarze Krankheit, black fever) gehört zu den weit verbreiteten Infektionskrankheiten mit hoher Todesrate. Betroffen sind vor allem tropische Länder, zunehmend aber auch Regionen in Südeuropa. Auch in anderen europäischen Ländern werden Leishmaniase-Erkrankungen registriert, allein in der Schweiz mehrere hundert Fälle pro Jahr. Bei bestimmten Formen der Leishmaniase waren die Heilungsausichten bisher gering, bei anderen drohten dauerhafte Verstümmelungen und Narben, die die gesellschaftliche Eingliederung der Betroffenen erschwerten. Ein neu entwickeltes Mittel hat in einer Studie an Erkrankten jetzt einen fast 100-prozentigen Heilungserfolg erbracht.
An Leishmaniase leiden nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation zur Zeit über 12 Millionen Menschen, von denen viele mangels erfolgreicher Behandlungsmöglichkeiten auch sterben.

Geographisch tritt die Erkrankung hauptsächlich in tropischen und subtropischen Zonen auf, dringt zunehmend aber auch in südeuropäische Länder wie Spanien, Südfrankreich und Italien vor und ist weltweit in 88 Ländern verbreitet. Derzeit leben etwa 350 Millionen Menschen in gefährdeten Gebieten. Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen liegt bei 2 Millionen, von denen etwa 500 000 an der viszeralen Leishmaniase erkranken, einer besonders schweren und ohne Behandlung immer tödlich verlaufenden Form. Die Tendenz ist steigend.

In den gemäßigten Klimazonen Südeuropas tritt die Krankheit neuerdings vermehrt auf und bleibt so keineswegs, wie etwa Malaria, auf die Tropen beschränkt. Neue Berichte befassen sich mit der zunehmenden Ausbreitung der Leishmaniase und der beunruhigenden Beobachtung, dass etwa in Spanien viele Personen latent mit Leishmania donovani infiziert sind. Die Krankheit bleibt verborgen und symptomlos. Die Krankheitserreger siedeln sich im Knochenmark an und werden durch das Immunsystem unter Kontrolle gehalten. Wird das Immunsystem jedoch geschwächt, beispielsweise durch Infektion mit dem Aids-Erreger HIV, setzt die Vermehrung der Leishmaniase-Parasiten explosionsartig ein. Die Erreger gelangen ins Blut und befallen bevorzugt Leber, Milz und Haut – ohne Therapie mit tödlichem Ausgang. In Spanien wurde bereits bei jedem zweiten Leishmaniase-Patienten eine HIV-Infektion diagnostiziert. Nach Ansicht von Experten wird deshalb die Anzahl der an Leishmaniase Erkrankten auch parallel zur Ausbreitung von Aids weiter ansteigen.

Die Leishmaniase präsentiert sich in unterschiedlichen Erscheinungsformen. Insbesondere die viszerale Leishmaniase – hervorgerufen durch die Erreger der Leishmania donovani – ist gefährlich und lebensbedrohend. Die Parasiten siedeln sich in Leber, Milz und Knochenmark an und vermehren sich rasch. Ohne Therapie führt die Infektion zum Tode. Neben der viszeralen Form gibt es auch kutane Leishmaniasen, die zu geschwürartigen Hautveränderungen und im Gesicht teilweise zu vollkommener Entstellung führen. Doch heilen die kutanen Formen meist von selbst ab und sind nicht lebensbedrohend.

Die Übertragung der Parasiten von Mensch zu Mensch, von Mensch zu Tier und von Tier zu Mensch erfolgt durch Sand- und Schmetterlingsmücken der Gattung Phlebotomus. Die typischen Symptome der viszeralen Leishmaniase sind Fieber, Müdigkeit, Gliederschmerzen, einhergehend mit einem allgemeinen Kräfteverfall, der in einer allmählichen vollständigen Zerstörung von Leber und Milz endet. Unbehandelt führt die Krankheit in einem Zeitraum von 6 bis 24 Monaten zum Tode.

Vor etwa 30 Jahren ist damit begonnen worden, Impfstoffe gegen die viszerale Leishmaniase zu entwickeln. Trotz zahlreicher Bemühungen waren die Versuche bis heute erfolglos, da die Erreger der Leishmaniase offensichtlich in der Lage sind, die für Impfstrategien notwendigen Oberflächenstrukturen in der Membran jederzeit so zu variieren, dass der Impferfolg ausbleibt. Deshalb ist die übliche Form der Behandlung von Leishmaniase nach wie vor eine intravenöse Therapie mit sehr giftigen Antimonverbindungen, zum Beispiel mit Pentostam. Nach Aussage von Prof. Wernsdorfer von der Universität Wien sterben allein 15 Prozent der Patienten an der Therapie, das heißt im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung führt das Arzneimittel zum Tod. Hinzu kommt, dass in zunehmendem Maße die Patienten auf die klassische Therapie mit giftigen Antimonverbindungen nicht mehr ansprechen. Die Arzneimittel sind oft unwirksam, da die Erreger gegen die Therapie mit Antimonverbindungen resistent geworden sind.

Nach groben Schätzungen zeigen in Indien bereits etwa 40 Prozent der Erkrankten eine Resistenz gegen die Antimontherapie. Diese Berichte werden bestätigt durch Beobachtungen im Sudan. Bei Leishmanien-Epidemien sind in den letzten Jahren von 300 000 Patienten etwa 100 000 gestorben. Nachdenklich dabei stimmen Berichte der Organisation Ärzte ohne Grenzen. Trotz unermüdlichen Einsatzes konnten bei einer großen Epidemie nur etwa 1000 Patienten behandelt werden – viel zu wenig wegen der aufwendigen intravenösen Anwendungsform und oft erfolglos wegen der starken Resistenzentwicklung der Erreger gegen die Antimontherapie.

Besonders Epidemien verlangen eine Therapie, die effektiv und sicher, leicht anwendbar und nach Möglichkeit preisgünstig ist, um die große Anzahl von Betroffenen zu behandeln. Die ideale Therapieform wäre eine orale Therapie, das heißt die Einnahme des Arzneimittels mit der normalen Nahrungsaufnahme. Diese ideale Therapieform gab es bislang nicht. Das Medikament Miltefosine, das Hansjörg Eibl vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie und Clemens Unger, heute an der Klinik für Tumorbiologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg entwickelt haben, könnte die Lösung sein. Die Behandlung bringt lebensbedrohten, unter Fieber und Schwächeanfällen leidenden Menschen schon nach wenigen Tagen Linderung und in etwa vier Wochen Heilung. Mit einer Tablette pro Tag bei normaler Ernährung lässt sich diese tödliche Tropenkrankheit sehr wahrscheinlich besiegen (New England Journal of Medicine vom Dezember 1999).

Es wurde von Hansjörg Eibl und Clemens Unger durch Struktur-Wirkungsuntersuchungen antitumoral wirksamer (Alkyl)-Lysophospholipide als oral wirksames Prinzip entdeckt und für klinische Studien vorbereitet. In jahrelanger Arbeit haben die Arbeitsgruppen um Eibl und Unger damit weltweit das erste Arzneimittel entwickelt, das auf die Struktur eines Phospholipids zurückgeht. Es war auch das erste Medikament aus einem Institut der Max-Planck-Gesellschaft, das als Arzneimittel zugelassen wurde. Miltefosin, inzwischen auch erfolgreich bei der Bekämpfung von Hautmetastasen bei Brustkrebs eingesetzt, wurde von Eibl und Unger dann in Zellkulturexperimenten und in Tierversuchen auf seine Wirkung gegen Leishmaniase und Malaria getestet.

In der Zellkultur zeigte Miltefosin gegenüber Leishmania donovani gute Wirkung. Problematisch war jedoch die Anwendung im Tierversuch. Die intravenöse Gabe, der sicherste und direkteste Weg, kam nicht in Frage, da Miltefosin bei der Injektion zu starken Gewebeveränderungen und auch zu Hämolyse führte. Auch die Einspritzung unter die Haut bewährte sich nicht, da sich an der Einstichstelle ausgedehnte und nicht tolerierbare Hautveränderungen und Geschwüre bildeten. Zudem war die Wirkung eher schlechter als bei der Therapie mit den klassischen Antimonverbindungen.

Die Lösung des Problems fanden Eibl und Unger schließlich in der oralen Zuführung des Wirkstoffes – eine einfache Methode, die gerade für die Therapie der Leishmaniase ideal war. Die Aufnahme des Wirkstoffs über den Magen-Darmtrakt ist gut. Es lassen sich nach einiger Zeit hohe Serum- und Organspiegel messen, vor allem auch in Leber und Milz, den Zielorganen für die tödliche Erkrankung mit viszeraler Leishmaniase. Diese hervorragende Anreicherung des Wirkstoffs am Wirkort ist ganz im Sinne einer effektiven und nebenwirkungsfreien Therapie.

In systematischen Tierversuchen wurde eine Gruppe von infizierten Tieren als unbehandelte Kontrollgruppe geführt und eine andere Gruppe mit Miltefosin behandelt. In der Kontrollgruppe zeigten sich nach Infektion mit Leishmania donovani nach zwei bis drei Wochen die üblichen Symptome der Krankheit: eine enorme Vergrößerung von Leber und Milz. Die Tiere starben nach sechs Wochen. In der mit Miltefosin behandelten Gruppe wurden – im Vergleich zur Kontrollgruppe – in keiner Phase des Experiments Krankheitssymptome beobachtet. Es waren auch keine Leishmanien in Leber und Milz der Versuchstiere nachzuweisen. Offensichtlich sind die Parasiten in Gegenwart von Miltefosin nicht lebensfähig.

Entscheidend war nun die Frage, ob Tiere aus der Kontrollgruppe mit teilweise schweren Krankheitssymptomen durch eine Therapie mit oral zugeführtem Miltefosin geheilt werden konnten. Die Ergebnisse waren aufregend und sehr aufschlussreich: Tatsächlich bildeten sich die typischen Symptome der Erkrankung – Vergrößerung von Leber und Milz – rasch zurück. Im Vergleich zu der klassischen Therapie mit Pentostam war der Effekt von Miltefosin um einen Faktor von mindestens 600 besser – ein Befund, von dem nach der negativen Erfahrung mit subkutaner Applikation niemand auch nur zu träumen gewagt hätte.

Zeitlich parallel zu den Tierversuchen mit Leishmanien hatten Eibl und Unger erste Erfahrungen mit der oralen Gabe von Miltefosin bei Patienten mit therapierefraktären Krebserkrankungen gesammelt, also an Patienten, die auf die Standardtherapie nicht ansprachen. Bei 26 Erkrankten konnte Miltefosin in oralen Dosen von 50 Milligramm bis 200 Milligramm ohne wesentliche Nebenwirkungen eingesetzt werden. Bei einem mittleren Körpergewicht von 60 Kilogramm entspricht das einer Tagesdosis von 0,8 bis 3,3 Milligramm pro Kilogramm. Auf dieser Grundlage konnten die Dosen für die orale Therapie bei Leishmaniase festgelegt werden. Die Studien begannen mit Tagesdosen von 50 Milligramm, 100 Milligramm und 150 Milligramm (etwa 0,8 bis 2,5 Milligramm pro Kilogramm und Tag) an verschiedenen klinischen Zentren in Indien. Aufgrund der dort gemachten Erfahrungen wird eine Dosis von 100 Milligramm pro Tag über einen Zeitraum von vier Wochen vorgeschlagen. Allerdings soll eine Anpassung an das Körpergewicht vorgenommen und eine Menge von 2,5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag nicht überschritten werden. Mit dieser Dosierung konnte ein Heilerfolg von 98 Prozent in einer Gruppe von 100 Patienten erreicht werden.

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