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News: Internet auf höchster Ebene

Sie reden von Datenautobahn und Innovationen. Aus ihrem Munde werden Informationstechnologie und multimediale Welten beschworen. Und sie planen, Experten aus dem Ausland anzuwerben, weil es in Deutschland an geeigneten Arbeitskräften mangelt. Wissen unsere Spitzenpolitiker eigentlich, wovon sie da reden? Welcher Vertreter der Bundesregierung hat in seinem Büro überhaupt einen Computer stehen oder kann gar damit umgehen? Zumindest ein Minister, pardon: eine Ministerin, fühlt sich wohl zwischen Bits und Bytes: Herta Däubler-Gmelin kennt sich nicht nur mit Paragraphen aus, sondern könnte ihren Kollegen auch in Sachen Zukunftstechnologie einige Nachhilfestunden geben.
Es klafft eine große Lücke in Deutschland – zwischen denen, die öffentlich vom Internet reden, und jenen, die sich darin tummeln. Der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung zufolge nutzt jeder dritte Bürger zwischen 14 und 69 Jahren E-Mail, World Wide Web und FTP. Innerhalb von nur einem Jahr verdoppelte sich die Zahl der User auf 15,9 Millionen, und fast jeder vierte Haushalt verfügt mittlerweile über einen eigenen Internetanschluss.

Dem steht Bundeskanzler Gerhard Schröder gegenüber, der zumindest weiß, dass er nichts weiß und dass dies nicht so bleiben darf. "Ich will noch lernen, wie man mit dem Internet so umgeht, dass das nicht nur Pfuscherei ist", verkündete er kürzlich.

Wenn der Chef mit gutem Beispiel voran geht, sollte ihn sein Team loyal begleiten. Oder haben die Minister etwa in vorauseilendem Gehorsam längst ihre Browser installiert und surfen durch die mehr oder minder nutzvollen Seiten? Von so viel Eifer wußte die Computerzeitschrift c't in einem Online-Beitrag vom 5. April 2000 leider nicht zu berichten. Die Auskünfte der Referenten und Pressestellen zu den EDV-Fähigkeiten ihrer Vorgesetzten fielen meist eher verhalten aus.

Wer zum Beispiel dem Außenminister Joschka Fischer eine E-Mail schicken möchte, kann sich die Anrede "Sehr geehrter Herr Minister" gleich schenken – die Post landet nämlich sowieso in der Pressestelle und wird von dort beantwortet. Herr Fischer "hat keinen Computer in seinem Büro", heißt es. Wohl auch kein Notebook, obgleich gerade so ein Minirechner doch gut zu einem viel reisenden Politiker passen würde.

Fischers Kollegen sind der Hochtechnologie dichter auf den Fersen. "Natürlich hat Herr Schily schon mal einen Computer benutzt", wird im Innenministerium behauptet. Und "Minister Werner Müller hat einen PC in seinem Büro stehen... Er hat auch einen E-Mail-Anschluss", den unser Wirtschaftsminister hin und wieder auch benutzt, um Bügeranfragen selbst zu bearbeiten. Die Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul wagt sich zuweilen sogar ins Live-Geschehen: Beim Chatten im Internet unterhält sie sich zu politischen Themen. Es sieht anscheinend doch nicht so schlecht aus um die Zukunftsfähigkeit der Regierung.

Spitzenreiterin in der Ministerrunde ist aber Justizministerin Herta Däubler-Gmelin. Deren Sprecher Thomas Weber musste zugeben: "Sie ist fitter als wir. In Sachen Multimedia können wir noch etwas von ihr lernen." Antrieb ist – wie bei fast allen Surfern zwischen 0 und 100 – eine "natürliche Neugier". Na, da hätte Herr Schröder doch eine geeignete Nachhilfelehrerin in seinem Team. Die Kabinettssitzungen könnten demnächst vielleicht als Internet-Konferenz abgehalten werden. Oder gar die Debatten des Bundestages. In diesem Falle bräuchten auch nicht alle Abgeordneten von Bonn nach Berlin zu ziehen. Sie könnten wohnen, wo sie wollen, von Brunsbüttel bis Sonthofen. Na, wenn das kein Anreiz zum Lernen ist...

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