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News: Ein Objekt, das nicht sein kann

Wenn das Weltraumteleskop Hubble genau hinschaut und Wissenschaftler anschließend ebenso genau die Bilder analysieren, stoßen sie immer mal wieder auf erstaunliche Überraschungen. Die neueste Entdeckung stellt jedoch alle bisherigen Funde buchstäblich weit in den Schatten - denn das leuchtende Objekt auf einer Infrarotaufnahme ist möglicherweise viel, viel weiter von uns entfernt als alle anderen bekannten Galaxien, Quasare und sonstige Himmelskörper. Während die bisherigen Rekordhalter eine Rotverschiebung von 6,7 und 5,8 aufwiesen, liegt der Wert des neuen Objektes bei 12,5. Damit wäre es zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem es nach den aktuellen Modellen noch gar keine Galaxien gab.
Astronomen messen Entfernungen in Kilometern, Astronomischen Einheiten, Lichtjahren, Parsec oder Rotverschiebungen – je nachdem, welcher Maßstab einen handlichen Zahlenwert liefert. Bei besonders großen Distanzen werden die Berechnungen schwieriger, weil zu viele Parameter eine Rolle spielen, deren Werte noch nicht genau genug bekannt sind. Darum vergleichen Astronomen in solchen Fällen direkt die Rotverschiebungen der Objekte. So verkündeten Wissenschaftler des Sloan Digital Sky Survey im April 2000, sie hätten den am weitesten entfernten Quasar entdeckt und seine Rotverschiebung läge bei 5,8, was einer Entfernung von etwa zwölf Milliarden Lichtjahren entspricht. Der Rekord unter den Galaxien liegt augenblicklich bei 6,68.

Das alles ist so gut wie nichts im Vergleich zu einer Rotverschiebung von 12. Auf diesen fast schon unglaublichen Wert kam Mark Dickinson vom Space Telescope Science Institute (STScI), als er eine Infrarotaufnahme auswertete, die das Hubble-Teleskop 1998 gemacht hatte – das so genannte Hubble Deep Field North (Philosophical Transactions of the Royal Society, Abstract, Artikel im Volltext). Frühere Messungen mit dem Kitt Peak Observatory hatten sogar eine Rotverschiebung von 12,5 nahe gelegt. "Das könnte stimmen oder auch falsch sein, doch diese Werte sind meistens äußerst genau", meint Meg Urry vom STScI.

Die Bedeutung einer so großen Rotverschiebung liegt jedoch weniger in der damit verbundenen Entfernungsangabe. Aus ihr lässt sich nämlich auch auf das Alter des Objektes schließen. Und sollte es sich bei dem neuen Rekordhalter wirklich um eine Galaxie handeln, hätte das große Folgen für unsere Vorstellung von der Entstehung des Universums. Dann müssten schon Milliarden Jahre früher, als bislang angenommen wurde, große kosmische Strukturen zu Galaxien kollabiert seinen. Außerdem wäre dieses spezielle Exemplar drei Mal heller als heutige Galaxien gewesen.

Dickinson räumt noch drei weitere Erklärungsmöglichkeiten für seine Beobachtung ein, die er allerdings alle für weniger wahrscheinlich hält: So könnte es sich um eine extrem dunkle Galaxie handeln, eine alte elliptische Galaxie oder einen Kohlenstoffstern im intergalaktischen Raum. "Es wäre sehr seltsam, eine stark verdunkelte Galaxie mit solchen Farben in einem kleinen Bereich wie dem Hubble Deep Field zu finden", meint er. Und sollte es sich um eine elliptische Galaxie handeln, so Dickinson, hätten ihre Sterne sich bald nach dem Urknall bilden müssen. Ein tief roter Kohlenstoffstern wiederum wäre weit außerhalb der Milchstraße anzusiedeln.

Das Rätsel ist schwer zu lösen, zumal das fragliche Objekt sehr lichtschwach ist. "Unglücklicherweise werden wir sehr lange warten müssen", meint Dickonsin. "Allerdings sollten wir der Lösung näher kommen, wenn im Jahre 2007 das Next Generation Space Telescope startet."

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