Direkt zum Inhalt

News: Erstmals Gedächtnisspur im Gehirn lokalisiert

Im Gehirn der Taufliege haben Wissenschaftler der Universität Würzburg die so genannten Pilzkörper als die Bereiche identifiziert, in denen die Erinnerung an Gerüche gespeichert ist. Damit wurde erstmals eine Gedächtnisspur im Gehirn eines Lebewesens gefunden - entsprechende Bemühungen laufen bereits seit 100 Jahren.
Die derzeitigen Vorstellungen von den Grundlagen des Lernens und des Gedächtnisses beruhen auf dem Konzept der "synaptischen Plastizität": Demzufolge verändert sich durch das Lernen die Stärke der Signalübertragung an den Schaltstellen zwischen den Nervenzellen, den Synapsen, nachhaltig. Es ließen sich Fliegen züchten, die ihr Lernvermögen verloren hatten, weil sie bestimmte Eiweißmoleküle nicht mehr bilden konnten, die für die synaptische Plastizität notwendig sind.

An dieser Stelle setzten die Wissenschaftler vom Biozentrum der Uni Würzburg an: Dort war schon vor Jahren erkannt worden, dass ein bestimmter Gehirnteil, die Pilzkörper, dafür notwendig ist, dass die Fliege sich die Verheißungen eines bestimmten Duftes einprägen kann. Die Forscher um den Genetiker Martin Heisenberg schalteten nun die Pilzkörper aus und erhielten auf diese Weise Fliegen, die sich nicht mehr an Gerüche erinnern konnten, wohl aber zu anderen Gedächtnisleistungen noch fähig waren.

Dann führten Matthias Fischer und Troy Zars von der Universität Würzburg in Zusammenarbeit mit amerikanischen Kollegen das entscheidende Experiment durch: Ihnen gelang es, bei einem Fliegenstamm, der auf Grund eines Gendefektes die synaptische Plastizität eingebüßt hat, das intakte Gen ausschließlich in den Zellen der Pilzkörper wieder zur Verfügung zu stellen. Darauf hin konnten die Tiere wieder Düfte lernen.

Heisenberg: "Das beweist, dass allein die Synapsen der Pilzkörper plastisch sein müssen, damit sich die Fliegen an Gerüche erinnern können." Für andere Lernaufgaben werde die synaptische Plastizität dagegen in anderen Teilen des Fliegengehirns benötigt, wie Zars in einer vorausgegangenen Studie bereits zeigen konnte.

Diese Erkenntnisse sind dem Würzburger Genetiker zufolge nicht nur für Fliegenforscher aufregend, sondern von allgemeinem Interesse, weil die Taufliege in vielerlei Hinsicht ein gutes biologisches Modell für die Verhältnisse beim Menschen ist. So würden mit diesem Insekt derzeit Modelle für die Parkinson- und die Huntington-Krankheit sowie für die Schlafforschung entwickelt.

Heisenberg: "Inzwischen hat man sich an den Gedanken gewöhnt, dass die grundsätzlichsten Eigenschaften von Lebewesen am weitesten in der Naturgeschichte der Arten zurück reichen und damit heute die größte Verbreitung haben. Lernen und Gedächtnis zählen zweifellos zu diesen Eigenschaften. Dabei hat es lange gedauert, bis man bereit war, niederen Tieren überhaupt Lernfähigkeit und Erinnerungsvermögen zuzugestehen. Noch heute sind die meisten Menschen überrascht, wenn sie hören, die winzige Taufliege könne sich an Bilder oder an die Mahlzeit vom Tag zuvor erinnern. Tatsächlich aber hat diese Fliege der Gedächtnisforschung schon viele Dienste erwiesen. Sie war es zum Beispiel, die den heutigen Vorstellungen von den zellulären und molekularen Grundlagen des Lernens und Gedächtnisses zum Durchbruch verholfen hat."

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.