News: Eine Blüte in einer Blüte in einer Blüte
Normale Blüten bestehen aus vier aufeinanderfolgenden Ringen, den so genannten Wirteln. Der äußerste Ring enthält die Kelchblätter (Sepalen), kleine, grüne, blatt-ähnliche Organe, welche die Blüte umgeben, bevor sie sich öffnet. Der zweite Wirtel besteht aus den Blütenblättern (Petalen). Darauf folgen die als Staubblätter (Stamina) bezeichneten männlichen Reproduktionsorgane und ganz innen ihr weibliches Pendant, die Fruchtblätter (Karpelle). Eine herausragende Leistung der Entwicklungsbiologen war es, herauszufinden, wodurch die Identität der einzelnen Blütenorgane festlegt wird. Ein einfaches Modell – das ABC-Modell – erklärt, wie die individuelle und gemeinsame Aktivität der verschiedenen ABC-Gene die vier Organtypen einer typischen zweigeschlechtlichen Blüte hervorbringen.
Normalerweise bilden Pflanzen keine Doppelblüten. Biologen von der University of California in San Diego wollten klären, durch welche Gendefekte diese Fehlbildung zustande kommt. Bei ihren Untersuchungen an der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) stießen sie auf ein Trio von Genen, das offenbar an der Identitätsgebung der Blütenorgane beteiligt war. Die drei MADS-Box-GeneSEPALLATA1,2 und 3 haben eine sehr ähnliche Sequenz und sind funktionell redundant. Wenn alle drei Gene mutiert sind, wandeln sich die Blütenblätter, Staubblätter und Fruchtblätter zu Kelchblättern um, wodurch eine Blüte in einer Blüte in einer Blüte entsteht. "Da diese Gene für die Bildung von Blütenblättern, Staub- und Fruchtblättern notwendig sind, stellen sie Hauptschalter in der Blütenentwicklung dar", erklärt der Leiter der Studie, Martin F. Yanofsky.
Die wichtige Rolle der SEP1/2/3-Gene war den Genetikern lange Zeit verborgen geblieben, da sie die selbe Funktion ausüben. Daher mussten die Forschern alle drei Gene verändern und die verschiedenen Mutationen in einer einzelnen Pflanze verbinden. Diese als reverse genetics bezeichnete Methode kostete die Wisenschaftler mehrere Jahre Arbeit, aber resultierte letztlich in der Herstellung einer dreifachmutanten Arabidopsis-Pflanze (Nature vom 11. Mai 2000, Abstract).
Schon vor Hunderten von Jahren haben Wissenschaftler vermutet, dass es sich bei Kelch-, Blüten-, Staub- und Fruchtblätter um modifizierte grüne Blätter handelt. Aber trotz der rasanten Fortschritte, die Entwicklungsbiologen in den letzten Jahren gemacht haben, konnten sie nicht Blätter in Blütenorgane umwandeln. Die SEP-Gene könnten der fehlende Faktor sein und zusammen mit den ABC-Genen ausreichen, um die Konvertierung durchzuführen. Yanofsky erkärt: "Es wäre nun interessant die Hypothese zu testen, indem diese Gene in Blättern angeschaltet werden, in denen sie ja normalerweise inaktiv sind."
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