News: Viel Wind, wenig Surfer
Die Freizeitforscher gehen aber noch weiter. Auch in der nahen Zukunft zeichne sich keine revolutionäre Entwicklung ab. "Das Internet wird auch in fünf Jahren kein Massenmedium wie das Fernsehen sein", prognostiziert Opaschowski. Knapp drei Viertel der Befragten in Deutschland und zwei Drittel in den USA hören Radio, den Fernseher schalten in beiden Ländern über 90 Prozent mindestens einmal pro Woche an. Das Internet werde hingegen erst in ein bis zwei Generationen zu einem echten Gebrauchsgegenstand avancieren. Denn selbst die Mehrheit der 18- bis 29-Jährigen – in beiden Ländern über 60 Prozent – sei am PC als Alltagsmedium nicht interessiert. Aber auch die Bevölkerungsstruktur verdirbt offensichtlich die Nutzerstatistik. Gerade Menschen über 50 Jahren finden schwer Zugang zum Internet, erklärt Michael Pries, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Freizeitforschungs-Institut, gegenüber c't. Als Gründe nennt Pries Schwellenangst sowie das Erscheinungsbild der Internet-Gesellschaft, die sich mit ihren Angeboten überwiegend jung präsentiere. Im Vergleich zu anderen Gebrauchsgegenständen wie Fernseher oder Radio sei ein PC und damit das Internet noch zu unkomfortabel zu bedienen. Zudem sei die Internet-Nutzung in beiden Länder immer noch eine Frage der Bildung.
Mit 52 Prozent nutzt im Vergleich zu Personen mit anderen Schulabschlüssen ein überproportional großer Anteil der deutschen Universitätsabsolventen einen PC in der Freizeit. Damit unterscheiden sie sich kaum von ihren US-amerikanischen Kollegen (Post-Graduates). Hier liegt der Anteil bei 54 Prozent. Das liege jedoch nicht nur an der Bildung, sondern auch an der besseren finanziellen Ausstattung dieser Bevölkerungsschicht, die sich die erforderlichen PCs und deren Aufrüstung einfach eher leisten könnten, ergänzt Pries. Hinsichtlich der Internet-Nutzung hinken die deutschen Studienabsolventen allerdings deutlich hinter ihren amerikanischen Kollegen her. Fast jeder Zweite Post-Graduate surft regelmäßig, der Anteil unter den deutschen Universitätsabsolventen liegt bei 27 Prozent.
Auch der E-Commerce kommt der Studie zufolge nur mühsam in die Gänge. Teleshopping, elektronische Reisebuchung oder Bücherkauf nutzen in beiden Ländern nur jeweils unter drei Prozent der Verbraucher. Das Homebanking findet fast ebenso wenig Anklang. Hier werde es ebenfalls 20 bis 30 Jahre dauern, bis das Fern-Shopping ebenso zur Normalität wird wie das Fern-Sehen, ergänzt Spies die Ergebnisse der Studie. Er glaubt jedoch nicht, dass der elektronische Handel konventionelle Einkaufsformen ersetzen, sondern nur verändern wird. "Den Menschen wird das Erlebnis des Einkaufens weiterhin wichtig bleiben."
Die Ergebnisse der Studie scheinen anderen Untersuchungen zum Teil zu widersprechen oder diese in Frage zu stellen. Jedoch muss man die Resultate vor dem Hintergrund der Fragestellung betrachten. Als "Internet-Nutzer" haben die Forscher des B.A.T. nur Personen definiert, die zumindest einmal pro Woche in ihrer Freizeit im Web surfen – im Unterschied zu anderen Studien, die auch Gelegenheits- oder "Berufs"-Surfer dazuzählen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 20.6.2000
"Frauen surfen langsam, aber gewaltig"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 19.6.2000
"Die Zukunft des Internets"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich)
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