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News: Ein körpereigenes Transportunternehmen

Nicht immer ist 42 die richtige Antwort - auch dann nicht, wenn es darum geht, sich per Anhalter fortzubewegen. Ein trauriges Beispiel dafür ist das HI-Virus. Denn Wissenschaftler haben nun festgestellt, dass es die B-Zellen des Immunsystems als Transportvehikel nutzen kann, und dann auf T-Zellen überspringt. Diese bequeme Möglichkeit des Virus, sich im Blut zu verteilen, liefert gleichzeitig eine mögliche Erklärung für das ungewöhnliche Verhalten der B-Zellen während der Infektion.
Das humane Immunschwächevirus HIV nimmt dem Körper die Fähigkeit, gegen Infektionen zu kämpfen. Es torpediert regelrecht das menschliche Immunsystem, indem es die T-Zellen zerstört, die eine Schlüsselrolle in der Immunantwort des Körpers spielen. Außerdem haben verschiedene Forschergruppen festgestellt, dass im Reagenzglas ebenso B-Zellen infiziert werden können. Geringe Mengen genetischen Materials des HI-Virus fanden sich auch in B-Zellen von infizierten Personen, obwohl in bisherigen Untersuchungen keine funktionsfähigen Viren assoziiert mit den B-Zellen gefunden wurden.

Einige Wissenschaftler vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) unter der Leitung von Susan Moir und Angela Malaspina haben sich näher mit der Rolle von B-Zellen im Verlauf der Krankheit beschäftigt (Journal of Experimental Medicine vom 4. September 2000, Abstract). Dazu isolierten sie B-Zellen aus dem Blut von Personen mit einer HIV-Infektion und stellten fest, dass eine signifikante Menge von Viren an die Oberfläche der Zellen gebunden war. Anschließend konnten sie in Experimenten zeigen, dass T-Zellen unter Laborbedingungen auf diese Weise infiziert werden.

Durch die enge Wechselwirkung zwischen B- und T-Zellen im Immunsystem werfen diese Untersuchungen ein ganz neues Licht auf die Art und Weise, wie das HI-Virus auf die T-Zellen einwirkt. Denn die beiden Zelltypen lagern sich regelmäßig aneinander, um Informationen auszutauschen und die Immunantwort zu koordinieren. Lassen sich die HI-Viren mit Hilfe der B-Zellen durch das Blut transportieren, haben sie also reichlich Gelegenheit, auf bisher uninfizierte T-Zellen zu wechseln.

Allerdings stellen B-Zellen kein verborgenes Reservoir für HIV dar, erklärt Moir, denn sie beherbergen keine inneren, sich replizierenden Viren. Befinden sich weniger HI-Viren im Blut, nimmt auch die Anzahl der Viren auf den B-Zellen ab. Sie bedienen sich dieser Zellen also lediglich als Mitfahrgelegenheit, um dann im richtigen Moment abzuspringen, so Moir.

Als Verbindungsstelle für das Virus identifizierten die Wissenschaftler ein sich auf der Oberfläche der B-Zellen befindliches Molekül namens CD21. Es ist ein Rezeptormolekül, das eindringende Mikroben identifiziert, damit sie zerstört werden können. Wenn nun durch den HI-Virus CD21 aktiviert wird, bekommen die B-Zellen ständig das Signal zur Produktion von Antikörpern. Das könnte eine Erklärung für die extreme Produktion von Antikörpern bei HIV-Infizierten sein, meinen die Forscher.

"Hat ein Infizierter große Mengen der Viren im Blut, geht das oft mit einer Funktionsstörung der B-Zellen-Antwort einher. [...]", so Moir. "In der Vergangenheit ging man immer davon aus, dass die Ursachen hauptsächlich ein indirekter Effekt der Infizierung sei. Doch nun haben wir Hinweise darauf, dass die B-Zellen-Abnormalität durch eine direkte virale Einmischung zustande kommt."

Nachdem die Wissenschaftler gezeigt haben, welche Rolle die B-Zellen bei der HIV-Infektion spielen, untersuchen sie nun, ob die HI-Viren in den infizierten T-Zellen mit denen auf den B-Zellen genetisch verwandt sind. Außerdem gilt ihr Interesse der Frage, inwieweit HIV direkt die B-Zellen-Funktionen verändert.

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