Ausflug nach Amerika
Nach dem Abschied von Eva und Francis vor einem Monat in Damaskus kamen turbulente Wochen auf mich zu, in denen ich mit einem Amerika-Besuch vollkommen aus der Reihe unserer Orient-Reise ausbrach. Zuerst ging es von Syrien aus nach Deutschland zu umpacken und dann sogleich weiter in die Vereinigten Staaten, wo ich zwei wissenschaftliche Kongresse besuchte.
Dort machte ich mich nach der Landung in Boston in einem gemeinsam mit zwei Kollegen aus Wien gemieteten Wagen auf gen Westen zum „International Congress of Medieval Studies“ in Kalamazoo, Michigan, und von dort aus zu dem von Michael Kulikowski und mir organisierten Symposium „Friends, Enemies and Neighbors: Romans and Alamanni in Late Antique Germany“ in Knoxville, Tennessee. Innerhalb einer Woche also Damaskus und Kalamazoo. Welch ein „Clash“, aber gar nicht einer unterschiedlicher „Kulturen“ im Sinne von Samuel Huntington!
Damaskus, die Grosstadt mit jahrtausendalter Geschichte, ist vielfältiger, bunter, offener und vielleicht auch toleranter als das Städtchen im Westen Michigans, in dem der jedes Jahr stattfindende Mittelalterkongreß zweifellos eines der größten Ereignisse ist. Reist man von Damaskus nach Kalamazoo, erfährt man schlicht jene Art von Gegensatz, die immer Grosstadt von Provinz trennt, und natürlich geographische Distanz. Der Rest von Huntingtons „Clash“ ist – das dürfte jedem Syrien-Reisenden offensichtlich werden – Simplifizierung höchst komplexer Gebilde.
Kulturkreise sind nicht scharf voneinander zu trennen, ja nicht einmal unscharf zu definieren. Ist Athen Westen oder Osten? Das so orientalische Marokko liegt westlicher als Deutschland. In Amman sieht man mehr Fast-Food-Ketten auf einem Haufen als in einer deutschen Großstadt, im griechisch-orthodoxen Kloster der Hl. Thekla, bekannt für Hilfe bei Bein- und Fußerkrankungen, beteten muslimische Männer an Krücken, in Aleppo habe ich mehr Kirchen besichtigt als in Berlin, und bei McDonald’s im Flughafen von Boston unterhielt sich eine verschleierte Frau vor mir in der Schlange beim Kauf ihres Burgers mit der Bedienung auf Arabisch.
Die in uns allen so präsente Dichotomie von Abendland und Morgenland ist nicht nur nicht hilfreich, sondern auch irreführend. Das ist über 30 Jahre nach Edward Said zwar keine neue Erkenntnis, aber dennoch eine Erfahrung, die sich auf unserer Reise Tag für Tag erneuert. Ein Nebenaspekt unseres archäologischen Reisestipendiums lehrt uns so ständig, daß die heute wieder so aktuelle simple Trennung von islamischer Welt und „Westen“ eine zwar alte, aber deshalb nicht weniger polemische Vereinfachung ist. Sie unterstreicht eigentlich nur, daß man sich eigentlich sehr nahe steht, denn Gegensätze zur Selbstfindung sucht man bekanntlich am liebsten bei den Nachbarn.
Philipp von Rummel
Dort machte ich mich nach der Landung in Boston in einem gemeinsam mit zwei Kollegen aus Wien gemieteten Wagen auf gen Westen zum „International Congress of Medieval Studies“ in Kalamazoo, Michigan, und von dort aus zu dem von Michael Kulikowski und mir organisierten Symposium „Friends, Enemies and Neighbors: Romans and Alamanni in Late Antique Germany“ in Knoxville, Tennessee. Innerhalb einer Woche also Damaskus und Kalamazoo. Welch ein „Clash“, aber gar nicht einer unterschiedlicher „Kulturen“ im Sinne von Samuel Huntington!
Damaskus, die Grosstadt mit jahrtausendalter Geschichte, ist vielfältiger, bunter, offener und vielleicht auch toleranter als das Städtchen im Westen Michigans, in dem der jedes Jahr stattfindende Mittelalterkongreß zweifellos eines der größten Ereignisse ist. Reist man von Damaskus nach Kalamazoo, erfährt man schlicht jene Art von Gegensatz, die immer Grosstadt von Provinz trennt, und natürlich geographische Distanz. Der Rest von Huntingtons „Clash“ ist – das dürfte jedem Syrien-Reisenden offensichtlich werden – Simplifizierung höchst komplexer Gebilde.
Kulturkreise sind nicht scharf voneinander zu trennen, ja nicht einmal unscharf zu definieren. Ist Athen Westen oder Osten? Das so orientalische Marokko liegt westlicher als Deutschland. In Amman sieht man mehr Fast-Food-Ketten auf einem Haufen als in einer deutschen Großstadt, im griechisch-orthodoxen Kloster der Hl. Thekla, bekannt für Hilfe bei Bein- und Fußerkrankungen, beteten muslimische Männer an Krücken, in Aleppo habe ich mehr Kirchen besichtigt als in Berlin, und bei McDonald’s im Flughafen von Boston unterhielt sich eine verschleierte Frau vor mir in der Schlange beim Kauf ihres Burgers mit der Bedienung auf Arabisch.
Die in uns allen so präsente Dichotomie von Abendland und Morgenland ist nicht nur nicht hilfreich, sondern auch irreführend. Das ist über 30 Jahre nach Edward Said zwar keine neue Erkenntnis, aber dennoch eine Erfahrung, die sich auf unserer Reise Tag für Tag erneuert. Ein Nebenaspekt unseres archäologischen Reisestipendiums lehrt uns so ständig, daß die heute wieder so aktuelle simple Trennung von islamischer Welt und „Westen“ eine zwar alte, aber deshalb nicht weniger polemische Vereinfachung ist. Sie unterstreicht eigentlich nur, daß man sich eigentlich sehr nahe steht, denn Gegensätze zur Selbstfindung sucht man bekanntlich am liebsten bei den Nachbarn.
Philipp von Rummel
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