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  • Wissenschaftliche Theorien trennen in falsifizierbare und nicht falsifizierbare

    06.04.2009, Prof. Dr. Klaus von der Heide, Güster
    So wie Informatiker den Berechnungsaufwand von Algorithmen in polynomial und nichtpolynomial einteilen oder Probleme in entscheidbar und nichtentscheidbar klassifizieren, so gibt es bei wissenschaftlichen Theorien die Trennung in falsifizierbare und nichtfalsifizierbare. Dabei mag es auch Fälle geben, die man noch nicht zuordnen kann. Die Einteilung an sich klassifiziert die Theorien. Sie steht nicht zur Disposition. Dies ist eben nicht "Poppers vermeintlich unumstößliches Kriterium" sondern die Grundlage der empirischen Wissenschaften überhaupt und damit der gesamten Technik. Möchte sich Robert Matthews wirklich Brücken, Flugzeugen und Kraftwerken anvertrauen, die nach Theorien entworfen wurden, die sich nicht im Prozess der Auslese durch Falsifikation bewähren mussten? Es steht jedem Wissenschaftler frei, seine Theorien falsifizierbar zu formulieren.


    Alle vorgebrachten Einwände gegen die Forderung nach Falsifizierbarkeit erweisen sich als Scheineinwände, die auf sehr leichtfertiger Interpretation von Poppers überaus klar formulierten Schriften beruhen. Das Beispiel der newtonschen Gravitationstheorie fußt auf einer bedauerlichen Vermengung von Begriffen. Diese Theorie ist falsifiziert und gehört damit nicht mehr zum Grundgerüst der Physik. Sie ist von einer Basistheorie degradiert zu einer mathematischen Approximation. Auch wird die Wissenschaft mehrfach mit dem Individuum verwechselt, das zum Fortschritt dieser Wissenschaft beiträgt, oder an anderer Stelle mit dessen persönlichem Vorgehen zum Auffinden möglicher Zusammenhänge. Gleich doppelt bösartig ist dabei die Unterstellung "Er (Einstein) war sicherlich nicht der letzte Wissenschaftler, der unpassende Resultate einfach verwarf - wie Popper zugeben musste". Einstein hatte schwerwiegende Gründe, weshalb er einigen Messungen nicht traute. Die Formulierung "unpassende Resultate verwerfen" wird sonst nur im Zusammenhang mit geschönten Statistiken eigener Messungen verwendet (eine wissenschaftliche Straftat). Und Popper wurde nicht zu einem "Zugeben" gezwungen. Vielmehr hat er den Fortschritt der Wissenschaft als Prozess innerhalb einer Gemeinschaft beschrieben, deren Individuen durchaus fehlbar sind.


    "Wenn die trügerisch einfache Falsifikation in die Irre führt, was dann?" fragt Matthews. Was ist an einer Definition trügerisch, was meint er mit Irre, wie sollte die abstrakte Einteilung wissenschaftlicher Theorien überhaupt Wirkung in der realen Welt zeigen? Doch allenfalls über menschliche Entscheidungen. Die Freiheit des Wissenschaftlers wird durch die Klassifikation gar nicht angetastet. Wissenschaftlich fragwürdig ist auch das Vorgehen dieser Arbeit, die bayessche Methode so ausführlich darzustellen ohne Poppers Beweise, dass es eine probabilistische Induktion gar nicht geben kann, überhaupt zu erwähnen - geschweige denn Fehler in ihnen aufzuzeigen. Beweise ignorieren und Nichtfalsifizierbares für empirische Wissenschaft halten, das passt zusammen. Doch Nichtfalsifizierbares gehört wie Ethik, Kunst und Religion in eine andere Kategorie. Es hat Zeiten gegeben, in denen diese Trennung nicht klar war. Danach sollten wir uns nicht zurücksehnen.

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