Vom Geistesblitz zur Selbstdarstellung?
Zuerst dachte ich: Schon wieder so ein "durchgeknallter" Lehrer, der die moderne Physik widerlegen will. Traditionell haben es einige auf das Gravitationsgesetz, die Relativitätstheorie oder die Quantenphysik abgesehen – häufig auf der Basis von abstrusem Pseudowissen. Hier liegt der Fall anders, denn eines kann man Alexander Unzicker, promovierter Physiklehrer an einem Bayerischen Gymnasium, sicher nicht nachsagen: Er hätte von der Sache keine Ahnung.
Insofern hat seine Kritik an der gegenwärtigen Physik – faktisch eine Art Rundumschlag – durchaus Substanz. Unzicker wandelt mit "Vom Urknall zum Durchknall" dabei auf bekannten Pfaden eines Lee Smolin, Roger Penrose, Robert Laughlin oder Peter Woit. Etwas unangenehm und fast abschreckend – im Vergleich zu den besagten (englischsprachigen) Vorbildern – fällt allerdings ein gewisses "Besserwissen" auf. Natürlich sollte sich die Physik unangenehme Fragen gefallen lassen, aber muss es gleich derart provokant zugehen? Ob insbesondere Kosmologie und die Theorie der Elementarteilchen derzeit einen "Durchknall" erleben, ist zumindest fraglich. Überdies wird man den Eindruck einer gewissen Selbstdarstellung nicht los. Zu oft werden die Teilnahme an internationalen Konferenzen in aller Welt, die zahlreichen Kontakte zu den Größen der Szene sowie eigene Forschungen hervorgehoben. Das schürt eher das Vorurteil, dass Lehrer viele Freiheiten genießen.
Ausgebreitet wird in vielen, eigenwillig betitelten Kapiteln und Abschnitten ("Galilei würde ausflippen!") eine Art Verschwörungstheorie der Theoretischen Physik, die es munter zu bekämpfen gilt. Klar, dass dabei vor allem die derzeit dominierende Stringtheorie im Visier ist. Hier werden allerdings viele Argumente der oben genannten Vorbilder wiederholt. Zweifellos fordert diese Theorie – wenn es überhaupt eine ist – viel Kritik heraus. Zu mächtig ist dabei die höhere Mathematik, die offensichtlich um ihrer selbst willen betrieben wird. Auf der Strecke bleiben die physikalischen Prinzipien, von experimenteller Verifikation ganz zu schweigen.
Mehr noch: Es hat sich eine internationale Struktur etabliert, die fast schon den fundamentalistischen Charakter hat. Die String-Gemeinde bestimmt über ein ausgeklügeltes Gutachtersystem, was wie veröffentlicht wird und wer wo Karriere machen kann. Kritische Stimmen oder alternative Ideen haben gegen diese Ideologie kaum eine Chance. Hier kann man Unzicker nur zustimmen. Sollten wir aber gleich an allem zweifeln? Selbst Smolin und Penrose gehen nicht so weit, auch die erfolgreichen Standardmodelle der Makro- und Mikrophysik zu verteufeln. Sogar Relativitäts- und Quantentheorie, aufgrund ihrer physikalischen und experimentellen Grundlagen viel gerühmt, bekommen ihr Fett weg. Auf wackligeren Füßen stehen natürlich Inflationstheorie, Dunkle Energie und die Supersymmetrie mit ihrem spekulativen Teilchenzoo. Unzicker wettet sogar darauf, dass das Higgs-Boson nicht existiert – warten wir gelassen ab, was ein funktionsfähiger LHC liefert.
Ein solches, mit viel Polemik vorgetragenes "Physikbashing" ist auf dem deutschen Markt bislang einmalig. Provokation verkauft sich immer gut. Der Autor sucht nach einem neuen Messias à la Einstein oder Heisenberg, der endlich die Tische der verruchten Händler im Tempel der Physik umstürzt: ein Mann mit neuen, revolutionären Ideen, die aus dem Zentrum der Physik kommen und nicht aus mathematischem Kalkül. Hier wird immer wieder auf Dirac verwiesen, der in der Tat ein wissenschaftlicher Freigeist war. Er hatte es gewagt, an der Konstanz der fundamentalen "Naturkonstanten" zu zweifeln, allen voran Newtons "G". Der Autor geht aber noch weiter und macht sogar vor der ehrwürdigen Lichtgeschwindigkeit nicht halt.
Zweifellos ist das Buch und die darin angeprangerte "absurde Jagd nach der Weltformel", so der Untertitel, eine interessante und anregende Lektüre. Der Laie kann aber kaum beurteilen, ob Unzicker mit seiner Kritik richtig oder falsch liegt. Und ob er überdies in der Lage ist, die vielen zitierten Internetartikel von Preprintservern zu studieren und zu verstehen, wage ich zu bezweifeln. Selbst ein Physiker dürfte hier Probleme haben, da viele Theorien, wie etwa die Loop-Quantengravitation, einfach zu abgehoben sind – aber genau das wird ja vom Autor – teilweise zurecht – angeprangert.
Der Text ist flüssig geschrieben; allerdings hätte man sich ein besseres Lektorat gewünscht (so wird Pluto auf S. 90 sogar zum "Kleinplaneten" degradiert). Das Buch enthält nur wenige Schwarzweißabbildungen, darunter zwei, wohl nicht ernst gemeinte, "Strickmuster" zur Theoretischen und Experimentalphysik. Es gibt einige Erklärungsboxen mit einfachen Formeln, Literaturangaben nach jedem Kapitel sowie Namens- und Sachverzeichnisse.
Als Fazit bleibt die spannende Frage: Wird die Theoretische Physik bald unter ihrem eigenen mathematischen Übergewicht und der angeprangerten Ignoranz des Experiments in sich zusammenbrechen? Vorbild dieses Szenarios – und vom Autor gebetsmühlenartig zitiert – ist die Epizykeltheorie des geozentrischen Weltbilds. Übrigens hat auch der vom ihm so geschätzte Heisenberg in seinen letzten Jahren eine "Weltformel" aufgestellt, die aber zum Glück wieder in der Versenkung verschwand.
Insofern hat seine Kritik an der gegenwärtigen Physik – faktisch eine Art Rundumschlag – durchaus Substanz. Unzicker wandelt mit "Vom Urknall zum Durchknall" dabei auf bekannten Pfaden eines Lee Smolin, Roger Penrose, Robert Laughlin oder Peter Woit. Etwas unangenehm und fast abschreckend – im Vergleich zu den besagten (englischsprachigen) Vorbildern – fällt allerdings ein gewisses "Besserwissen" auf. Natürlich sollte sich die Physik unangenehme Fragen gefallen lassen, aber muss es gleich derart provokant zugehen? Ob insbesondere Kosmologie und die Theorie der Elementarteilchen derzeit einen "Durchknall" erleben, ist zumindest fraglich. Überdies wird man den Eindruck einer gewissen Selbstdarstellung nicht los. Zu oft werden die Teilnahme an internationalen Konferenzen in aller Welt, die zahlreichen Kontakte zu den Größen der Szene sowie eigene Forschungen hervorgehoben. Das schürt eher das Vorurteil, dass Lehrer viele Freiheiten genießen.
Ausgebreitet wird in vielen, eigenwillig betitelten Kapiteln und Abschnitten ("Galilei würde ausflippen!") eine Art Verschwörungstheorie der Theoretischen Physik, die es munter zu bekämpfen gilt. Klar, dass dabei vor allem die derzeit dominierende Stringtheorie im Visier ist. Hier werden allerdings viele Argumente der oben genannten Vorbilder wiederholt. Zweifellos fordert diese Theorie – wenn es überhaupt eine ist – viel Kritik heraus. Zu mächtig ist dabei die höhere Mathematik, die offensichtlich um ihrer selbst willen betrieben wird. Auf der Strecke bleiben die physikalischen Prinzipien, von experimenteller Verifikation ganz zu schweigen.
Mehr noch: Es hat sich eine internationale Struktur etabliert, die fast schon den fundamentalistischen Charakter hat. Die String-Gemeinde bestimmt über ein ausgeklügeltes Gutachtersystem, was wie veröffentlicht wird und wer wo Karriere machen kann. Kritische Stimmen oder alternative Ideen haben gegen diese Ideologie kaum eine Chance. Hier kann man Unzicker nur zustimmen. Sollten wir aber gleich an allem zweifeln? Selbst Smolin und Penrose gehen nicht so weit, auch die erfolgreichen Standardmodelle der Makro- und Mikrophysik zu verteufeln. Sogar Relativitäts- und Quantentheorie, aufgrund ihrer physikalischen und experimentellen Grundlagen viel gerühmt, bekommen ihr Fett weg. Auf wackligeren Füßen stehen natürlich Inflationstheorie, Dunkle Energie und die Supersymmetrie mit ihrem spekulativen Teilchenzoo. Unzicker wettet sogar darauf, dass das Higgs-Boson nicht existiert – warten wir gelassen ab, was ein funktionsfähiger LHC liefert.
Ein solches, mit viel Polemik vorgetragenes "Physikbashing" ist auf dem deutschen Markt bislang einmalig. Provokation verkauft sich immer gut. Der Autor sucht nach einem neuen Messias à la Einstein oder Heisenberg, der endlich die Tische der verruchten Händler im Tempel der Physik umstürzt: ein Mann mit neuen, revolutionären Ideen, die aus dem Zentrum der Physik kommen und nicht aus mathematischem Kalkül. Hier wird immer wieder auf Dirac verwiesen, der in der Tat ein wissenschaftlicher Freigeist war. Er hatte es gewagt, an der Konstanz der fundamentalen "Naturkonstanten" zu zweifeln, allen voran Newtons "G". Der Autor geht aber noch weiter und macht sogar vor der ehrwürdigen Lichtgeschwindigkeit nicht halt.
Zweifellos ist das Buch und die darin angeprangerte "absurde Jagd nach der Weltformel", so der Untertitel, eine interessante und anregende Lektüre. Der Laie kann aber kaum beurteilen, ob Unzicker mit seiner Kritik richtig oder falsch liegt. Und ob er überdies in der Lage ist, die vielen zitierten Internetartikel von Preprintservern zu studieren und zu verstehen, wage ich zu bezweifeln. Selbst ein Physiker dürfte hier Probleme haben, da viele Theorien, wie etwa die Loop-Quantengravitation, einfach zu abgehoben sind – aber genau das wird ja vom Autor – teilweise zurecht – angeprangert.
Der Text ist flüssig geschrieben; allerdings hätte man sich ein besseres Lektorat gewünscht (so wird Pluto auf S. 90 sogar zum "Kleinplaneten" degradiert). Das Buch enthält nur wenige Schwarzweißabbildungen, darunter zwei, wohl nicht ernst gemeinte, "Strickmuster" zur Theoretischen und Experimentalphysik. Es gibt einige Erklärungsboxen mit einfachen Formeln, Literaturangaben nach jedem Kapitel sowie Namens- und Sachverzeichnisse.
Als Fazit bleibt die spannende Frage: Wird die Theoretische Physik bald unter ihrem eigenen mathematischen Übergewicht und der angeprangerten Ignoranz des Experiments in sich zusammenbrechen? Vorbild dieses Szenarios – und vom Autor gebetsmühlenartig zitiert – ist die Epizykeltheorie des geozentrischen Weltbilds. Übrigens hat auch der vom ihm so geschätzte Heisenberg in seinen letzten Jahren eine "Weltformel" aufgestellt, die aber zum Glück wieder in der Versenkung verschwand.
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