Raum und Zeit.
Aus dem Englischen von Claus Kiefer. Rowohlt, Reinbek 1998. 191 Seiten, DM 39,80.
Kein Lehrbuch der Theoretischen Physik, das ich kenne, setzt soviel voraus wie dieses für das allgemeine Publikum bestimmte Buch mit seiner Erstauflage von 15000 Exemplaren allein in Deutschland. Es enthält mehr als 50 Formeln – und was für Formeln! Manche stehen ohne nennenswerte Erklärung da wie Ikonen, so auf Seite 23 die Starke Energiebedingung. Andere werden erläutert: „Hierin bezeichnet v einen affinen Parameter entlang einer Kongruenz von Geodätischen mit Tangentenvektor la, die hyperflächenorthogonal ist. Die Größe p ist die gemittelte Konvergenzrate der Geodätischen und s ein Maß für die Scherung. Der Term Rablalb gibt den direkten gravitativen Einfluß der Materie auf die Kongruenz von Geodätischen an“ (Seite 21/22). Wahrlich, wer diese Erklärung versteht, braucht keine. Das Buch gibt sechs Vorlesungen wieder, welche die britischen Mathematikprofessoren Stephen Hawking und Roger Penrose innerhalb von sechs Monaten abwechselnd am Isaac Newton Institute for Mathematical Sciences der Universität Cambridge in England gehalten haben. Abgeschlossen wird es mit einer Debatte der beiden Autoren; Fragen der Zuhörer und die Antworten der Vortragenden sind ebenfalls abgedruckt. Die diskutierten Probleme gehören ohne Zweifel zu den fundamentalsten der heutigen Physik. Letztlich geht es um die Vereinigung der Quantenfeldtheorie mit der Allgemeinen Relativitätstheorie; spezielle kontroverse Fragen betreffen den (scheinbaren?) Informationsverlust durch Schwarze Löcher, den die Quantenmechanik für unmöglich erklärt, und die Interpretation der Quantenmechanik selbst. Eingestreute philosophische Auseinandersetzungen, von denen Michael Atiyah, der Autor des Vorworts, ausdrücklich nicht zu sagen weiß, ob sie „auf einer höheren (oder tieferen) Ebene geführt werden“, geben durchaus verständliche Einblicke in die Gedankenwelt der Autoren, die zu den renommiertesten Wissenschaftlern unseres Jahrhunderts zählen. Nur ist die Botschaft des Buches, soweit sie allgemeinverständlich ist, im wesentlichen bereits in den Auszügen enthalten, die in dieser Zeitschrift (September 1996; Seite 46) abgedruckt sind. Diese sind durch beigefügte Erläuterungen einiger auftretender Begriffe wie „Entartungsdruck“ sogar leichter lesbar als das Buch selbst. Die Übersetzung durch den Theoretischen Physiker Claus Kiefer aus Freiburg ist vorzüglich. Ich habe nur einen einzigen, zudem unbedeutenden, Fehler gefunden: Durch ein hinzugefügtes i ist eine Matrix auf Seite 152 nicht hermitesch, sondern antihermitesch. Das Wort „ausspurt“ auf Seite 179 ist kein Druckfehler; die – im Buch unerläuterte – mathematische Prozedur heißt tatsächlich so.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1999, Seite 82
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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