Gegen Schnupfen mit Nebenwirkung: Macht Nasenspray süchtig?
Man bekommt sie rezeptfrei in der Apotheke: abschwellende Nasensprays. Xylometazolin, Oxymetazolin, Tramazolin, Phenylephrin, Tetryzolin oder Naphazolin heißen die Wirkstoffe, die sie enthalten und die zu den sogenannten Alpha-Sympathomimetika zählen. Sie stimulieren gezielt die Alpha-Adrenorezeptoren des sympathischen Nervensystems und sorgen dafür, dass sich die Blutgefäße in der Nasenschleimhaut zusammenziehen. Dadurch schwillt die Nasenschleimhaut ab und das Atmen fällt wieder leichter. Der wohltuende Effekt der Sympathomimetika kann bis zu zwölf Stunden anhalten. Eigentlich eine tolle Sache, wäre da nicht der sogenannte Rebound-Effekt, der bei diesen Wirkstoffen nach längerfristiger Anwendung auftritt.
»Rebound« bedeutet so viel wie »Rückprall« und beschreibt das Phänomen, dass sich das Symptom, das man eigentlich bekämpft, sogar verstärkt, sobald die Wirkung des Medikaments abklingt oder man es absetzt. Durch den andauernden Gebrauch von abschwellenden Nasensprays kommt es zur chronischen Schwellung der Nasenschleimhäute, einer Art Arzneimittel-Schnupfen (Rhinitis medicamentosa), auch Privinismus genannt. Bereits Mitte des letzten Jahrhunderts haben Wissenschaftler das Phänomen beschrieben – als Namenspatron musste das Nasentropfenpräparat Privin herhalten, das bei anhaltendem Gebrauch ebendiese ungünstige Nebenwirkung zeigt. Welcher Mechanismus Privinismus verursacht, ist unklar. Aber es gibt verschiedene Hypothesen:
- Theorie Nummer eins beschreibt einen Gewöhnungseffekt. Demnach würden die Alpha-Rezeptoren durch die anhaltende (Über-)Stimulation durch den Arznei-Wirkstoff immer weniger empfindlich, so dass sie auf die im Körper übliche Botenstoffkonzentration nicht mehr ansprechen.
- Der zweite Ansatz geht von einem Rückkopplungs-Mechanismus aus, der den im Körper vorkommenden Vorrat an Botenstoffen mit gefäßverengender Wirkung leert, so dass ohne Wirkstoff kein Abschwellen mehr möglich ist.
- These drei ist da schon exotischer: Die Sympathomimetika könnten – anders als bisher angenommen – nicht nur an Alpha-, sondern zugleich auch an Beta-Rezeptoren angreifen. Dadurch würden sie gleichzeitig gefäßerweiternd wirken, was allerdings durch den gefäßverengenden Effekt, der überwiegt, maskiert wird. Der Rebound ließe sich dann so erklären: der gefäßerweiternde Effekt nimmt schließlich Überhand, weil er länger anhält als der verengende.
- Auch immer wieder heiß diskutiert: ob das in den Sprays enthaltene Konservierungsmittel Benzalkoniumchlorid an der Entstehung von Privinismus beteiligt ist oder die chronische Schwellung zumindest begünstigt.
Leider ist bis heute auch strittig, ab wann man mit der unerwünschten Wirkung der Sympathomimetika-Nasensprays rechnen muss. Einige Studien legen nahe, dass bereits nach drei Tagen ein Rebound-Effekt auftritt, andere beobachteten ihn erst nach zehn Tagen. Egal ob abschwellendes Spray, Gel oder Tropfen, die Verabreichungsform macht in Sachen Nebenwirkungen keinen Unterschied: schädlich sind sie alle.
Wer alle naselang Sympathomimetika auf seine Schleimhaut aufbringt, trocknet sie damit aus. Die in Mitleidenschaft gezogene Nasenschleimhaut kann sich schlechter selbst reinigen, ist anfälliger für Keime und kann ihre Abwehrfunktion nicht mehr erfüllen. Eine Spätfolge des Dauereinsatzes von abschwellenden Mitteln ist die Rhinitis atrophicans, auch Stinknase genannt. Auf der ausgetrockneten Nasenschleimhaut gedeihen immer mehr Bakterien, gerne in gelblich-grünlichen Kolonien, die einen fauligen süßlichen Geruch absondern.
Auch das Knorpelgewebe der Nase wird durch den Dauergebrauch geschädigt: durch die verringerte Durchblutung kann er absterben und so, zum Beispiel, ein Loch in der Nasenscheidenwand entstehen und oder der Nasenrücken einsacken, wodurch es zu der auch als »Boxernase« bekannten Sattelnase kommen kann.
Es gibt unterschiedliche Wege aus der Nasenspray-Abhängigkeit. Denkbar wäre, allmählich auf Kinderpräparate, Salzwasser- oder pflegende Sprays mit Dexpanthenol umzusteigen. Oder man verdünnt das Nasenspray immer wieder, um den Wirkstoff ausschleichen zu lassen. Unter Betreuung eines Arztes kann man mithilfe eines cortisonhaltigen Sprays von den abschwellenden Präparaten loskommen. In dem meisten Fällen tut es aber ein (halbseitig) kalter Entzug: Man versorgt nur ein Nasenloch mit dem abschwellenden Spray und zwar solange, bis die Nasenschleimhaut im anderen Nasenloch sich wieder erholt hat. In der Regel reichen dafür zwei Wochen, bis man dann vollends auf das Spray verzichten kann.
Nasenspray ist nicht gleich Nasenspray
Welches Nasenspray bei einer verstopften Nase sinnvoll ist, hängt von deren Ursache ab. Bei entzündlichen Erkrankungen der Nasenschleimhaut, wie einer Allergie, sind antientzündliche Präparate sinnvoll. Die können über viele Monate angewendet werden und machen nicht abhängig.
Wer mit einem akuten Infekt wieder frei durchatmen will, kann statt zu einem abschwellenden Spray zu einer hypertonen Kochsalz- oder Meersalzlösung greifen. Hyperton heißt, dass der Salzgehalt höher ist, als der, der normalerweise in den Zellen und Flüssigkeiten des Körpers vorherrscht. Angewendet als Spray, Tropfen oder Nasenspülung entzieht die hypertone Lösung der Nasenschleimhaut auf osmotischem Weg überschüssiges Wasser, so dass diese abschwillt. Dieser Effekt dauert etwa eine halbe Stunde an. Dann muss man nachlegen, was man bei diesem Wirkstoff allerdings bedenkenlos tun kann.
Allen verschnupften Virengeplagten, denen die Schlagkraft der Salzlösungen nicht genügt, sei an dieser Stelle versichert: Je gezielter und kurzfristiger man abschwellende Sprays anwendet, umso unbedenklicher sind sie.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.