Damm-Katastrophe in Brasilien: Der globale Bergbau-Skandal
Dutzende Meter hohe Bauwerke sollten nicht so einfach einstürzen. Dennoch passiert es regelmäßig, und zwar überall auf der Welt. Menschen sterben und verlieren ihr Zuhause, die Aufräumarbeiten dauern Monate, und alle wissen: Die nächste Tragödie kommt bestimmt. Die neueste Episode des globalen Skandals spielte sich in Brasilien nahe der Millionenstadt Belo Horizonte ab. Am Freitag sackte der 87 Meter hohe Damm eines Rückhaltebeckens in sich zusammen, eine Lawine aus Wasser und Schlamm wälzte sich talabwärts und tötete wohl mehr als 300 Menschen.
Der rote Schlick stammt aus der Verarbeitung von Eisenerz aus einem nahe gelegenen Tagebau des Minenunternehmens Vale. Selbst die besten Erze enthalten einen großen Anteil anderer Minerale, die abgetrennt werden müssen. Dazu wird das Gestein gemahlen und durch ein Verfahren getrennt, bei dem das Erz als Schaum auf einem Wasserbecken schwimmt, während sich alles andere als Schlamm absetzt. Dieser Schlamm lagert in gigantischen Mengen hinter Dämmen wie jenem bei dem Ort Brumadinho.
2nd dam at Brumadinho tailings dam collapse site in Brazil appears compromised.
I fervently hope the warning system is up to the task of providing disaster response personnel with adequate notice if evacuation is necessary.
Leaking dam and view from above. pic.twitter.com/Dqkk8t1RiP
Fördert man andere Erze, entstehen andere Schlämme, aber alle Arten von Erzgewinnung brauchen viel Wasser, so dass die riesigen Rückhaltebecken fast überall rund um die Bergwerke zu finden sind. Und immer wieder laufen sie aus. Erst 2015 brach auf der anderen Seite des Großraums Belo Horizonte, vielleicht 150 Kilometer von Brumadinho entfernt, der Bento-Rodrigues-Damm, ein weiteres Rückhaltebecken für Bergbauschlamm. 19 Menschen starben, der Vorfall gilt als Brasiliens größte Umweltkatastrophe bisher.
Weltweite Nachlässigkeit
Aber es trifft nicht nur Brasilien. Im März 2018 kollabierte das Rückhaltebecken einer australischen Goldmine, zum Glück ohne dramatische Folgen, in den Jahren davor brachen ähnliche Dämme in Spanien, Israel, den USA und China. In Ungarn starben 2010 zehn Menschen, als stark ätzende Rückstände aus der Aluminiumverarbeitung aus einem Rückhaltebecken ausliefen. Und so weiter.
Diese extreme Unzuverlässigkeit macht einfach nur fassungslos, besonders wenn man bedenkt, was hinter diesen Dämmen lagert. Es geht ja nicht nur um ein bisschen Schlick. Das Material in den Rückhaltebecken ist, je nach Herkunft, mal stark sauer, mal sehr alkalisch, oft mit Schwermetallen oder giftigen Chemikalien belastet und gelegentlich radioaktiv. Selbst wenn es bei einem solchen Unfall keine Toten gibt, meistens fließen die giftigen Fluten in den nächsten Fluss, töten alle Fische, bedrohen das Grundwasser oder ersticken ganze Landschaften unter meterdicken Schlammdecken.
Angesichts der Folgen und Kosten, die diese versagenden Bauwerke immer wieder mit sich bringen, muss man sich schon wundern, wie leichtfertig solche Unglücke anscheinend hingenommen werden. Zumal das Problem ja keineswegs unlösbar ist, im Gegenteil. Weltweit stehen zigtausende Dämme aller Größen, Formen und Funktionen: Wasserspeicher für Bevölkerung und Landwirtschaft, Wasserkraftwerke, Pumpspeicher, Flutschutz. Viele von ihnen geben Anlass zur Sorge, aber immerhin kippen solche Dämme nicht alle paar Monate um.
Dass es immer wieder die Rückhaltebecken sind, die brechen, hat einfach wirtschaftliche Gründe. Vor ein paar Jahren hat eine Arbeitsgruppe sogar Indizien dafür gefunden, dass die Dämme proportional zu den Rohstoffpreisen zeitversetzt brechen: In Boomjahren, so das Team, würden Ressourcen in schwierigeren Gegenden ausgebeutet und die Dämme weniger sorgfältig gebaut. Sinken die Preise wieder, sei wegen Sparmaßnahmen nicht genug Geld da, um die Dämme zu warten. Im Grunde ist es nicht verwunderlich, dass die Rückhaltebecken für die betreibenden Unternehmen nur einen Nachgedanken darstellen – schließlich sammelt man dort Abfälle. Aber warum lassen Gesellschaften und Regierungen sich bei diesen kritischen Bauwerken Unfallraten gefallen, die bei keiner anderen technischen Einrichtung auch nur annähernd akzeptabel wären?
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