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Erdbeben in Ischia: Das italienische Rätsel

Selbst eigentlich eher harmlose Naturereignisse werden in Italien zur Tragödie. Wie kann das sein, fragt Lars Fischer.
Erdbebenruine in Sizilien

Die Nachrichten vom Erdbeben auf der Ferieninsel Ischia – eingestürzte Häuser, verschüttete Familien und zwei Tote – sind für solche Naturkatastrophen eigentlich nicht ungewöhnlich. Ein bisschen fassungslos macht allerdings, dass die Erschütterung lediglich etwa Magnitude 4 hatte, rund ein Tausendstel der Energie des verheerenden Bebens von Amatrice im August 2016. Eines der reichsten Länder der Welt schafft es nicht, sich gegen ein eigentlich harmloses Naturereignis abzusichern. Wie kann das sein?

Beben der Magnitude 4 treten selbst im tektonisch eher langweiligen Deutschland immer mal wieder auf: Hierfür reichen schon Bergschäden durch den Kohleabbau. Etwa ein halbes Dutzend davon gab es allein im letzten Jahrzehnt, schlimmere Schäden als Mauerrisse sind dabei üblicherweise nicht zu verzeichnen. Auf Ischia dagegen sackten Gebäude zusammen.

Man kann das zum Teil auf die geologischen Gegebenheiten der betroffenen Region zurückführen – der Bebenherd lag mit fünf Kilometer Tiefe recht flach, und der Untergrund besteht aus unverfestigtem Material. Trotzdem sollten Gebäude eine Erschütterung dieser Größenordnung überstehen. Es sei absurd, dass immer wieder Menschen bei so schwachen Beben sterben, wird deswegen auch der Präsident des Nationalen Rats für Geologie zitiert.

Ein wesentlicher Teil der Erklärung ist vermutlich, dass in Italien Staat und Gesellschaft generell erstaunlich unwillig sind, selbst akuten und bekannten Gefahren zeitig vorzubeugen. Man weiß, dass die Vulkaninsel immer mal wieder seismisch aktiv ist – zum Umsetzen von eigentlich bekannten Präventionsmaßnahmen hat dieses Wissen aber nicht geführt.

Schon nach dem verheerenden Erdbeben von L'Aquila im Jahr 2009 schien offensichtlich, wie dringend das Thema erdbebensicheres Bauen in Italien auf die Agenda gehört – stattdessen stand eine Gruppe Seismologen vor Gericht. Die Angeklagten wurden 2015 endgültig freigesprochen, systematisch bebensicher gebaut wird in den Erdbebengebieten Italiens bis heute nicht.

Da darf man sich schon ein bisschen Sorgen machen, was die Konsequenzen größerer Ereignisse angeht. Zumal Erdbeben auf Ischia womöglich das kleinere Problem sind: Nach Ansicht einiger Fachleute ist der Vulkan der Insel, Monte Epomeo, unter den Vulkanen der Region jener, der als Nächstes ausbrechen könnte. Zusätzlich deuten die Überreste untermeerischer Rutschungen auf bis zu 20 Meter hohe Tsunamis in der Bucht von Neapel hin.

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