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Freistetters Formelwelt: Der lange Weg zum Loch

Das Event Horizon Telescope hat im April das erste Bild eines Schwarzen Lochs veröffentlicht. Zu Recht als wissenschaftliche Sensation gefeiert, verdankt diese Aufnahme ihre Existenz vor allem sehr viel komplexer mathematischer Analyse.
Das ist das Schwarze Loch

Das Bild, das die Welt begeisterte, ist genau genommen eine Visualisierung der Radiostrahlung. Diese stammt aus der Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der 54 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M87 und wird von Materie abgegeben, die das Objekt umkreist, bevor sie hineinfällt. Die Aufnahme zeigt einen hellen Ring intensiver Radioemissionen, der eine dunkle Region umgibt: den Ereignishorizont des Schwarzen Lochs, aus dem nichts mehr entkommen kann.

Die heutigen Radioteleskope sind alle viel zu klein, um die Auflösung zu erreichen, mit der man das Schwarze Loch direkt zeigen könnte. Sein Ereignishorizont ist zwar deutlich größer als unser Sonnensystem, aber um es im Detail sehen zu können, bräuchte man ein Teleskop mit einem Durchmesser von einigen tausend Kilometern. So etwas können wir nicht bauen – doch mit ein wenig Einfallsreichtum und viel Mathematik kann man trotzdem ans Ziel gelangen. Unter anderem mit dieser Formel:

Anzahl der Basislinien

Ein Teleskop kann auch funktionieren, wenn es Löcher hat. Dann sammelt es zwar weniger Licht, sein Auflösungsvermögen wird aber nur durch die Ausmaße des Rands definiert. Im Prinzip kann man also zwei Teleskope weit voneinander entfernt aufstellen und damit ein Gerät simulieren, dessen Größe dem Abstand der beiden Teleskope entspricht. Dazu muss man die elektromagnetischen Wellen beider Geräte zur Interferenz bringen und dann aus dem entstehenden Interferenzmuster rechnerisch das Bild der Strahlungsquelle rekonstruieren. Dieses Muster verändert sich je nach dem Abstand zwischen den Teleskopen. Und je mehr unterschiedliche Muster man kombiniert, desto mehr Informationen erhält man und desto besser wird das Bild.

Das Teleskop als Gesamtkunstwerk

Man verwendet also idealerweise nicht nur zwei Teleskope, sondern mehrere. Dann erhält man, wie in obiger Formel beschrieben, bei n Teleskopen eine Anzahl von b unterschiedlich langen Basislinien. Beim Event Horizon Telescope waren acht Stationen über die ganze Erde verteilt, und somit gab es 28 mögliche Kombinationen, um daraus am Ende das Bild des Schwarzen Loches zu rekonstruieren.

In der Realität muss natürlich noch viel mehr Aufwand getrieben werden. Alle Teleskope müssen gleichzeitig beobachten, was nur geht, wenn an allen Orten zur gleichen Zeit ausreichend gute Beobachtungsbedingungen herrschen. Die Daten müssen aufgezeichnet und mit extrem genauen Zeitstempeln versehen werden. Das ist nur mit Atomuhren möglich, und am Ende müssen die enormen Datenmengen (in diesem Fall mehrere Petabyte) im Computer zusammengeführt und aufwändig kombiniert und analysiert werden.

Die kombinatorische Formel zur Berechnung der möglichen Basislinien ist dabei noch das simpelste Stück Mathematik, das zum Einsatz kommt. Computerprogramme und Mathematik sind bei dieser Technik der »Very Long Baseline Interferometry (VLBI)« mindestens ebenso zentral wie die Teleskope selbst.

Das Event Horizon Telescope soll in Zukunft um zusätzliche Stationen erweitert werden, was noch schärfere Aufnahmen möglich machen wird. Ein »echtes« Bild eines Schwarzen Lochs werden wir trotzdem nicht so schnell bekommen. Denn die Technik der VLBI funktioniert bloß mit Radiosignalen, die aufgezeichnet und zu einem späteren Zeitpunkt analysiert werden können. Bei normalem Licht ist das nicht möglich; hier klappt die astronomische Interferometrie nur, wenn die Teleskope ihr Licht auf direktem Weg – zum Beispiel über Glasfaserkabel – kombinieren können. Dazu dürfen sie nicht zu weit voneinander entfernt sein. Ein optisches Teleskop von der Größe der gesamten Erde wird es also nicht geben. Die virtuellen Riesenradioteleskope werden das Universum jedoch weiterhin beobachten. Und die Mathematik wird weiterhin für beeindruckende Bilder sorgen.

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