Freistetters Formelwelt: Die seltsame 6174
Ich habe kürzlich seit langer Zeit wieder einmal im Buch »Das Mysterium der Zahl: Zahlensymbolik im Kulturvergleich« geblättert. Das interessante Werk beschäftigt sich mit den philosophischen, kulturellen und religiösen Aspekten der Zahlen im Lauf der Jahrtausende. Jede Menge Zahlen werden vorgestellt, aber unter ihnen fehlt die 6174.
Nicht weiter verwunderlich, könnte man meinen: Immerhin gibt es schon allein unendlich viele natürliche Zahlen und nicht jede davon kann es wert sein, in einem Buch beschrieben zu werden. Wir Menschen haben vor allem die kleinen, unserem Alltag näheren Zahlen mit kultureller Bedeutung aufgeladen. Daraus folgt allerdings nicht, das anderswo nicht auch spannende Einsichten zu finden wären.
Betrachten wir diese Formeln:
Man muss ein wenig nachdenken, um zu erkennen, was hier aufgeschrieben ist. Es handelt sich um nichts anderes, als eine – zugegeben etwas komplizierte – Form, die Subtraktion zweier Zahlen zu beschreiben. In dem Fall sind es zwei vierstellige Zahlen, die beide aus den vier Ziffern a, b, c und d bestehen. a ist die größte Ziffer, b, c und d sind jeweils kleiner oder gleich dem Vorgänger, wobei ausgeschlossen wird, dass alle identisch sind. Diese Ziffern werden nun einmal so angeordnet, dass die größtmögliche Zahl entsteht und einmal so, dass die kleinstmögliche Zahl gebildet wird.
Was ist los mit der 6174?
Nehmen wir als Beispiel die Zahl 4258. Wenn wir die Ziffern entsprechend umstellen, erhalten wir mit 8542 die größtmögliche Zahl; drehen wir die Reihenfolge um, kriegen wir mit 2458 den kleinsten Fall. Ziehen wir jetzt die eine von der anderen ab (8542 – 2458), erhalten wir 6084 als Ergebnis. Mit dieser Zahl wiederholen wir den Vorgang: 8640 – 0468 = 8172. Vier weitere Durchläufe führen zur Rechnung 7641 – 1467 = 6174. Und damit sind wir am Ende angelangt: Jeder weitere Rechenschritt wiederholt den vorhergehenden, und das Resultat ist immer 6174.
Das ist an sich noch nicht erstaunlich, sondern einfach nur viel Rechenarbeit. Man kann das Verfahren aber mit einer beliebigen vierstelligen Zahl wiederholen – sofern sie die oben genannten Bedingungen erfüllt – und wird immer bei 6174 landen. Entdeckt hat dieses Phänomen der indische Mathematiker Dattathreya Ramachandra Kaprekar im Jahr 1955. Mit etwas Arbeit kann man sein Resultat auch leicht aus den oben aufgeführten Gleichungen ableiten. Sie beschreiben die vier Ziffern A, B, C und D, die das Resultat der Subtraktion abcd – dcba bilden. Um bei wiederholter Anwendung bei einem Fixpunkt wie 6174 zu landen, muss ABCD als Kombination der Ziffern a, b, c und d geschrieben werden können. Löst man das Gleichungssystem entsprechend auf, erhält man als einzig gültiges Resultat ABCD = 6174.
Diese seltsame Zahl ist also tatsächlich einzigartig – sofern man die trivialen Fälle ignoriert, bei denen a = b = c = d gilt und das Verfahren schon im ersten Schritt mit einem Resultat von 0 endet. 6741 wird heute Kaprekar-Konstante genannt und man kann das Konzept natürlich verallgemeinern. Für dreistellige Zahlen findet sich ebenfalls eine Konstante, nämlich 495. Für Zahlen mit mehr als vier Ziffern kann man manchmal mehrere Konstanten finden, manchmal unterschiedlich lange Zyklen. Das Prinzip funktioniert auch bei Zahlen die nicht im Dezimalsystem dargestellt werden, sondern zum Beispiel im Hexadezimalsystem.
Die Zahl 6174 ist außergewöhnlich. Ob sie das nur durch Zufall ist oder ob sich dahinter vielleicht irgendeine tiefere Einsicht aus der Zahlentheorie versteckt, ist unbekannt. Aber sie macht uns auf jeden Fall neugierig – und das ist immer der erste Schritt, wenn man etwas Neues entdecken möchte.
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