Freistetters Formelwelt: Die Wahrheit über die Sternzeit
Die Sternzeit aus der Fernsehserie »Star Trek« soll vermutlich vor allem futuristisch klingen. Beim Verfassen der Drehbücher haben die Autorinnen und Autoren schlicht nicht darauf geachtet, dass die Angaben konsistent sind. Den zusammengewürfelten Zahlen im Nachhinein ein vernünftiges System aufzudrücken, hat sich als schwierig erwiesen. Die Folge: Seit Jahrzehnten streiten sich die Fans von »Raumschiff Enterprise« über eine »korrekte« Formel, mit der man aus der Sternzeit ein normales Datum errechnet.
Die Astronomie hat es da deutlich besser. Da lässt sich die Sternzeit ganz einfach formulieren.
In der folgenden Formel ist Θ die Sternzeit, τ ist der Stundenwinkel und α die Rektaszension eines Sterns. Was das bedeutet, klären wir gleich – noch einfacher lässt sich die Sternzeit nämlich ganz ohne Formel definieren: Die Sternzeit ist der Stundenwinkel des Frühlingspunktes.
Auch das braucht allerdings ein paar Erläuterungen. Der Frühlingspunkt ist einer der beiden Schnittpunkte zwischen dem Himmelsäquator und der Ekliptik. Ersterer ist der auf den Himmel projizierte Äquator der Erde, Letztere die scheinbare Bahn, die von der Sonne im Lauf eines Jahres am Himmel gezogen wird. Der Frühlingspunkt ist – wenig überraschend – genau der Punkt, an dem die Sonne steht, wenn auf der Nordhalbkugel der astronomische Frühlingsbeginn ist. An diesem Tag steht die Erdachse daher auch genau senkrecht auf der Linie, die den Mittelpunkt der Erde mit dem Mittelpunkt der Sonne verbindet. Und deswegen sind Tag und Nacht gleich lang.
Frühlingspunkt
Diesen Punkt hat die Astronomie als Nullpunkt für eines ihrer Koordinatensysteme gewählt. Er dreht sich mit der Erde mit, und um die Position eines Sterns zu bestimmen, verwendet man »Rektaszension« und »Deklination«. Die Deklination ist die Höhe des Sterns über dem Himmelsäquator; die Rektaszension erhält man, wenn man vom Stern aus einen Kreisbogen direkt nach unten bis zum Himmelsäquator zieht und von dort aus an ihm entlang die Strecke bis zum Frühlingspunkt misst. Der hat eine Rektaszension von 0 Stunden; eine komplette Runde um den Himmelsäquator sind 24 Stunden.
Die Koordinaten des Frühlingspunktes bleiben immer gleich, wie es sich für den Nullpunkt gehört. Da das ganze Koordinatensystem aber rotiert, kann man auch diese Rotation angeben, und dazu braucht man den Stundenwinkel. Das ist hier der Abstand zwischen Frühlingspunkt und dem Meridian, also dem gedachten Kreis, der von Norden aus über den Zenit nach Süden und wieder zurück läuft – das heißt, seine Position hängt vom konkreten Beobachtungsort ab. Das Koordinatensystem rotiert mit der Erde mit, und deswegen ändert sich der Abstand zwischen Frühlingspunkt und Meridian im Verlauf eines Tages ständig.
Jetzt ist klar, was mit »Die Sternzeit ist der Stundenwinkel des Frühlingspunktes« gemeint ist. In dem Moment, in dem sich der Frühlingspunkt genau im Meridian befindet, zeigt die Sternzeit 0 Stunden an. Im Lauf einer Erdrotation wächst der Abstand immer weiter, bis der Frühlingspunkt nach einer Runde wieder am Ausgangspunkt angekommen ist. Nun sind 24 Sternstunden vergangen oder ein ganzer Sterntag. Seine Länge unterscheidet sich um knapp vier Minuten vom »Sonnentag«, den wir für die normale Uhrzeit verwenden. Für den messen wir die Erdrotation in Bezug auf die Position der Sonne und nicht die der Sterne.
Die Formel zeigt die Nützlichkeit der Sternzeit in der Praxis. Kennt man die Rektaszension eines Sterns und hat man eine Uhr, auf der man die Sternzeit ablesen kann, folgt daraus direkt, wann er seinen höchsten Punkt am Himmel erreichen wird. Das ist ein bisschen komplizierter als bei »Star Trek«. Aber dort kann man ja auch einfach zu den Sternen hinfliegen, wenn man sie beobachten will.
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