Freistetters Formelwelt: Horizontal oder supragalaktisch?
Auf der Oberfläche der Erde kann man Koordinaten vergleichsweise einfach angeben. Seit man sich auf den Äquator und den Nullmeridian von Greenwich als allgemein gültige Bezugspunkte geeinigt hat, lässt sich jeder Ort durch die Angabe der geografischen Breite und der geografischen Länge spezifizieren.
Wenn man von gröberen geologischen Ereignissen einmal absieht, dann bleibt ein Ort an der Oberfläche der Erde auch dort, wo er ist. In der Astronomie ist das schwieriger.
Diese drei Formeln stellen die Beziehung zwischen zwei sehr gebräuchlichen astronomischen Koordinatensystemen dar. Will man die Position eines Objekts am Himmel angeben, ist kaum etwas einfacher als das »Horizontsystem«. Hier steht man selbst im Mittelpunkt, und das Gegenstück zum Äquator ist der jeweilige Horizont. Dem »Nullmeridian« entspricht ein Kreis, der vom Zenit – dem Punkt direkt über dem eigenen Kopf – zum südlichen Horizont verläuft; von dort zieht er sich zum dem Zenit gegenüberliegenden Punkt, dem Nadir, und über den nördlichen Horizont wieder zurück zum Zenit.
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Mit der »Höhe« h beziehungsweise der »Zenitdistanz« z gibt man als Winkel an, wie weit ein Objekt über dem Horizont steht. Es gilt z = 90° – h. Die zweite Koordinate ist der »Azimutwinkel« A, der von Süden aus in Richtung Westen entlang des Horizonts gemessen wird. Das kann man mit dem Teleskop direkt als Anleitung benutzen: Man richtet es genau nach Süden aus und schwenkt es dann um den Winkel A Richtung Westen; dann muss man es nur noch um den Winkel h direkt nach oben richten und sieht das gewählte Objekt.
Das klingt alles schon sehr kompliziert. Es wird aber noch komplizierter, wenn man bedenkt, dass die ganze Angelegenheit ständig in Bewegung ist. Die Erde dreht sich, und die Koordinaten verändern sich. Das versucht man mit anderen Koordinatensystemen auszugleichen. Zum Beispiel mit einem »Äquatorialsystem«.
Die Milchstraße und darüber hinaus
Hier wird der Äquator der Erde auf den Himmel projiziert, und man verwendet als eine der Koordinaten die »Deklination« δ, die den Abstand eines Himmelskörpers von diesem Himmelsäquator angibt. Die zweite Koordinate ist der »Stundenwinkel« t, der in der Ebene des Himmelsäquators gemessen wird, und zwar vom Meridian aus. Das ist der Großkreis am Himmel, der von Süden über den Zenit zum Himmelsnordpol und weiter über Norden, den Nadir und den Himmelssüdpol verläuft. Befindet sich ein Objekt genau im Meridian, hat es den Stundenwinkel null; bewegt sich in Richtung Westen, wächst der Stundenwinkel entsprechend an.
Auch hier bleiben die Koordinaten also nicht gleich. Das lässt sich jedoch ändern, wenn man statt des Stundenwinkels die »Rektaszension« α verwendet – und ein Koordinatensystem, das komplett mit der Erde mitrotiert. So komplex das alles auch sein mag: Es reicht zumindest die konsequente Anwendung sphärischer Trigonometrie, um entsprechende Formeln zur Berechnung der Koordinaten zu finden.
In anderen Systemen braucht man dagegen zuerst jede Menge astronomische Beobachtungen. Zum Beispiel bei den »galaktischen Koordinaten«, deren Bezugsebene die Ebene unserer Milchstraße ist. Die muss man aber erst einmal herausfinden und vermessen – was gar nicht so leicht ist. Noch schwieriger wird es bei den »supergalaktischen Koordinaten«: Die verwendet man, wenn man die Position von anderen Galaxien angeben will.
In den 1950er Jahren hat man festgestellt, dass sich die großen Galaxienhaufen in unserer Umgebung alle näherungsweise in einer Ebene – oder eher einer Art dickem Pfannkuchen – befinden. Der Astronom Gérard de Vaucouleurs bezeichnete sie als »supergalaktische Ebene« und definierte ein entsprechendes Koordinatensystem. Das gibt es nun, und es wird auch verwendet. Warum es die supergalaktische Ebene gibt, wissen wir allerdings noch nicht.
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