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Springers Einwürfe: Gemeinsam sind sie schlauer

Maschinen mit künstlicher Intelligenz (KI) leisten schon jetzt Erstaunliches. Was wird erst, wenn sie anfangen, sich untereinander abzusprechen?
Mehrere bedrohlich aussehende Quadcopter-Drohnen vor blauem Himmelshintergrund.

Zu maschinellem Lernen fähige, mit künstlichen neuronalen Netzen ausgestattete Helferlein sind in den Wissenschaften, in Fabriken und im Alltag bald allgegenwärtig. Selbst im Smartphone erkennen lernfähige Algorithmen meinen Fingerabdruck oder mein Gesicht und verschönern meine Amateurfotos. Beim autonomen Autofahren weichen sie komplexen Gefahrensituationen aus – wenigstens meistens. Und in schwer kalkulierbaren Spielen wie Go und Poker schlagen sie zuverlässig jeden Menschen.

Doch sind das nicht recht einsame Tätigkeiten? Bisher leide die künstliche Intelligenz an »metho­di­schem Individualismus«, monieren führende Ent­wickler. Sie fordern als nächsten großen Schritt eine »kooperative KI«, bei der Maschinen mit Maschinen kommunizieren, zügig voneinander lernen und sich so miteinander zu neuen Ebenen der Lösungskompetenz aufschwingen.

Die sechs Experten um Allan Dafoe von der Uni­versi­ty of Oxford und Thore Graepel vom University College London arbeiten unter anderem für den ­Google-Ableger DeepMind, die Firma Microsoft oder die Softwareschmiede OpenAI. Sie ziehen Parallelen zwischen dem gegenwärtigen Entwicklungsstand der KI und dem von Kindern, die zunächst im Einzelunterricht den elementaren Umgang mit der Umgebung gelernt haben. Aber nun sei es an der Zeit, den Nachwuchs mit seinesgleichen spielen zu lassen. Schließlich reife auch das kindliche Gehirn nur durch soziale Interaktion vollends heran.

Und was sollen die angehenden Intelligenzbestien aus Blech und Silizium, nachdem sie schon einmal in Schach und Poker brilliert haben, in der digitalen Krippe so lernen? Ein recht anspruchsvolles Programm: In praktischen Übungen ermächtigt sie die nächste Unterrichtsstufe zu Mannschaftssport wie Fußball – dafür werden menschenähnliche Kunststoffkörper zur Verfügung gestellt. Zu gemischt maschinell-menschlichen Rollenspielen kommt begleitender Theorieunterricht. Hier werden Psychologie und Geschichte, Soziologie und Ethik gelehrt, und eine Prise Fairness gibt es obendrauf.

Sozial durch Erfahrung

Denn in realitätsnahen Situationen ist Kooperation nie einfach. Es gibt gegensätzliche Interessen, zwischen denen Kompromisse ausgehandelt werden müssen, und oft darf man dem Gegenüber nicht blind vertrauen. Ist sein freundliches Angebot echt, oder ist es ein Wolf im Schafspelz? Indem künstlich-intelligente Akteure spielerisch lernen, einander zu verstehen, untereinander Informationen auszutauschen, glaubwürdig Zusammenarbeit zu versprechen und ethischen Normen zu gehorchen, erwerben sie soziale Intelligenz.

Die wiederum befähigt sie schließlich, einverständig mit Menschen zu kooperieren. So malen sich die sechs KI-Forscher eine schöne neue Welt aus, in der Mensch und Maschine ein Herz und eine Seele sind, weil neunmalkluge Kunstwesen unsereinem jeden Wunsch von den Augen ablesen.

Diese idyllische Symbiose wirkt freilich spätestens dann wie eine naive Utopie, wenn man an den militärischen Einsatz intelligenter Maschinen denkt. Auf das Problem hat sich die Politologin Denise Garcia von der North­eastern University in Boston (Massachusetts) spezia­lisiert. Sie missbilligt die erklärte Absicht der US-Regierung, die »Integration von KI-Techniken in jeden Aspekt der Kriegsführung« voranzutreiben, um so ähnlichen Vorhaben anderer Staaten zuvorzukommen.

Garcia sieht damit einen Kalten KI-Krieg mit Russland und China heraufziehen, der nicht weniger Risiken mit sich bringt als seinerzeit das nukleare Patt zwischen USA und Sowjetunion. Sie erinnert an frühere Abrüstungserfolge und plädiert angesichts der globalen Probleme für intelligente Kooperation – künstlich wie natürlich.

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