Lexikon der Biologie: Baculoviren
Baculoviren [von latein. baculum = Stab], Baculoviridae, Familie insektenpathogener DNA-Viren (Arthropodenviren), die in ihrer Morphologie ( vgl. Abb. ) und Biochemie keine Ähnlichkeiten zu Wirbeltier- und Pflanzenviren zeigen. Als Insektenwirte dienen Schmetterlinge, Hautflügler und Zweiflügler. Die Baculoviren werden in die 2 Gattungen Nucleopolyhedrovirus und Granulovirus eingeteilt. Die typischen Virusarten der beiden Gattungen sind Autographa californica Nucleopolyhedrovirus (AcMNPV) und Plodia interpunctella Granulovirus (PiGV). Bei der Vermehrung von Baculoviren werden zwei Virion-Phänotypen gebildet. Durch Knospung an der Plasmamembran entsteht die BV-Form (budded virus) mit einer locker anliegenden Lipoproteinhülle (envelope), die an einer Spitze Oberflächenfortsätze (Peplomere) trägt. Im Zellkern wird die OV- (occluded virus) oder ODV-Form (occlusion-derived virus) gebildet, der die Peplomere fehlen. – Die Viren der Gattung Nucleopolyhedrovirus (Kernpolyederviren) zeichnen sich aus durch große Okklusionskörper (occlusion bodies; auch als polyhedral inclusion bodies, PIB, oder Polyeder bezeichnet), bei denen in eine aus dem Virusprotein Polyhedrin bestehende Matrix viele mit Lipoproteinhüllen umgebene Virionen eingeschlossen sind. Diese Virionen können mehrere oder nur ein Nucleocapsid enthalten ( vgl. Abb. ), dementsprechend enthält der Virusname die Abk. MNPV (multiply embedded nuclear polyhedrosis virus) oder SNPV (singly embedded NPV). Die Größe der polyederförmigen Okklusionskörper beträgt 0,15–15 μm. Bei den Viren der Gattung Granulovirus sind die Okklusionskörper kleiner (0,13–0,5 μm) und von eiförmig-zylindrischer Gestalt. Sie enthalten nur ein umhülltes Nucleocapsid. Das Matrixprotein wird als Granulin bezeichnet. In den stäbchenförmigen Nucleocapsiden (30–60 nm × 250–300 nm) ist als Genom eine zirkuläre doppelsträngige DNA von 90–160 Kilobasenpaaren enthalten. – Baculovirusinfektionen laufen vor allem in den Insektenlarven ab und beginnen mit der Aufnahme kontaminierter Nahrung. Im Mitteldarm werden die Virionen aus den Okklusionskörpern durch Auflösung der Polyhedrinmatrix freigesetzt. Nach Virusvermehrung in den Darmzellen kommt es zur Ausbreitung der Infektion im gesamten Körper, bis die Larven absterben, sich auflösen und große Virusmengen freigesetzt werden. In den Zellen findet die virale DNA-Replikation im Kern statt, die Genexpression verläuft zeitlich reguliert in einer frühen, späten und sehr späten Phase (DNA-Viren). In der späten Phase beginnt zunächst die Bildung der Viruspartikel der BV-Form, die Produktion der Okklusionskörper erfolgt in der sehr späten Phase. Da das Polyhedrin für die Virusreplikation in Zellkultur nicht notwendig ist, kann das Polyhedrin-codierende Gen durch andere Gene ersetzt werden. Auf dieser Grundlage wurden Baculoviren als eukaryotische Expressionssysteme (Genexpression) zur Synthese fremder Proteine entwickelt. Die Mehrzahl der dabei verwendeten Vektoren basiert auf dem Kernpolyedervirus des EulenfaltersAutographa californica (AcMNPV), die verwendeten Zellinien stammen aus Spodoptera frugiperda. Die Stärke des Polyhedrin-Promotors führt in manchen Fällen dazu, daß 25–50% des Gesamt-Proteins in den mit dem rekombinanten Virus infizierten Zellen von dem neu eingeführten Gen stammen (die Produktionsmenge der meisten heterologen Proteine liegt zwischen 10 mg und 100 mg pro 109 Zellen). Im Gegensatz zu bakteriellen Expressionssystemen werden im Baculovirus-Expressionssystem die meisten der posttranslationalen Modifikationen durchgeführt, die für die biologische Wirksamkeit eukaryoter Genprodukte notwendig sind (Glykosylierung, Phosphorylierung, das Anhängen von Fettsäuren, wie der Myristinsäure und der Palmitinsäure, die Ausbildung von Disulfidbrücken und die Prozessierung des Signalpeptids). Zur Herstellung der gewünschten rekombinanten Viren wird das Gen des interessierenden Produkts (z. B. wurden Interleukine oder Immunglobulin in Baculoviren exprimiert) zunächst in Plasmid-Vektoren eingeführt und dann mit dem Wildtyp-Virus gemischt. Nach Transfektion des Gemisches in die Wirtszellen werden die gewünschten rekombinanten Viren z. B. durch Analyse auf Expression des gewünschten Genprodukts identifiziert und gereinigt. Mit den gereinigten rekombinanten Viren können auch ganze Insekten infiziert werden.
E.S.
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