Lexikon der Biologie: botanischer Garten
botanischer Garten, Botanischer Garten, Hortus botanicus, ausgedehnte gärtnerische Anlage, in der fremdländische und einheimische Pflanzenarten (Pflanzen) nach systematischen, pflanzengeographischen, ökologischen, pflanzensoziologischen oder weltwirtschaftlichen Gesichtspunkten geordnet gezeigt werden. Botanische Gärten können staatlich, städtisch, privat oder aber den botanischen Instituten von Universitäten angeschlossen sein. Im letzten Fall liefern sie u. a. Pflanzenmaterial für Forschung und Lehre. Weltweit existieren fast 1800 botanische Gärten, von denen sich 400 in Europa und ca. 90 in Deutschland befinden. Gewächshauskomplexe (Gewächshaus) zur Anzucht und Haltung exotischer Arten sind heute selbstverständlicher Teil aller botanischen Gärten – meist ergänzt durch Spezialanlagen, wie Alpinum, Arboretum, Gewürz- und Heilpflanzengarten, Warm- und Kaltwasserbecken, Zierpflanzenbeete sowie ein nach taxonomischen Kriterien geordnetes System. Daneben werden in botanischen Gärten häufig auch ökologisch und botanisch interessante Lebensräume mit den für sie typischen Pflanzengesellschaften gezeigt, wie z. B. Trockenrasen-, Sumpf- und Moorgesellschaften, oder aber vom wirtschaftenden Menschen beeinflußte Lebensräume, wie Weinberg oder Mähwiese. Neben der Demonstration der Formenvielfalt von Pflanzen aus verschiedenen Herkunftsgebieten und ihrer unterschiedlichen ökologischen Ansprüche kommt botanischen Gärten – vor allem in dicht besiedelten Gebieten – eine wichtige Funktion als "grüne Lunge" und Ort der Erholung zu. In vielen botanischen Gärten werden in den letzten Jahren vermehrt Informationsschriften und Vortragsveranstaltungen für interessierte Besucher angeboten. In einigen größeren botanischen Gärten existieren auch "Grüne Schulen", in denen Schulklassen von Gartenpädagogen unterrichtet werden können.
Geschichte: Schon in frühen Hochkulturen wurden Pflanzen in Gärten nicht nur zum Nahrungserwerb, sondern auch zum Zwecke der Erbauung kultiviert. In der abendländischen Kultur sind vor allem die seit dem Mittelalter angelegten Klostergärten zu erwähnen und später die zahlreichen öffentlichen und privaten botanischen Gärten der Renaissance. Die ersten botanischen Gärten an Universitäten wurden in Italien gegründet (Padua und Pisa 1545, Bologna 1567), wenig später auch an anderen europäischen Universitäten ( vgl. Tab. ). Bezüglich Pflanzenbestand und Architektur ähnelten die frühen botanischen Gärten den klösterlichen Kräutergärten. Wegen ihrer herausragenden Pflanzensammlungen und der an den angeschlossenen Instituten durchgeführten Forschungen sind neben den Anfang des 18. Jahrhunderts eingerichteten und später von W.J. Hooker (Hooker, J.D.) entscheidend ausgebauten Royal Botanic Gardens Kew (nahe London, England), der Missouri Botanical Garden in St. Louis (USA), der New York Botanical Garden (USA) und der Botanische Garten Berlin-Dahlem sehr bedeutend. – Gerade in den letzten Jahrzehnten sind durch die zunehmende Zerstörung natürlicher Lebensräume neue Aufgaben und Herausforderungen auf botanische Gärten zugekommen. So haben sich viele botanische Gärten verpflichtet, durch Erhaltungskulturen aktiv zur Erhaltung biologischer Vielfalt (Biodiversität) und genetischer Ressourcen (Genreservoire) beizutragen. Außerdem kommt – außer für die klassischen Forschungsthemen wie Morphologie, Anatomie und Systematik der Pflanzen – im Rahmen der Erforschung der Biodiversität und der molekularen Systematik den Lebendsammlungen in botanischen Gärten wieder zunehmend Bedeutung zu. Dies gilt sowohl für die Grundlagenforschung als auch für angewandte Fragestellungen, z. B. hinsichtlich des Artenschutzes und Biotopschutzes. Die meisten botanischen Gärten beteiligen sich mittels eines gedruckten Samenkatalogs (Index Seminum) oder zunehmend auch über das Internet an dem weltweit ablaufenden Samentausch, wodurch ein Großteil des gewünschten – teils seltenen – Pflanzenmaterials aus Vermehrungskulturen anderer Gärten erhalten werden kann. Alpengärten.
T.Sp.
Lit.:Desmond, R.: Kew. The History of the Royal Botanic Gardens. London 1995. Ebel, F., Kümmel, F., Beierlein, C. (Hrsg.): Botanische Gärten Mitteleuropas. Halle 21990. Ebel, F., Fritzsche, S., Kümmel, F., Müller-Uri, C. (Hrsg.): Bibliographie – Botanische Gärten Europas, Heft 1–3 & Supplementband. Halle 1983, 1988. Henderson, D.M. (ed.): International directory of Botanical Gardens IV. Koenigstein 41983. Schmidt, L.: Die Botanischen Gärten in Deutschland. Hamburg 1997.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.