Lexikon der Biologie: Bunyaviren
Bunyaviren [benannt nach dem Ort Bunyamwera in West-Uganda, an dem die Typusart isoliert wurde], Bunyaviridae, Familie von RNA-Viren mit über 350 Arten, die meist durch Arthropoden (Gliederfüßer) übertragen werden (Arboviren). Gemeinsames Merkmal ist ein dreiteiliges RNA-Genom mit Negativstrang-Polarität. Bunyaviren vermehren sich sowohl in warm- und kaltblütigen Wirbeltieren als auch in Arthropoden, in denen sie eine lebenslang persistierende Infektion erzeugen. Die Virusvermehrung verläuft in den Wirbeltierwirten unter Zerstörung der infizierten Zellen (cytolytisch), in den Insekten jedoch ohne Zellschädigungen. Infektionen von Menschen sind selten; sie führen zu fieberhaften Erkrankungen, z. T. mit Hämorrhagien und Beteiligung des Zentralnervensystems, der Lungen oder der Nieren, die einen schweren bis tödlichen Verlauf nehmen können ( vgl. Tab. ). Bunyaviren werden in die 5 Gattungen Bunyavirus, Hantavirus, Phlebovirus, Nairovirus und Tospovirus eingeteilt. In der Gattung Bunyavirus (früher als Bunyamwera-Hauptgruppe bezeichnet) sind in 18 serologischen Gruppen mehr als 160 Viren zusammengefaßt, die meist durch Stechmücken oder Mücken übertragen werden. Die Übertragung von Viren der Gattung Hantavirus erfolgt nicht durch Insekten, sondern durch die infektiösen Aerosole der Exkremente von chronisch infizierten Mäusen und Ratten. Phleboviren werden hauptsächlich durch Sandfliegen (Phlebotomus;Mottenmücken) übertragen, Nairoviren meist durch Zecken. Die Gattung Tospovirus enthält Pflanzenviren wie das durch Thripse (Blasenfüße) übertragene tomato spotted wilt virus (Tomatenbronzeflecken-Virus; Tomatenbronzeflecken-Virusgruppe), das weltweit verbreitet ist und bei sehr vielen Pflanzenarten Krankheitssymptome hervorruft. – Die Virionen sind sphärische oder pleomorphe, von einer Hülle mit 5–10 nm langen Oberflächenfortsätzen umgebene Partikel (Durchmesser 80–120 nm). Das segmentierte Genom besteht aus 3 einzelsträngigen RNAs mit Minusstrang-Polarität, die entsprechend ihrer Länge als L (large), M (medium) und S (small) bezeichnet werden ( vgl. Abb. ). Die Genomlänge beträgt insgesamt 11–20 kb; auf die einzelnen RNA-Segmente entfallen ca. 6,5–10 kb (L), ca. 3,2–5,0 kb (M) und ca. 1,0–3,0 kb (S). Das L-Segment codiert die RNA-abhängige RNA-Polymerase (L-Protein) und das M-Segment das Vorläuferprotein der durch proteolytische Spaltung entstehenden Oberflächenproteine G1 und G2. Im S-Segment sind die Informationen für das Nucleocapsidprotein N und für ein Nichtstrukturprotein (NS) enthalten. Bei den Tospo- und Phleboviren besitzen die M- und S-Segmente eine sog. ambisense-Orientierung, da die mRNAs für Nichtstrukturproteine die gleiche Polarität wie die Genom-RNAs besitzen. In den Virionen liegen die 3 Genom-RNAs mit N-Protein verpackt als Ribonucleocapside mit helikaler Symmetrie vor. Die Genom-RNAs bilden über komplementäre Sequenzen an den 5´- und 3´-Enden nichtkovalent geschlossene ringförmige Moleküle. Die Virusvermehrung findet im Cytoplasma statt. Zunächst werden an den Genom-RNAs von der in den Virionen enthaltenen RNA-Polymerase die komplementären mRNA-Moleküle synthetisiert. Dazu werden durch die Endonuclease-Aktivität des viralen L-Proteins 5´-terminale Bruchstücke mit 7-Methylguanosinium-Kappe (cap) von zellulären mRNAs abgespalten und als primer verwendet (ein ähnlicher Mechanismus zur mRNA-Synthese findet sich bei Influenzaviren). Die mRNAs sind verkürzt, da ihre Synthese ca. 50–100 Nucleotide vor dem Ende der Genom-RNAs abbricht. Bei der in 2 Schritten verlaufenden Genomreplikation werden an den Virion-RNAs zunächst vollständige Antigenom-RNAs synthetisiert, die dann zur Bildung neuer Genom-RNAs dienen. Die viralen mRNAs unterscheiden sich somit von den Antigenom-RNAs durch die zellulären 5´-Enden und die verkürzten 3´-Enden; außerdem werden sie nicht von N-Protein umhüllt. Die Bildung reifer Viruspartikel erfolgt durch Knospung (budding) in Vesikel in der Golgi-Region. Virusinfektion, Viruskrankheiten.
E.S.
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