Lexikon der Biologie: Elektroortung
Elektroortung, Elektroorientierung, die räumliche Orientierung von Organismen (viele Fische und Amphibien) an elektrischen Feldern mittels Elektrorezeptoren (s.u.). Man unterscheidet passive und aktive Elektroortung. Bei der passiven Elektroortung orientieren sich die Tiere (Haie, Lungenfische, Amphibien) an äußeren elektrischen Feldern (auch dem Erdmagnetfeld; magnetischer Sinn) oder an den elektrischen Signalen, die von anderen Tieren generiert werden (z.B. Muskelpotentiale). Bei der aktiven Elektroortung generieren die Tiere (schwach elektrische Fische) selbst elektrische Felder mit Hilfe von elektrischen Organen. Größe und Art dieser Felder sind von Spezies zu Spezies verschieden und abhängig von der Leistungsfähigkeit ihrer elektrischen Organe, der Impulsfrequenz der Schrittmacher, der Leitfähigkeit von Muskulatur und Haut des betreffenden Individuums, der Leitfähigkeit des umgebenden Mediums sowie der Stimmung (Verhaltensweise) des Tieres. Veränderungen dieser elektrischen Felder durch Objekte in der näheren Umgebung werden über Potentialänderungen an den Elektrorezeptoren wahrgenommen. Aufgrund der Verteilung der Elektrorezeptoren über die Körperoberfläche (bei vielen Arten hauptsächlich in der Kopfregion und entlang des Seitenliniensystems, bei anderen über den ganzen Körper verteilt) ist eine Lokalisation der Störquelle möglich, da die einzelnen Feldlinien unterschiedlich beeinflußt werden und demzufolge an den Rezeptoren differenzierte Erregungsmuster auslösen: so wirft jedes Objekt ein bestimmtes elektrisches Bild auf die Oberfläche des Fisches. Vermutlich ist es den Fischen auch möglich, die Entfernung des Objekts durch die Schärfe des elektrischen Bildes auszumachen ( vgl. Infobox ). Weiterhin ist aufgrund der unterschiedlichen Leitfähigkeit der Störquellen auch eine Unterscheidung von anorganischer und organischer Materie möglich. Trifft ein elektrischer Fisch auf andere Lebewesen, die selbst aktiv elektrische Felder aussenden, so kann er anhand der Eigenschaften dieser Felder (vor allem durch Frequenz und Spektrum der Organentladungen) unterscheiden, ob es sich um einen Feind oder Artgenossen handelt (Elektrokommunikation). – Elektrorezeptoren sind in der Haut gelegene Organe, die sich aus dem Akustiko-Lateralis-System ableiten und modifizierte Haarzellen als Rezeptorzellen besitzen. Sie reagieren auf Potential-Gradienten, arbeiten also wie Voltmeter. Man unterscheidet ampulläreOrgane (bei allen Tieren, die zur Elektroortung fähig sind) und tuberöse Organe (nur bei aktiv elektroortenden Fischen). Die ampullären Organe (z.B. lorenzinische Ampullen bei Haien und Rochen) bestehen aus einer Öffnung in der Körperoberfläche des Tieres über einem Gel-gefüllten, gut leitenden Kanal, an dessen Grund die Rezeptorzellen liegen. Elektrischer Strom wird entlang der gut isolierten Haut der Fische direkt in den Kanal geleitet und erregt dort die Rezeptorzellen; diese reagieren auf die Spannungsgradienten, die durch den Strom erzeugt werden, mit Depolarisation. Vermutlich öffnen sich daraufhin Calciumkanäle, Ca2+ strömt ein, und es kommt zur Ausschüttung von Neurotransmittern. Ampulläre Organe sind tonische, langsam akkommodierende Rezeptoren, die am besten auf niederfrequente Signale reagieren (z.B. Muskelpotentiale von Beutetieren, Erdmagnetfeld). Die tuberösen Organe sind vom Prinzip her ähnlich gebaut wie die ampullären, weisen aber keine direkten Öffnungen in der Membran auf, sondern bestehen lediglich aus aufgelockertem Hautgewebe, durch das der elektrische Strom geleitet werden kann. Sie reagieren besonders stark auf hochfrequente Signale und weisen eine große Sensitivität für die eigenen Entladungen des elektrischen Organs auf. Es gibt verschiedene Typen von tuberösen Organen (z.B. Knollenorgane, Mormyromasten, Gymnarchomasten) mit unterschiedlichen Strukturen, Sensitivitäten und Funktionen; ein Tier kann mehrere dieser Typen besitzen. – Unabhängig vom elektrorezeptiven System der Fische und Amphibien, das im Zusammenhang mit dem Seitenliniensystem steht, haben die australischen Schnabeltiere ein elektrosensorisches System entwickelt, das ihnen zur Beutesuche in schlammigen Gewässern dient. Seine Rezeptoren liegen im Schnabel und werden vom nervösen Apparat des Trigeminus versorgt.
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