Lexikon der Biologie: Faultiere
Faultiere, Pilosa, Unterordnung der Placentalen Säugetiere (Eutheria) mit der einzigen rezenten Familie Bradypodidae (Baumfaultiere); sehr ursprüngliche Säuger Süd- und Mittelamerikas, mit merkwürdigen Spezialanpassungen an ihre eigentümliche Lebensweise, systematisch mit den Ameisenbären und den Gürteltieren zur Ordnung Xenarthra (Nebengelenktiere) oder auch Edentata (Zahnarme) zusammengefaßt. Man unterscheidet 2 Gattungen mit zusammen 5 Arten ( vgl. Tab. ). Faultiere sind im allgemeinen einzeln lebende, überwiegend nächtlich aktive Baumbewohner, die wahrscheinlich über Töne im Ultraschallbereich (Ultraschall) kommunizieren können. Kopfrumpflänge 50–65 cm; Gewicht 4–9 kg. Sie haben lange, schlanke Gliedmaßen, deren Zehen verwachsen und mit sichelförmigen Krallen als Greifhaken ausgestattet sind. Die Bezahnung ist reduziert: oben je 5, unten je 4 schmelz- und wurzellose Zähne, die ständig nachwachsen. Faultiere hängen überwiegend mit nach unten gekehrtem Rücken im Geäst des tropischen Regenwaldes und bewegen sich, wenn überhaupt, nur langsam hangelnd fort (Name!); am Boden kriechen sie unbeholfen, schwimmen hingegen nicht schlecht. Vermutlich sind die zeitlupenartig wirkenden Bewegungen ein Schutz vor dem Entdecktwerden durch Beutegreifer. In Anpassung an ihre für Säugetiere ungewöhnliche Körperhaltung ist der Haarstrich ihres Fells „umgekehrt“, d.h., sie haben einen „Bauchscheitel“, wodurch die Nässe aus ihrem Fell leichter abtropfen kann. Eine weitere Besonderheit: Im Haarkleid der Faultiere (in den Rillen der marklosen Haare) leben Cyanobakterien (2 Gattungen: Trichophilus, Cyanoderma), die dem an sich grau-braunen Fell einen grünlichen Schimmer verleihen (Tarnung); außerdem hat sich meist noch ein Zünsler im Fell eingenistet. Faultiere sind reine Pflanzenfresser, mit einem komplizierten mehrkammerigen Magen. – Die Zweifingerfaultiere oder Zweizehenfaultiere (Gattung Choloepus, 2 Arten; vgl. Abb. ) tragen diesen Namen, weil sie an den Vordergliedmaßen nur 2 Finger ausgebildet haben (hinten 3). Mit nur 6 Halswirbeln weichen sie von der für Säuger typischen Zahl 7 ab. Zweifingerfaultiere sind fast ausschließlich nachtaktiv; ihre Nahrung besteht aus vielerlei Blättern, Blüten und Früchten. Der Unau (Choloepus didactylus) lebt östlich der Anden in Kolumbien, Venezuela, Guinea, Ecuador, Peru und Nordbrasilien. Choloepus hoffmanni kommt von Nicaragua bis Peru und Zentralbrasilien vor. – Die Dreifingerfaultiere oder Dreizehenfaultiere, auch „Ai“ (Kreuzworträtsel!) genannt (Gattung Bradypus; 3 Arten), besitzen 3 Finger und 3 Zehen. Sie haben sogar 9 Halswirbel; allerdings deuten 2 davon durch Reste von Rippen auf eine Herkunft von Brustwirbeln hin. Sie sind Nahrungsspezialisten, die auf die Produkte des Ymbahuba-Baumes (Cecropia lyratiloba) angewiesen sind – ein Grund, weshalb sie sich für die Zoohaltung weniger eignen. Bradypus variegatus kommt von Honduras bis Nordargentinien vor, Bradypus tridactylus in Südvenezuela, Guinea und Nordbrasilien, Bradypus torquatus im östlichen Brasilien. Alle Bradypus-Arten sind durch stete Verkleinerung ihres Lebensraums gefährdet, am stärksten unter ihnen Bradypus torquatus. – Im Gegensatz zu den heute lebenden Baumfaultieren waren die eindrucksvollen ausgestorbenen Riesenfaultiere aus verschiedenen Tertiärschichten Südamerikas Bodenbewohner; sie erreichten Körperlängen bis zu 6 m (Megatherium,Megatheriidae; vgl. Abb. ). Vertreter der ausgestorbenen Mylodontiden (bis Pleistozän) waren immerhin 4,5 m (Mylodon) lang. Die letzten bodenlebenden Riesenfaultiere (Körpergewicht bis zu 4 Tonnen!) Südamerikas starben – aus bislang nicht geklärtem Grund – erst zu Ende der letzten Eiszeit aus. Klammerreflex, Tragling; Südamerika II.
H.Kör.
Faultiere
Zweifingerfaultier (Choloepus)
Faultiere
ausgestorbenes Riesenfaultier (Megatherium)
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