Lexikon der Biologie: Ichthyosaurier
Ichthyosaurier [von *ichthyo- , griech. sauros = Echse], (Blainville 1835), Fischsaurier, Fischechsen, Ichthyosauria, einzige Ordnung der Ichthyopterygia; mit mehr als 50 Gattungen und über 80 Arten von der unteren Trias (z.B. Utatsusaurus) über die mittlere Trias (z.B. Mixosaurus;vgl. Abb. 1 ), im unteren Jura (z.B. Stenopterygius [ vgl. Abb. 1 ] oder Eurhinosaurus longirostris), im oberen Jura (z.B. Ophtalmosaurus) und mit Platypterygius bis zur oberen Kreide bekannt. Die Länge der Tiere schwankt zwischen etwa 1 m bei Utatsusaurus aus Japan und bis zu 23 m bei einem neuen, noch unbeschriebenen riesigen Ichthyosaurier aus der oberen Trias von Britisch Kolumbien (Provinz Kanadas). Ichthyosaurier waren so weitgehend an das Leben im Meer angepaßt, daß sie zur Eiablage nicht mehr an Land gehen konnten und lebende Junge gebaren (Ovoviviparie; vgl. Abb. 2 ). Körper bei ursprünglichen Formen aalförmig langgestreckt und wahrscheinlich nur mit Schwanzflossensaum ausgestattet, Fortbewegung durch seitlich undulierende Körperbewegungen; Vorder- und Hintergliedmaßen zu Paddeln umgestaltet; fortschrittliche Ichthyopterygier mit stromlinienförmigem Körper, häutiger Rückenflosse und fischartiger Schwanzflosse, in deren unteren Lappen die Schwanzwirbelsäule abknickt; durch seitliches Schlagen erzeugte die Schwanzflosse den Vortrieb; Rückenflosse und Paddeln dienten der Stabilisierung des Körpers und dem Kurvenschwimmen. Ursprüngliche Ichthyosaurier mit gedrungenem Schädel und halbkugeligen oder plattenförmigen Zähnen, die durophage (hartschalige) Ernährungsweise anzeigen. Ichthyopterygier der mittleren und oberen Trias, des Jura und der Kreide mit langem, nach vorn in ein Rostrum auslaufendem Schädel und spitzkonischen Zähnen. Diese und fossile Mageninhalte deuten auf eine Ernährung hauptsächlich von Tintenfischen, aber auch von Fischen und sogar Ichthyosaurier-Jungtieren (wie bei dem bis über 10 m langen Temnodontosaurus aus dem unteren Jura). Die schnell schwimmenden Fischen, Haien und Walen ähnliche Torpedoform des Körpers fortschrittlicher Ichthyopterygier ist durch die gleiche, voll marine Lebensweise bedingt (Konvergenz). Nach dem für die Systematik der Reptilien wichtigen Schädelbau gehören die Ichthyopterygier zu den Euryapsida, weisen also ein hoch am Schädel gelegenes Schläfenfenster auf. Dieser Schädeltyp wurde früher als parapsid bezeichnet. Die Euryapsida und damit auch die Ichthyopterygia sind heute jedoch nicht mehr als eigenständige, von den Anapsida sich entwickelnde Reptilgruppe anerkannt. Trotz fehlender Vorfahren bestehen anscheinend Verwandtschaftsbeziehungen zu den Diapsida. – Von den untertriassischen, auf Südostasien beschränkten Formen abgesehen, waren die Ichthyosaurier weltweit verbreitet und sind von allen Kontinenten nachgewiesen. Von der Wende Jura/Kreide an erfolgte ihr Niedergang. Die einzige Ichthyopterygier-Gattung Platypterygius der Kreidezeit kam in Nordamerika, Europa, Rußland, Indien, Australien und Argentinien vor und starb noch in der oberen Kreide aus.
S.K./R.Wi.
Ichthyosaurier
Abb. 1: Skelettzeichnung mit Körperumriß; oben: Mixosaurus aus der mittleren Trias des Monte San Giorgio im Kanton Tessin (Schweiz); unten: Stenopterygius aus dem unteren Jura (Lias ε) von Holzmaden (Württemberg). Die in der Phylogenie von Mixosaurus zu Stenopterygius festzustellende vollkommene Ausbildung der Schwanzflosse als Hauptvortriebsorgan spiegelt sich auch in der Altersentwicklung vom Jung- zum Alttier bei Stenopterygius wider (Beispiel für Haeckels Biogenetische Grundregel).
Ichthyosaurier
Abb. 2: Ichthyosaurier-Geburt: Ein Ichthyosaurier-Muttertier der Gattung Stenopterygius aus dem unteren Jura (Lias ε) von Holzmaden (Württemberg) im Augenblick der Geburt eines etwa 50 cm langen Jungtieres in der für marine lungenatmende Wirbeltiere kennzeichnenden Steißlage. Zwei weitere Embryonen befinden sich noch im Leib des 2,10 m langen Muttertieres. Bei Stenopterygius wurden bis zu 11 Embryonen gezählt. Diese waren rechts- und linksseitig im Mutterleib angeordnet, was auf die Ausbildung einer paarigen Gebärmutter hinweist. Auch sog. Leichengeburten von noch nicht bis zur Geschlechtsreife entwickelten Embryonen sind von Holzmaden bekannt geworden.
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