Lexikon der Biologie: Neunaugen
Neunaugen, Petromyzonta, nach neuerer Systematik Klasse der Kieferlosen mit der einzigen Ordnung Petromyzontiformes (Hyperoartii); sie wurden früher als Unterklasse Petromyzones den Rundmäulern zugeordnet. Hierzu gehören 3 Familien mit 11 Gattungen und 41 Arten in gemäßigten und kalten Gewässern. Neunaugen haben einen aalförmigen Körper ( vgl. Abb. 1 ), unpaare Nasenöffnung oben am Kopf, gut entwickelte Augen, 7 Kiemenöffnungen (diese 9 markanten, früher als "Augen" benannten, beiderseits erkennbaren Punkte erklären den Namen), einen kreisförmigen, bezahnten, von einem ringförmigen Knorpel gestützten Saugmund ( vgl. Abb. 2/2b ), einen Spiraldarm und einen vorn von diesem abzweigenden, ventral liegenden Kiemendarm; die Kiemenbeutel werden von einem Netzwerk aus knorpeligen Spangen gestützt; die Chorda dorsalis begleitende kleine Knorpelbögen weisen auf Wirbelelemente hin; die am Rückenmark ansetzenden dorsalen und ventralen Nervenwurzeln sind getrennt; es fehlen Knochen, paarige Flossen, Schuppen und ein Verbindungsgang zwischen Nasen- und Mundhöhle. Aus den zahlreichen, kleinen, dotterarmen Eiern der getrenntgeschlechtlichen Neunaugen, die stets im Süßwasser abgelegt werden, entwickeln sich meist in Schlammröhren lebende, nahezu blinde und zahnlose, geringelte, wurmartige Larven (Ammocoetes oder Querder), die aus dem vorbeiströmenden Wasser Kleinlebewesen filtern; nach mehreren Jahren und erst nach der Metamorphose zum meist räuberisch bzw. parasitisch lebenden Alttier wandern die meisten Arten ins Meer und kehren nur zum Laichen ins Süßwasser zurück (anadrome Fische); nach dem Ablaichen sterben sie. – Allein 37 Arten gehören zur Familie Neunaugen (Petromyzontidae, Petromyzonidae), die in der nördlichen Hemisphäre weit verbreitet ist. Als Besonderheit haben sie mit 164–168 Chromosomen die höchste Chromosomenzahl aller Wirbeltiergruppen. Hierzu das bis 1 m lange, parasitisch lebende Meerneunauge oder Seeneunauge (Petromyzon marinus;vgl. Abb. 2 ) der westlichen und östlichen Küstengewässer des Nordatlantiks und der Großen Seen in Nordamerika, das als Mikroorganismen fressende Larve in den zuführenden Flüssen lebt; nach der Metamorphose zum Adulttier saugt es sich bereits bei einer Länge von 15 cm an Fische an ( vgl. Abb. 2/3 ) und frißt Löcher in deren Haut, Hauptnahrung sind Wirtsblut und andere Körperflüssigkeiten. In die nordamerikanischen Großen Seen hinter den Niagarafällen drangen Meerneunaugen erst 1932 nach dem Bau eines Umgehungskanals vor und sind hier zur reinen Süßwasserform geworden; durch ihre starke Vermehrung und den Befall vor allem von Salmoniden ist der ursprüngliche, wirtschaftlich bedeutende Fischbestand ganz erheblich reduziert worden. Das in Deutschland im Bestand stark gefährdete, bis 50 cm lange Flußneunauge oder die Pricke (Lampetra fluviatilis) lebt als Larve in nordwesteuropäischen Flüssen und wandert als parasitisches, vorwiegend von Fischen abgeraspelte Haut- und Muskelstücke fressendes Adulttier in die angrenzenden Küstengewässer; hier bringt es oft mehrere Jahre zu, stellt dann das Fressen ein, zieht zum Laichen – wobei das Weibchen bis 40.000 Eier ablegt – in den Oberlauf der Flüsse und stirbt dann. Nur ca. 15 cm lang wird das nicht parasitische, im Bestand gefährdete Bachneunauge oder die Zwergpricke (Lampetra planeri;Fische X ); es lebt nur im Oberlauf westeuropäischer Fließgewässer nördlich der Pyrenäen und Alpen; metamorphosierte Bachneunaugen fressen nicht mehr; sie laichen bald und sterben danach. Die wegen der Gewässerverschmutzung heute vielerorts selten gewordenen Neunaugen waren früher als Laichwanderer außer in Amerika geschätzte Speisefische. Nur 1 anadrome, parasitische Art umfaßt die Familie Geotriidae, die in Südamerika, Australien und Neuseeland vorkommt. Ein ähnliches Verbreitungsgebiet haben die 3 Arten der Familie Mordaciidae, davon ist eine Art wie das Bachneunauge eine nichtparasitische reine Süßwasserform.
T.J.
Neunaugen
Abb. 1: Meerneunauge (Petromyzon marinus) und (unten) Bachneunauge (Lampetra planeri)
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