Lexikon der Biologie: Rippenquallen
Rippenquallen, Kammquallen, Ctenophora, nach früherer Systematik einzige Klasse der Acnidaria mit den beiden Unterklassen Atentaculata undTentaculifera und ca. 80 Arten ( vgl. Tab. ); heute als eigener Stamm der Metazoa geführt. Sie werden aufgrund von Ähnlichkeiten im Spermienbau und der Muskelzellen als Schwestergruppe der Bilateria diskutiert. Größte Art ist der Venusgürtel (bis 1,5 m lang). Der Körper der Rippenquallen besteht zu 99% aus Wasser. Im Grundbauplan haben Rippenquallen eine kugelige oder umgekehrt birnenförmige Gestalt ( vgl. Abb. 1 ). Der Körper ist meist durchsichtig; an der Oberfläche verlaufen 8 Reihen („Rippen“), die mit Wimperplättchen (je eine Querreihe verschmolzener Wimpern) besetzt sind. Diese schlagen – aboral beginnend – hoch koordiniert und treiben so den Körper mit dem Mund voraus durch das Wasser. Rippenquallen sind wendige Schwimmer. Durch den Schlag der Plättchen entstehen Interferenz-Farben, welche die Wimperreihen stets farbig irisieren lassen. Die Steuerung der Bewegung erfolgt über ein diffuses Nervennetz, das unter der Epidermis liegt und sich unter den „Rippen“ verdichtet. Neben Sinneszellen, die über die gesamte Oberfläche verteilt sind, besitzen Rippenquallen eine komplex gebaute Statocyste am aboralen Pol (Gleichgewichtsorgane). Sie besteht aus einem Statolithen, der auf 4 Wimperbüscheln ruht, die in je 2 Wimperstraßen übergehen. Das Sinnesorgan ist von einer durchsichtigen Kuppel überdacht. Präpariert man die Statocyste ab, kann sich die Rippenqualle nicht mehr in die Gleichgewichtslage einstellen. Das Darmsystem ist nicht radiär angeordnet. Vom querovalen Mund führt ein vertikaler Schlund in einen seitlich zusammengedrückten Magen, der um 90° gegen die Mundöffnung verdreht ist. Vom Magen aus führen horizontal 2 sich 2mal verzweigende Kanäle (Gastrovaskularsystem) unter jede Wimperstraße (Rippengefäße, Meridionalgefäße) und zu den beiden Tentakeltaschen. Diese ektodermalen Taschen bergen je einen mit Klebzellen (Colloblasten; vgl. Abb. 2 ) besetzten Tentakel. Durch die Anordnung der entodermalen Organe kann man eine Rippenqualle durch 2 verschiedene Ebenen in spiegelsymmetrische Hälften zerteilen: in Richtung des Schlunds (Schlundebene) und in Richtung der Tentakeltaschen (Tentakelebene); sie stehen senkrecht aufeinander. Neben den horizontal abgehenden Kanälen entsendet der Magen einen blind endenden Kanal mundwärts an der Breitseite des Schlunds und einen Kanal zum aboralen Pol, der sich aufspaltet und mit Poren nach außen mündet. Zwischen Darmkanälen und Epidermis befindet sich eine dicke Mesogloea, in die viele Zellen, Bindegewebszüge sowie Ring- und Längsmuskelstränge eingelagert sind. Die Fortpflanzung der Rippenquallen erfolgt ausschließlich geschlechtlich. Die entodermalen Gonaden liegen an den Rippengefäßen, in welche sie Eier und Spermien ergießen (Zwitter!) und durch den Mund abgeben. Die Furchung der Eizelle ist streng determiniert (Mosaikkeim), eine Planula-Larve (Planula) wird nicht ausgebildet. Rippenquallen bilden bereits auf einem sehr frühen Entwicklungsstadium kurzfristig Gonaden aus. Nach der Fortpflanzung wachsen sie zur vollen Größe heran und bringen erneut Eier und Spermien hervor (Dissogonie). Die Rippenquallen – seien sie auch noch so stark in Anpassung an spezielle Lebensweisen verändert – durchlaufen in ihrer Entwicklung stets ein dem Grundbauplan entsprechendes Stadium. – Lebensweise: Die meisten Rippenquallen sind marine Hochseetiere, nur wenige kommen auch (zum Teil im Brackwasser) an der Küste vor. Sie sind in hohem Maß von der Strömung abhängig und werden oft zu großen Scharen zusammengetrieben. Fast alle Arten leben in warmen Gewässern, 3 Arten kommen bis in die Arktis vor, weitere 3 Arten sind Bewohner der Tiefsee. Die Seestachelbeere und Beroe ovata (Melonenquallen) sind Kosmopoliten. Viele Arten können leuchten. Rippenquallen leben räuberisch. Die tentakeltragenden Arten (Unterklasse Tentaculifera) „fischen“ mit den Tentakeln den Wasserraum ab; die Beute bleibt an den Klebzellen hängen. Von Zeit zu Zeit werden die Tentakel am Mund vorbeigezogen und „abgelutscht“; die Klebzellen sind mehrfach verwendbar. Tentakellose Rippenquallen (Unterklasse Atentaculata) verschlingen die Beute direkt mit dem (oft sehr großen) Mund. – Da sich innerhalb der Gruppe der Rippenquallen – trotz ihrer Artenarmut – ganz unterschiedliche Typen ausgebildet haben, sei für weitere Angaben zur Lebensweise auf die einzelnen Ordnungen bzw. Arten verwiesen. Bilaterogastraea-Theorie; Hohltiere II .
C.G.
Rippenquallen
Abb. 1: Schema einer Rippenqualle (Pleurobrachia)
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