Lexikon der Biologie: Sumpfschildkröten
Sumpfschildkröten, Emydidae, formenreichste Familie der Halsberger-Schildkröten mit ca. 80 Arten (sowie zahlreichen Unterarten bzw. geographische Rassen) in etwa 30 Gattungen ( ö vgl. Tab. ); vorwiegend Süß- oder Brackwasserbewohner; weit verbreitet (Ausnahme: Mittel- und Südafrika, Australien, Ozeanien), vor allem aber in den wärmeren Gebieten auf der nördlichen Erdhalbkugel. Sie zeigen eine unterschiedlich enge Bindung an das Wasser (zahlreiche Arten kommen nur zur Eiablage an Land, andere halten sich hier bevorzugt auf). Sumpfschildkröten haben einen vollständig verknöcherten und mit Hornplatten bedeckten Panzer, bei einigen Arten sind Scharniere am Bauchpanzer ausgebildet (Scharnierschildkröten). Meist mit flachem, ovalem Rückenpanzer (grenzt unmittelbar an Bauchpanzer) und Schwimmhäuten zwischen den freien Zehen. Sie sind vorwiegend Fleischfresser (u.a. Würmer, Schnecken, Insekten, Fischbrut), oft auch Verzehrer von Pflanzenstoffen. Paarung ab April; das Weibchen legt im Mai–Juli 3–16 weiße, längliche Eier; Reifungsdauer 2–11 Monate. – Einzige, auch im mitteleuropäischen Binnenland heimische Schildkrötenart (in Südostbayern, der Mark Brandenburg, im Oder-Weichsel-Gebiet, in Niederösterreich; ferner in Westeuropa, Nordwestafrika, Westasien; in Deutschland vom Aussterben bedroht) ist die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis;Europa VII , Mediterranregion III ); in Mitteleuropa bis 26 cm, südliche Exemplare bis 36 cm lang; lebt bis 1700 m Höhe in Tümpeln, Seen und Gräben mit reichem Pflanzenbewuchs, sonnt sich gern am Ufer. Kopf, Hals und Beine – graubraun bis schwarz, gelb gesprenkelt – können unter den Panzer zurückgezogen werden; Rückenpanzer (dunkelbraun bis schwarz, meist mit gelben Punkten oder strahlenförmigen Linien) und Bauchpanzer (mit Quergelenk; gelblich mit dunklen Flecken) aus großen, mit Hornschilden bedeckten Knochenplatten bestehend; Schwanz verhältnismäßig lang; Männchen mit 6–12, Weibchen mit ca. 16 Jahren fortpflanzungsfähig; Weibchen legt Eier in ca. 8 cm tiefe, selbstgegrabene Löcher; die Jungen schlüpfen nach 6–8 Wochen oder oft erst im nachfolgenden Frühjahr. Sehr scheu, schwimmt schnell, taucht gut; überwintert im Bodenschlamm der Gewässer; soll im Aquaterrarium bis 120 Jahre alt werden. – Nahe verwandt mit dieser Art sind mehrere Gattungen neuweltlicher Sumpfschildkröten, z.B. die in Nordamerika heimischen, auffällig gefärbten Zierschildkröten(Chrysemys), die im ganzen Osten der USA verbreiteten, etwa 20 cm langen Schmuckschildkröten (Pseudemys; ö vgl. Abb. ), oft mit leuchtend gelben oder roten Längsstreifen auf dunklem Grund, und die von den nördlichen USA bis Venezuela heimischen Buchstaben-Schmuckschildkröten (Trachemys); besonders schön gezeichnet ist die bis 30 cm lange Pfauenaugen-Schmuckschildkröte (Trachemys scripta) mit großen Augenmustern an den Seiten des Panzers; sie ist eine der verschiedenen geographischen, unterschiedlich gezeichneten Formen dieser weit verbreiteten Art (vom Tierhandel eingeführte Schmuckschildkröten kommen verwildert mittlerweile auch in Afrika und Südasien vor). In den östlichen und südlichen USA sind auch die Diamantschildkröten(Malaclemys) heimisch und ebenso die 15–30 cm langen Landkarten-Schmuckschildkröten oder Höcker-Schmuckschildkröten (Graptemys); die etwa 10 Arten, bei denen die Männchen wesentlich kleiner als die Weibchen sind, haben schön gezeichnete Köpfe und Höcker auf den Mittelplatten des Rückenpanzers. Weitere nordamerikanische Sumpfschildkröten sind die Wasserschildkröten(Clemmys), die Dosenschildkröten(Terrapene), die bis 25 cm lange Langhals-Schmuckschildkröte (Deirochelys reticularia) mit langem, längsgestreiftem Hals aus den zentralen, südlichen Gebieten der USA, die ausgedehnte Wanderungen über Land unternimmt. Amphibisch oder fast rein terrestrisch leben die 7 mittel- und die 9 südamerikanischen Arten der Neuweltlichen Erdschildkröten (Rhinoclemmys); sie sind gewöhnlich mittelgroß und prächtig gefärbt; viele fressen heruntergefallene Früchte. – Ein ausgedehnteres Verbreitungsgebiet und größere Formenfülle haben die altweltlichen Sumpfschildkröten. Höchstens 18 cm lang wird die Schwarze Dickkopfschildkröte oder Dickhalsschildkröte (Siebenrockiella crassicollis) aus Hinterindien und von den Sundainseln; mit massigem Kopf und Hals, schwarzer Rückenpanzer gewölbt, glatt, Hinterrand deutlich gezähnt. Verbreitungsgebiet der beiden Gattungen Dornschildkröten (Cyclemys; Panzerlänge bis 25 cm; Hinterrand des Rückenpanzers gesägt) und der Erdschildkröten (Geoemyda mit 9 Arten; Panzerlänge 15–40 cm) ist das südliche Asien; während die Arten der ersten Gattung vorwiegend im Wasser leben, sind die Erdschildkröten meist Landbewohner. Ebenso bevorzugen einige Scharnierschildkröten (Cuora) das Land. Ausschließlich vegetarisch ernährt sich die Diademschildkröte (Hardella thurjii); sie lebt vor allem in stehendem oder langsam fließendem Wasser der Flußsysteme von Ganges und Brahmaputra; Panzerlänge des Weibchens über 50 cm, Männchen kleiner; mit leuchtend orangefarbenem Stirnband auf dunkler Kopfoberseite. Ihr äußerlich sehr ähnlich ist die Tempelschildkröte (Hieremys annandalii), deren Panzer bis 25 cm lang wird; sie bevorzugt ruhige Gewässer, in südostasiatischen, besonders thailändischen Tempelteichen; auch sie frißt vor allem Pflanzen; wie bei der vorigen Art liegen auch ihre Lungen in knöchernen Kapseln, die von Vorsprüngen des Panzers gebildet werden. Von Vorderindien bis Burma ist die Gattung Dachschildkröten (Kachuga) verbreitet; ihr 4. Rückenschild zeigt eine auffallende Verlängerung; die deutsche Bezeichnung trifft besonders für die prächtig gefärbte, bis 25 cm lange, zutrauliche Indische Dachschildkröte (Kachuga tecta) zu, deren hoher, in der Mitte von einem höckerigen Längskiel durchzogener Rückenpanzer seitlich steil abfällt. In ihrem Verbreitungsgebiet häufig ist die Chinesische Streifenschildkröte (Ocadia sinensis), mit einem 25 cm langen Panzer und dünnen, kontrastreichen Längsstreifen am Kopf und Hals. Allesfresser sind die 4 Arten der Eurasiatischen Wasserschildkröten (Mauremys); die bis 20 cm lange Kaspische Wasserschildkröte (Mauremys caspica) stellt nur wenig Ansprüche an die Sauberkeit des Wassers; sie kommt als Angehörige einer hauptsächlich in Asien heimischen Gattung auch in Europa (südliche Balkanhalbinsel) vor. Die großen südostasiatischen Flüsse sind der Lebensraum der Riesen unter den Sumpfschildkröten, so der Callagur-Schildkröten(Callagur) und der Borneo-Flußschildkröte (Orlitia borneoensis), deren Panzer eine Länge von 80 cm erreichen kann. Schildkröten (Abb.); Reptilien IReptilien II .
H.S./T.J.
Sumpfschildkröten
Rotwangen-Schmuckschildkröte (Pseudemys scripta elegans)
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.